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# taz.de -- Die Hetze rechter Parteien in Deutschland: CSU, AfD und NPD machen …
> Die CSU bedient Ressentiments, die AfD pflegt Vaterlandsliebe, die NPD
> hetzt gegen Flüchtlinge. Deutschland 2015.
Bild: „Meine Heimat bleibt deutsch!“, fordern rechte Demonstrant_innen in D…
Berlin/Erfurt taz | Horst Seehofers CSU deckt routiniert den rechten Rand
ab und bedient Ressentiments gegen Flüchtlinge, Einwanderer und Muslime. In
Thüringen startete die „Herbstoffensive“ der AfD erfolgreich.
Landtagsfaktionschef Björn Höcke verwischt die Grenzen nach weit rechts. Im
sächsischen Heidenau heizte der Maurer und NPD-Mann Rico Rentzsch die
Anti-Asyl-Krawalle an. Er folgte einer Strategie seiner Partei.
## CSU: Die etablierte Protestpartei
Mit der Einladung von Victor Orbán hat die CSU in der vergangenen Woche
einen echten Coup gelandet. Der ungarische Premier ist in den vergangenen
Wochen zum Helden all jener geworden, die durch die Flüchtlinge aus
muslimischen Ländern den Untergang des Abendlands heraufdämmern sehen. Die
Demonstranten von Pegida feiern ihn mit „Orbán, Orbán“-Rufen, und rechte
Politiker in ganz Europa wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und
AfD-Chefin Frauke Petry loben ihn als Vorbild. An der Seite von Horst
Seehofer durfte Orbán sich als oberster Grenzschützer Europas und als
Gegenpol zu Angela Merkel inszenieren und vor „moralischem Imperialismus“
warnen. Damit setzte sich die CSU subtil an die Spitze aller rechten
Parteien in Europa.
Die CSU nimmt in Deutschland den Platz ein, den anderswo in Europa
rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ in Österreich, in Frankreich der
Front National und in Dänemark die dänische Volkspartei besetzen. Sie
bedient das populäre Ressentiment, indem sie behauptet, als einzige
„Klartext“ zu reden, und sorgt mit plakativen Forderungen für Schlagzeilen.
Man kann sich aber auch fragen, ob sie nicht ohnehin längst selbst eine
rechtspopulistische Partei ist, so vehement wie sie versucht, den rechten
Rand abzudecken und mit polterndem Oppositionsgehabe vergessen zu machen,
dass sie in Berlin seit vielen Jahren mit regiert. Ihr Chef Seehofer tönte
einmal, er werde Einwanderung „aus fremden Kulturkreisen“ und „in die
Sozialsysteme“ bekämpfen – und zwar „bis zur letzten Patrone“, wie er …
nach Bekanntwerden der NSU-Morde wenig geschmackvoll hinzufügte. Der Islam
gehöre nicht zu Bayern, betonten CSU-Politiker ein ums andere Mal, und dass
Kirchtürme und nicht Minarette das Bild ihres Bundeslands prägen sollten.
Einem anderslautenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Trotz
verteidigt die CSU die Kreuze, die in bayerischen Klassenzimmern hängen, so
verbissen wie sonst nur die Lega Nord in Italien und die SVP in der
Schweiz. Und neuerdings fordern CSU-Politiker eine Obergrenze für die
Aufnahme von Flüchtlingen, was ebenfalls der Verfassung widerspricht.
Man hat sich in Deutschland daran gewöhnt, das als krachlederne Folklore
abzutun. Doch damit macht man es sich zu leicht. Die CSU trägt schon lange
Regierungsverantwortung – seit über 50 Jahren in Bayern, seit vielen Jahren
im Berlin – und legt dabei einen gewissen Pragmatismus an den Tag. Doch
sorgt sie mit populistischen Vorstößen wie dem „Betreuungsgeld“ oder der
Autobahn-Maut dafür, dass man sie nicht vergisst. Mit ihren ständigen
Appellen an die Stammtische bereitet sie womöglich einer echten
Protestpartei wie der AfD ungewollt den Weg. Und indem sie das populäre
Ressentiment gegen Flüchtlinge, Muslime und Einwanderer bedient, vergiftet
sie das gesellschaftliche Klima.
