# taz.de -- Öffentlicher Nahverkehr: Länder für 49-Euro-Ticket ab April | |
> Die Verkehrsminister:innen der Länder haben sich auf einen | |
> Starttermin für die Nachfolge des 9-Euro-Tickets geeinigt. Um Mehrkosten | |
> gibt es Streit mit dem Bund. | |
Bild: Ab April soll das 49-Euro-Ticket gelten – doch es wird wohl teurer als … | |
BERLIN/BREMEN dpa | Millionen Fahrgäste können mit der Einführung des | |
[1][49-Euro-Tickets] im Nah- und Regionalverkehr im Frühjahr rechnen. Die | |
Länder streben einen Starttermin zum 1. April an. Das sagte die Vorsitzende | |
der Verkehrsministerkonferenz, Bremens Senatorin Maike Schaefer, am | |
Dienstag [2][nach Beratungen]. | |
Zugleich mahnen die Länder, offene Finanzierungsfragen mit dem Bund zum | |
Deutschlandticket müssten geklärt werden. Dabei geht es um mögliche | |
Mehrkosten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erklärte: „Je | |
schneller das Ticket kommt, desto besser.“ Er reagierte zurückhaltend auf | |
einen Vorschlag der Länder zur Aufteilung möglicher Mehrkosten. | |
Schaefer sagte, ein Starttermin zum 1. Januar sei zu ambitioniert gewesen. | |
Die Einführung des Tickets sei organisatorisch, rechtlich und | |
finanztechnisch eine große Herausforderung. Wissing hatte ursprünglich als | |
Ziel für die Einführung des Tickets Anfang 2023 genannt. Der Verband | |
Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hält eine Einführung erst zum 1. Mai | |
für realistisch, wie er am Dienstag erklärte. Zuvor hatte er den 1. März | |
als machbar bezeichnet. | |
Die digitale, bundesweit gültige Fahrkarte ist für einen Einführungspreis | |
von 49 Euro im Monat in einem monatlich kündbaren Abonnement vorgesehen – | |
das ist grundsätzlich beschlossen. Das Ticket ist der Nachfolger des | |
millionenfach verkauften 9-Euro-Tickets aus dem Sommer. Es soll dazu | |
beitragen, dass mehr Menschen vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen. | |
Gerade der Verkehrsbereich [3][hinkt bei Klimazielen hinterher]. Kritiker | |
monieren, zunächst müsse vor allem auf dem Land das Angebot ausgebaut | |
werden. | |
## Streit mit Wissing | |
Bund und Länder hatten vereinbart, das neue Ticket jeweils zur Hälfte zu | |
finanzieren. Bei Einführung schon zu Jahresbeginn werden insgesamt drei | |
Milliarden Euro pro Jahr angesetzt, um Einnahmeausfälle bei | |
Verkehrsanbietern auszugleichen. Sollte ein Start zum 1. Januar noch nicht | |
klappen, würden die Finanzierungsbeiträge anteilig gekürzt, hieß es vor | |
Kurzem. Auf Druck der Länder hatte der Bund außerdem dauerhaft Mittel für | |
den Nahverkehr erhöht. | |
Nun geht es um die Frage, wer Mehrkosten trägt, falls das Ticket teurer | |
wird. Zu erwarten sei dies vor allem in der Einführungszeit, sagte | |
Schaefer. Nach einer Branchenschätzung könnte das Ticket bis zu 4,7 | |
Milliarden Euro kosten. „Wir können die Verkehrsunternehmen nicht im Regen | |
stehen lassen.“ | |
Deswegen sollen nun nach dem Willen der Länder eventuell entstehende | |
Mehrkosten zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt und | |
gemeinsam getragen werden. Die Länder seien zu dieser hälftigen Übernahme | |
bereit, sagte Schaefer. Das erwarten die Länder nun auch vom Bund. | |
Wissing erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, die finanziellen | |
Fragen seien bereits zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten | |
geklärt worden. „Die Bürgerinnen und Bürger warten auf das | |
Deutschlandticket. Wir brauchen einen kundenorientierten ÖPNV, der es den | |
Menschen einfach macht, ihn zu nutzen.“ Die Ministerpräsidentinnen und | |
Ministerpräsidenten hätten eine klare Zusage für das Deutschlandticket | |
gegeben. „Wir erwarten vonseiten der Landesverkehrsminister, dass sie den | |
Auftrag aus der MPK nun konstruktiv umsetzen.“ | |
Schaefer sagte, die Länder hätten sich vom Bund ein deutliches Signal zur | |
sogenannten Nachschusspflicht gewünscht. Wissing nahm an der | |
Pressekonferenz nach den Beratungen nicht teil. Brandenburgs | |
Verkehrsminister Guido Beermann zeigte sich enttäuscht, dass es keine | |
Einigung mit Wissing gab – offenbar habe dieser dazu kein Mandat gehabt. | |
Schaefer machte deutlich, mit dieser Frage sollten sich nun Kanzler Olaf | |
Scholz und die Ministerpräsidenten bei Beratungen in gut einer Woche | |
befassen. | |
Der VDV kritisierte vor den Beratungen, Bund und Länder hätten bei der | |
Finanzierung einen Deckel eingezogen. Es gebe keine Nachschusspflicht, | |
falls die Kosten steigen sollten. Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff sagte, | |
allein die monatliche Kündbarkeit des Tickets führe zu erheblichen | |
Einnahmerisiken: „Die Bundesregierung kann dieses wirtschaftliche Risiko | |
nicht komplett auf unsere Branche verlagern.“ ÖPNV-Tarife müssten in | |
Deutschland genehmigt werden. „Und keine zuständige Behörde wird einen | |
Tarif genehmigen, dessen Gegenfinanzierung in Teilen unklar ist.“ | |
Je länger Bund und Länder diese Finanzierungsfrage offenließen, desto | |
später könne das Ticket eingeführt werden. „Eine Einführung des Tickets z… | |
1. Mai erscheint uns nach aktueller Einschätzung der politischen Prozesse | |
als realistisch“, sagte Wolff. Er forderte eine Entscheidung, dass der | |
komplette Einnahmeverlust tatsächlich von Bund und Ländern ausgeglichen | |
wird. | |
Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer kritisierte: „Bund und Länder | |
vertändeln beim wichtigsten Verkehrsprojekt der vergangenen Jahre wertvolle | |
Zeit.“ Mit der Zusage der Länder, etwaige zusätzliche Kosten hälftig zu | |
übernehmen, sei nun Wissing am Zug. Das Ticket könnte die Zahl der | |
ÖPNV-Abos nahezu verdoppeln, zeigten Umfragen. | |
Keine einheitliche Linie fanden die Verkehrsminister zur Frage, wann die | |
Maskenpflicht im ÖPNV abgeschafft werden soll. Schaefer sagte, einige | |
Länder wollten die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen bereits zum 1. Januar | |
abschaffen, andere angesichts der weiter angespannten Lage in der Pandemie | |
erst nach dem Winter zur Einführung des Tickets. Ein „Flickenteppich“ | |
sollte vermieden werden, sagte Beermann. Auch mit dieser Frage sollen sich | |
nun Scholz und die Ministerpräsidenten befassen. | |
30 Nov 2022 | |
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