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# taz.de -- Doku zu EU-Asylpolitik: In die Wüste getrieben
> Die BR-Doku „Ausgesetzt in der Wüste“ enthüllt die brutale
> EU-Abschottungspolitik. Ein eindrücklicher Film, der Europas Selbstbild
> erschüttert.
Bild: Dieser Mann wurde gerettet
Notfalls müsse man auf die Flüchtlinge an der deutschen Grenze schießen,
schlug die [1][AfD-Politikerin Frauke Petry] 2016 vor. Ihre Parteikollegin
Beatrix von Storch legte bei Facebook nach und schloss auch Schüsse auf
Frauen und Kindern nicht aus. Die Politik war empört ob dieser
menschenfeindlichen Aussagen.
Zum Glück, möchte man meinen. Doch wer sich die heutige
EU-Flüchtlingspolitik anguckt, kann die Empörung nur als eines bezeichnen:
scheinheilig. [2][Denn Europa schottet sich immer weiter ab,] das
Mittelmeer ist längst zu einem Massengrab geworden. In Tunesien,
Mauretanien und Marokko herrscht ein brutales System, um die Flüchtenden
auf ihrem Weg nach Europa aufzuhalten.
Dieses Vorgehen der afrikanischen Regierungen wird von der EU wissentlich
mitfinanziert. Welche grausamen und tödlichen Folgen das hat, zeigt die
BR-Dokumentation „Ausgesetzt in der Wüste“.
Der 50-minütige Film ist das Ergebnis einer Recherchekooperation von
Spiegel, Washington Post, der Organisation Lighthouse Reports und anderen
internationalen Medien. Sie haben mithilfe von Videos, vertraulichen
Dokumenten und Gesprächen mit Polizist_innen, Diplomat_innen und
Politiker_innen recherchiert, wie das System funktioniert.
## Ohne Nahrung in die Wüste
[3][Geflüchtete werden von tunesischen Streitkräften festgenommen] und dann
in der Grenzregion zu Libyen, einer Wüste, ohne Wasser und Essen
ausgesetzt. Ihnen werden die Handys, Pässe und manchmal auch die Schuhe
weggenommen, sie werden verprügelt, damit sie nicht zurück laufen können.
Viele der Flüchtlinge sterben in der Wüste, sie verdursten, verbluten oder
sterben wegen der Hitze. Manche von ihnen werden von libyschen Milizen oder
der Grenzpolizei „gerettet“. Wobei diese Rettung keine wirkliche ist, weil
sie nicht selten in Internierungslagern oder im Sklavenhandel endet. Doch
was hat die EU damit zu tun?
So einiges. Die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen hat im vergangenen Jahr
einen Deal mit dem tunesischen Präsident Kais Saied ausgehandelt: Die
Regierung bekommt Finanzhilfen in Milliardenhöhe, dafür soll sie die
Geflüchteten davon abhalten nach Europa zu kommen. Wie? Das wurde nicht
näher definiert. Doch nicht nur das, die Recherchen zeigen, dass die
tunesische Nationalgarde seit Jahren von der deutschen Polizei geschult und
ausgerüstet wird.
Im Mai hatte die Regierung angekündigt, die Vorwürfe zu prüfen – eine
Antwort ist sie bis heute schuldig. Und Tunesien ist hier nur ein Beispiel
von mehreren.
## Interesse bleibt aus
Ein Skandal könnte man meinen, doch obwohl die Recherchen schon seit einem
halben Jahr bekannt sind, regt sich in der deutschen Öffentlichkeit nur
wenig Interesse.
Und die deutsche und [4][EU-Politik] scheinen es auch mit dem Prinzip
Augen-zu-und-durch zu probieren. Keine_r der angefragten Politiker_innen
möchte in der Doku Stellung beziehen: weder Innenministerin Nancy Faeser
noch Kanzler Olaf Scholz oder Ursula von der Leyen.
Der einzige, der sich zum Gespräch bereit zeigt, ist Manfred Weber,
Vorsitzender der Europäischen Volkspartei. Auf die Frage, ob man wirklich
mit Regierungen zusammen arbeiten wolle, die Männer, Frauen und Kinder in
der Wüste verbluten und dehydrieren lasse, sagt er lediglich: „Es gibt
keine Alternative.“
Und weiter: „An irgendeiner Stelle wird man klar sagen müssen, du darfst
nicht einreisen. Es gibt für dich keine Perspektive in Europa.“ So habe das
Tunesien-Abkommen zur Folge, dass heute weniger Menschen im Mittelmeer
sterben würden.
## Film gibt Geflüchteten ein Gesicht
Mit solchen zynischen Antworten sollte man weder die EU noch Deutschland
davon kommen lassen. Doch dafür müsste die Gesellschaft hinschauen.
Vielleicht kann die schwer verdauliche Doku ihren Dienst dazu leisten. Wer
die kaum ertragbaren Bilder von Leichen und Menschen, die in der Wüste
zusammen brechen oder ihre Wunden in die Kamera halten, einmal gesehen hat,
wird sie nicht so schnell wieder vergessen.
Vor allem deswegen, weil der Film den Geflüchteten einen Namen und ein
Gesicht gibt – sie aus der anonymen Masse herausholt. So wie Adam Ibrahim
aus dem Sudan, der schon mehrfach in die Wüste an der tunesisch-libyschen
Grenze ausgesetzt wurde. Ihm gehören die letzten Worte der Doku. Sie
lauten: „Mein Ziel ist es, Europa zu erreichen. Solange ich leben, werde
ich es versuchen.“
„Ausgesetzt in der Wüste – Europas tödliche Flüchtlingspolitik“ in der
ARD-Mediathek
7 Nov 2024
## LINKS
[1] /Frauke-Petry/!t5008269
[2] /Sicherheitspaket-und-die-Haerte-der-EU/!6041120
[3] /Migrationsabkommen-der-EU-mit-Tunesien/!5947504
[4] /Europaeische-Union/!t5013441
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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