## AfD: Anheizer und Entgrenzer
Die Arme nach oben gereckt, den Blick über die Menge streifend, lässt er
den starken Applaus zu seiner Begrüßung langsam abklingen. Auf dem
Lautsprecherwagen mit Redepult, an dem eine Deutschlandfahne befestigt ist,
steht er im dunklen Anzug, holt Luft und beginnt: „Liebe Freunde, ich sehe
nicht 1.000, 2.000, ich sehe nicht 3.000 Mitbürger – ich sehe 5.000
Mitbürger“, um sogleich zu skandieren: „Wir sind das Volk!“ und „Merkel
muss weg!“. Erfurt am vergangenen Mittwochabend: Björn Höcke, der
Landtagsfraktionsvorsitzende der AfD, heizt die Stimmung an.
In der thüringischen Landeshauptstadt hatte die AfD zur Demonstration gegen
„Politikversagen“ und „Asylchaos“ aufgerufen. Bundesweit startete die
Partei ihre „Herbstoffensive 2015“. Frische Plakate und Broschüren mit
altbekannten Positionen gegen Asyl, Euro und Einwanderung. Die AfD möchte,
wie die ganze rechte Szene, die Ängste nutzen. Dass sie eine
„Unwillkommenskultur“ von Anpöbelungen über Angriffen bis Anschlägen
befeuert, hindert sie wenig. In Erfurt gelang die bisher größte Aktion der
„Herbstoffensive“. Im Anschluss griffen aufgehetzte Rechte linksalternative
Jugendliche an.
Nicht Parteivorsitzende Frauke Petry bringt die vermeintlich bloß besorgten
Bürger und angebliche Asylkritiker auf die Straße. Höcke ist es, der
Oberstudienrat, der unter anhaltenden Applaus erklärte: „Erfurt ist schön
deutsch und Erfurt soll schön deutsch bleiben“, der „reine, ehrliche,
bescheidene Vaterlandsliebe“ gelobte und fragte: „Wollen wir eine
multikulturelle Gesellschaft sein?“, um ein lautstarkes „Nein!“
heraufzubeschwören.
In das „Nein“ der Menge stimmten auch bekennende Rechtsextreme und rechte
Hooligans ein. Die „Identitäre Bewegung“ und das Holocaust-Leugner-Netzwerk
„Europäische Aktion“ ließen ihre Fahnen wehen. Für den Landesverband um
Höcke, der meint, dass nicht „jedes einzelne NPD-Mitglied als
extremistisch“ einzustufen sei, ist aber nur die bürgerliche Mitte in ihren
Reihen.
Seit Monaten überschreitet Höcke nicht nur rhetorisch die Grenze nach weit
rechts. Gern gibt er persönlich extrem rechten Magazinen und Blogs
Interviews. Am 19. September führte er bei dem neurechten Portal
„Sezession“ aus: „Die freiwillige Gleichschaltung wird zum einen erklärb…
wenn man den geistigen Nährboden der Pseudoelite in den Blick nimmt: Das
sind vorrangig ein zur Selbstauflösung strebender Humanitarismus und
Hypermoralismus.“ Kürzer hätte der Entgrenzer der rechten Spektren den
gemeinsamen Konsens des Antihumanismus kaum aufgreifen können. Auf dem
Portal bietet er gleich dem Pegida-Gründer Lutz Bachmann wegen dessen
Überlegung der Parteigründung ein Gespräch an: „Eine weitere Zersplitterung
der an einer Zukunft Deutschlands interessierten Kräfte ist“, meint er,
„unentschuldbar“.
