# taz.de -- Migration in die EU: EU-Gipfel mit Rechtsruck | |
> In Brüssel forderten die Staats- und Regierungschefs neue Regeln zur | |
> Abschiebung von Migranten. Mehr Lager und illegale Pushbacks sind zu | |
> befürchten. | |
Bild: EU-Länder gegen Migration: Marokkanisches Flüchtlingsboot vor den Kanar… | |
Brüssel taz | Der Rechtsruck in der europäischen Migrationspolitik setzt | |
sich fort und wird zur offiziellen Politik. Beim EU-Gipfel am Donnerstag | |
forderten die 27 Staats- und Regierungschef „dringend“ neue EU-Regeln, um | |
Abschiebungen zu erleichtern. Außerdem öffneten sie die Tür zu „innovativen | |
Lösungen“ wie Abschiebezentren in Ländern außerhalb der EU. Auch die nach | |
internationalem Recht [1][illegalen Pushbacks an der polnischen Grenze zu | |
Belarus] scheinen nicht mehr ausgeschlossen. | |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war dennoch zufrieden. Er sei überzeugt, | |
„dass die irreguläre Migration zurückgehen muss“, sagt er nach dem Ende d… | |
Gipfels am Donnerstagabend in Brüssel. Zugleich müsse die EU aber „offen | |
bleiben für die nötige Zuwanderung von Fachkräften“. Alle neuen Maßnahmen | |
müssten sich auf dem Boden des europäischen und internationalen Rechts | |
bewegen, betonte Scholz. | |
## Grenzkontrollen, Pushbacks, Lager | |
Genau dies ist aber fragwürdig geworden. Zuerst hatte Deutschland wieder | |
Kontrollen an allen Landgrenzen eingeführt, was kaum mit den | |
Schengen-Regeln für Freizügigkeit in Europa vereinbar ist. Anfang dieser | |
Woche [2][hat Italien dann ein Abschiebezentrum in Albanien eröffnet], also | |
außerhalb der EU. Polens Regierungschef Donald Tusk kündigte zudem an, | |
[3][das Asylrecht für Migranten aus Belarus vorübergehend aussetzen zu | |
wollen]. | |
Doch statt sich entschieden von diesen repressiven Maßnahmen abzusetzen, | |
sprechen sich die EU-Chefs in ihrer Gipfelerklärung für „neue Wege“ aus, … | |
„irreguläre Migration zu verhindern und abzuwehren.“ Dies lässt sich als | |
Freibrief für weitere Abschiebelager außerhalb der EU lesen. | |
„Außergewöhnliche Situationen verlangen angemessene Maßnahmen“, heißt es | |
offenbar [4][mit Blick auf die Lage an der Grenze zu Belarus]. | |
Auf die Frage, ob Pushbacks erlaubt seien, wenn Migranten als Waffe | |
eingesetzt würden, antwortete Scholz, alles müsse „im Rahmen des | |
internationalen Rechts geschehen“. Man könne nicht darüber hinwegsehen, | |
dass an den Grenzen zu Russland und Belarus „schlimme Dinge passieren“, so | |
der SPD-Politiker. Deshalb brauche es „außerordentliche Anstrengungen“, �… | |
sicherzustellen, dass dort nicht Migration missbraucht wird“. | |
## Meloni gibt den Ton an | |
Der Gipfeltext trägt die Handschrift der Hardliner. Von Anfang an hatte | |
Italiens rechtslastige Regierungschefin Giorgia Meloni den Ton angegeben. | |
Sie lud zu einem Mini-Gipfel im italienischen Delegationsraum. Daran nahmen | |
fast ein dutzend Staats- und Regierungschefs teil. Neben Italien waren u.a. | |
Ungarn, die Niederlande, Österreich und Polen vertreten. Auch | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) stieß hinzu. | |
Demgegenüber fehlten Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron. Von | |
ihnen geht bei EU-Gipfeln sonst oft die Initiative aus; diesmal wirkten sie | |
eher wie Getriebene. „Der derzeitige Migrationsdruck zwingt uns, vereint zu | |
bleiben“, sagte Macron. Er räumte allerdings auch ein, dass die Zahl der | |
irregulären Grenzübertritte in die EU insgesamt abgenommen habe. Die | |
EU-Grenzschutzagentur Frontex hat für den Beginn dieses Jahres einen | |
Rückgang um 42 Prozent gemeldet. | |
## Rechtspopulisten wie Orbán und Wilders im Aufwind | |
[5][Rechtspopulistische und nationalistische Politiker] feierten die Wende | |
rückwärts in der Migrationspolitik. „Immer mehr Länder erkennen an, dass es | |
eine Migrationskrise gibt“, freute sich Ungarns Regierungschef Viktor | |
Orbán. „In Europa weht ein neuer Wind“, sagte der Chef der | |
rechtspopulistischen Regierungspartei PVV in den Niederlanden, Geert | |
Wilders. Er hatte zuvor einen Ausstieg aus der gemeinsamen Asylpolitik | |
gefordert. | |
Am Rande des EU-Gipfels hatten die rechten „Patrioten für Europa“ ihr | |
erstes Spitzentreffen in Brüssel abgehalten. Daran nahm auch Frankreichs | |
Nationalistenführerin Marine Le Pen teil. Die „Patrioten“ stellen mit 84 | |
Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Europaparlament – nach | |
Konservativen und Sozialdemokraten, aber noch vor den Liberalen und Grünen. | |
Auch im Rat, der Vertretung der EU-Länder, sind sie stärker geworden. Nun | |
laufen ihnen selbst Politiker der Mitte hinterher. | |
18 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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