# taz.de -- Gutachten der Wirtschaftsweisen: Weise Finger in der Wunde | |
> Ein Bericht empfiehlt höhere Steuern für Besserverdienende, um die | |
> Krisenlast sozialer zu verteilen. Der Ampel droht neuer Krach. | |
Bild: Rückenwind von den Wirtschaftsweisen sieht anders aus: Finanzminister Ch… | |
Es ist ein Bericht, der es in sich hat und für neuen Krach in der | |
Ampelkoalition sorgen könnte. Die sogenannten Wirtschaftsweisen empfehlen | |
der Bundesregierung, befristet einen höheren Spitzensteuersatz oder einen | |
Energie-Soli einzuführen, um die Krisenlast solidarischer zu verteilen. So | |
berichtet es [1][die Süddeutsche Zeitung], die sich auf das Jahresgutachten | |
des Gremiums beruft, das eigentlich „Sachverständigenrat zur Begutachtung | |
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ heißt. Zudem empfehlen die | |
Wirtschaftsweisen eine Ausweitung der AKW-Laufzeiten. | |
Laut SZ verwerfen die Wirtschaftsweisen in der jetzigen Krise die [2][Pläne | |
von Bundesfinanzminister Christian Lindner, die kalte Progression] | |
auszugleichen. Damit soll eigentlich verhindert werden, dass Menschen mit | |
steigenden Löhnen in einen höheren Steuertarif rutschen, obwohl sie | |
aufgrund der Inflation nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Auch | |
Vorgängerregierungen haben das bereits getan. Doch auch vor dem dritten | |
Entlastungspaket gab [3][es eine Diskussion darüber], ob der Abbau der | |
Kalten Progression in der jetzigen Lage angemessen ist – denn nominell | |
profitieren dabei vor allem Besserverdienende. | |
Diese Auffassung stützen nun offenbar die Wirtschaftsweisen. „In der | |
aktuellen Situation, in der vor allem eine Entlastung unterer | |
Einkommensgruppen geboten erscheint und die Lage der öffentlichen Finanzen | |
angespannt bleibt, wäre eine Verschiebung dieses Ausgleichs auf einen | |
späteren Zeitpunkt angezeigt“, heißt es laut SZ in dem Gutachten. Alle | |
Empfehlungen berühren wunde Punkte in der Ampelkoalition. Im | |
Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, dass es | |
keine Steuererhöhungen geben soll. Diese rote Linie hatte die FDP | |
durchgesetzt. | |
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der finanzpolitische Sprecher der | |
FDP, Markus Herbrand, dem Vorschlag eines erhöhten Spitzensteuersatzes oder | |
eines Energie-Solis für Besserverdienende skeptisch gegenübersteht. Die | |
Forderung eines Energie-Solis werfe für ihn „die Frage nach einer | |
rechtssicheren Definition“ auf, erklärte er der taz. Bei einer zeitlich | |
befristeten Erhöhung des Spitzensteuersatzes befürchtet Herbrand zudem, | |
„dass die Entfristung der nächste Punkt auf der Wunschliste sein wird“. Den | |
Abbau der kalten Progression verteidigte er: Gerade in der Krise, gehe es | |
darum, den Bürger*innen „nicht noch durch versteckte Steuererhöhungen | |
höhere Belastungen aufzuerlegen“. Das Finanzministerium selbst wollte auf | |
Nachfrage „einzelne Berichterstattung“ nicht kommentieren. | |
## Bislang nicht durchsetzbar | |
SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi begrüßte die Empfehlungen der | |
Wirtschaftsweisen, den Spitzensteuersatz temporär zu erhöhen oder einen | |
Energie-Soli für Besserverdienende einzuführen. „Wir müssen in dieser Krise | |
die soziale Balance wahren“, sagte er der taz. Es sei bemerkenswert, dass | |
das fünfköpfige Gremium einstimmig entschieden habe: „Das kann man nicht | |
einfach vom Tisch wischen mit dem Hinweis, dass man sich im | |
Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, keine Steuern zu erhöhen.“ | |
Grünen-Fraktionschefin Dröge klang vorsichtiger. Eine Erhöhung des | |
Spitzensteuersatzes wäre zwar nach Auffassung ihrer Partei richtig, aber in | |
der Koalition schwer durchsetzbar: „Das war bislang nicht möglich, sich | |
hier miteinander zu verständigen“ sagte sie am Dienstag in Berlin. | |
Für den Finanzexperten der Linkspartei, Christian Görke, haben die | |
Wirtschaftsweisen „die Zeichen der Zeit erkannt“. „Die Teuer-Welle trifft | |
kleine Geldbeutel und Mittelschicht viel härter als diejenigen mit dickem | |
Geldbeutel“ erklärte er der taz. Es sei richtig, Spitzenverdiener stärker | |
zu belasten, „erst recht, wenn Christian Lindner trotz Krise an der | |
Schuldenbremse festhält“. | |
8 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/energiekrise-und-inflation-wirtschaftsw… | |
[2] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5879841 | |
[3] /Oekonom-ueber-Inflation-und-Sozialpolitik/!5874531 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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