## NPD: Der Hetzer von nebenan
Rico Rentzsch steht wieder mal mittendrin. In grauem Pullover und Jeans
hält der 27-jährige Maurer im August eine Rede auf einer Demonstration in
seiner Heimatstadt, dem sächsischen Heidenau. Rund 1.000 Teilnehmer
lauschen dem NPD-Mann. Es wehen schwarz-weiß-rote Fahnen und ein „Nein zum
Heim“-Banner. Gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft brauche es zivilen
Ungehorsam, soll Rentzsch aufgerufen haben.
Was folgt, ist bekannt: Lokale und angereiste Neonazis randalieren zwei
Nächte vor der gerade bezogenen Asylunterkunft. Böller und Steine fliegen,
31 Polizisten werden verletzt. Es ist eine Eskalation mit Vorlauf.
Im Juni 2014 wird Rentzsch bei der Kommunalwahl des 16.000-Einwohner-Orts
mit 1.250 Stimmen in den Stadtrat gewählt. Dabei ist Rentzsch wegen eines
versuchten Überfalls auf drei linke Jugendliche 2008 verurteilt. Sein
Mandat nutzt er vor allem für Stimmungsmache gegen Asylbewerber. Schon im
November organisiert er eine Demonstration „gegen die Asylflut“. Im Ort
verteilt er Flyer gegen Flüchtlinge, veranstaltet einen Lampionumzug für
deutsche Kinder, „unsere Zukunft“. Im Stadtrat fragt Rentzsch, ob
Flüchtlinge die Hilfsorganisation Tafel besuchten.
Gleichzeitig ist er offenbar an der Facebook-Gruppe „Heidenau hört zu“
beteiligt. Schritt für Schritt verschärft sich dort der Ton. Irgendwann
wirbt die Gruppe offen für die NPD und zitiert Rentzsch. „Geredet wurde
lange genug“, schreibt der. „Jetzt ist Zeit zu handeln.“ Auf seiner
Demonstration vor den Krawallnächten werden Zettel herumgereicht: In
Kleingruppen soll man zur Asylunterkunft gehen, um eine Blockade
durchzuführen. Die Heidenauer folgen.
Rentzsch folgt damit der Strategie seiner Partei. Die NPD steckt in der
Krise: Sie erlitt Wahlschlappen, bundesweit hat sie nur noch 5.200
Mitglieder, die Kassen sind leer. Kommunal ist sie im Osten Deutschlands
aber vielerorts weiter verankert, 97 Mandate sind es allein in Sachsen. Nun
setzen die Neonazis ganz auf das Thema Flüchtlinge. Die NPD organisiert
Kundgebungen gegen Unterkünfte, wettert über „Scheinasylanten“ und
„Sozialtouristen“.
Für die Länder ist das auch Futter für das NPD-Verbotsverfahren. Ende
August lieferten sie dem Bundesverfassungsgericht 140 Seiten Material nach.
Die NPD verfolge das Ziel einer „ausschließlich rassisch definierten
‚Volksgemeinschaft‘“, heißt es dort. Sie scheue nicht vor „Einschücht…
und Gewaltanwendung“ zurück.
Sicherheitsbehörden sehen auch einen Zusammenhang zu den jüngsten Angriffen
auf Flüchtlingsunterkünfte: Dort, wo die NPD stark sei, komme es oft auch
zu Krawall. So gab es in Freital, Dresden, Tröglitz oder im bayerischen
Goldbach NPD-Aktionen gegen Flüchtlinge – und später auch Gewalt. Oder in
Heidenau. Ihren dortigen Stadtrat Rico Rentzsch lobt die NPD offen als
„einen der führenden asylmissbrauchskritischen Aktivisten“. Der kündigte
an, man werde die Proteste „weiterführen“.
29 Sep 2015
## AUTOREN
Daniel Bax
Andreas Speit
Konrad Litschko
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