| # taz.de -- Immobilieninvestoren in Großstädten: Warum steht meine Wohnung le… | |
| > Vor anderthalb Jahren musste unser Autor aus seiner Wohnung in einem | |
| > beliebten Berliner Stadtteil. Seitdem steht sie leer. Wie kann das sein? | |
| Bild: …unser Autor kurz vor dem Auszug aus seiner WG im Frühjahr 2017 | |
| Sie suchen eine Wohnung in Berlin oder kennen jemanden, der das tut? Dann | |
| wüsste ich was. Fünf Zimmer, Küche, Bad, 142,59 Quadratmeter im zweiten | |
| Obergeschoss. Eine hübsche Altbauwohnung, Parkettboden, Stuck, Balkon. Ich | |
| kenne die Wohnung ziemlich gut, ich habe darin einige Jahre gewohnt. | |
| Doch das Problem ist: Die Wohnung ist gar nicht zu mieten, obwohl sie seit | |
| anderthalb Jahren leer steht. Damals mussten wir mit der WG ausziehen. | |
| Und es ist nicht die einzige Wohnung, die in diesem Haus in Nordneukölln | |
| leer steht, es sind mindestens sechs. Eine davon schon mehr als zweieinhalb | |
| Jahre. Wie kann das sein, wo doch derzeit in Berlin so viel über fehlenden | |
| Wohnraum geklagt wird? Ist das nicht sogar illegal, weil Leerstand | |
| Zweckentfremdung ist, wie das Gesetz sagt? | |
| Kottbusser Damm, Ecke Sanderstraße, in Wohnungsanzeigen wird die Gegend | |
| gern „Kreuzkölln“ genannt, weil das nicht nach dem Problembezirk klingt, | |
| der noch in manchen Köpfen herumspukt. Den Namen mögen nicht alle, weil | |
| sich das reichere Kreuzberg sprachlich in das ärmere Neukölln hineinfrisst. | |
| Gentrifizierung. | |
| Aber am Anfang ist Gentrifizierung ja toll. Altbauwohnungen, die groß sind, | |
| und trotzdem bezahlbar; Cafés, in denen man auch mal einen Tag rumhängen | |
| kann, weil es WLAN gibt zum Arbeiten; der Imbiss mit Burritos, die | |
| schmecken wie in Mexiko, nur vegetarisch. Und trotzdem können auch die noch | |
| hier leben, die hier schon immer lebten, mit ihren Schneidereien, | |
| Bäckereien und Sportbars. | |
| ## Das Haus wird aufgewertet | |
| Hier zu wohnen war ziemlich großartig. Der Edeka war gleich nebenan, wenn | |
| man eine Kneipe brauchte, hatte im Zweifel gerade eine neue aufgemacht. Bei | |
| den WG-Partys vibrierte der Boden, und es beschwerte sich niemand. Dass wir | |
| dann ausziehen mussten, war schade, aber immerhin noch formal korrekt. | |
| Die beiden Hauptmieter zogen aus, und eigentlich sollten wir einen neuen | |
| Mietvertrag bekommen. Aber der neue Eigentümer ließ ausrichten: Nein und | |
| tschüss. Schnell war klar: Umziehen ist in Berlin ziemlich schwierig | |
| geworden. Es gibt wenige Wohnungen auf dem Markt, und wenn es sie gibt, | |
| sind sie angeblich immer „umfassend modernisiert“ und damit teuer, weil | |
| eine umfassende Modernisierung die Mietpreisbremse außer Kraft setzt. | |
| In München, Frankfurt oder Düsseldorf mögen die Mieten noch höher sein, | |
| aber nirgendwo steigen sie so rasant wie in Berlin, wo die Menschen zudem | |
| im Schnitt weniger verdienen. Die Wohnungsfrage stellt sich wohl nirgendwo | |
| so dringend wie hier. | |
| Frühjahr 2017. Beim Übergabetermin treffe ich die Frau von der | |
| Hausverwaltung, nennen wir sie Frau Müller, zum ersten Mal persönlich. | |
| Kurze Haare, forsch, aber freundlich, an ihrem Block klemmt ein goldener | |
| Kugelschreiber. | |
| Warum wir jetzt doch keinen neuen Vertrag bekommen? Der neue Eigentümer | |
| wolle die Wohnung leer haben, sagt sie, was dann passiere, wisse sie nicht. | |
| Und warum steht die Wohnung unter uns schon seit einem Jahr leer, obwohl | |
| sie frisch renoviert wurde? „Wir hatten mehrere Interessenten da, aber der | |
| Eigentümer hat da andere Vorstellungen“, sagt sie. „Das waren oft WGs. WGs | |
| sind eher schwierig, da gibt es viele Umzüge.“ Es geht also um die | |
| Aufwertung des Hauses? Sie lächelt. | |
| „Die Fenster werden auf jeden Fall gemacht“, sagt sie, „da haben wir schon | |
| Angebote eingeholt.“ Es dauere dann so zwei Monate, bis bei der Renovierung | |
| die Gewerke durch seien. Sanitär, Wände, Boden. Den Boden mache man immer | |
| am Schluss. | |
| In den Monaten danach bin ich ab und an mit dem Fahrrad am Haus | |
| vorbeigefahren. Ein bisschen wehmütig und zunehmend wütend. Die Fenster der | |
| Wohnung wurden nicht gemacht. Auch sonst: nichts. Wurde unsere Wohnung zu | |
| einem Spekulationsobjekt? | |
| Dass sie leer steht, ist auch den Nachbarn aufgefallen. Es sei nicht die | |
| einzige im Haus, erzählt mir einer, es würden immer mehr. Sie haben das dem | |
| Bezirksamt gemeldet, Zweckentfremdung. Passiert ist erst mal: nichts. | |
| Zwei aus einer der WGs im Haus werfen Zettel in alle Briefkästen. „Wir | |
| befürchten Schlechtes“, steht darauf. “ Die Briefkastenfirma „Berlin | |
| Project-4 Property III S.à.r.l.“ dürfte eher nicht als freundlicher | |
| Hauswart auftreten. Wir müssen wohl damit rechnen, dass die neuen | |
| Eigentümer möglichst hohen Profit aus der Immobilie ziehen wollen.“ | |
| Über den Mailverteiler, den sie einrichten, schreibt jemand von seiner | |
| Angst, die Wohnung zu verlieren: „Wo soll man sich in diesem Kiez auch | |
| sonst noch was leisten können!??“ Eine andere berichtet von einer | |
| sechsköpfigen Familie, die auf die Frage, ob sie nicht in eine der | |
| größeren, leerstehenden Wohnungen umziehen könnte, nur gehört habe: Nein. | |
| „Wir müssen zusammenstehen“, schreibt einer der Bewohner. | |
| Zusammenstehen, aber gegen wen? Über den neuen Eigentümer wissen sie nicht | |
| viel mehr, als dass er einen seltsamen Namen hat und eine Adresse in | |
| Luxemburg. | |
| Ich muss mich eine Weile durch das Luxemburger Handelsregister klicken, bis | |
| die Firmenkonstruktion klar wird. Es sind mehrere Unternehmen registriert, | |
| die fast so heißen wie der neue Eigentümer, nur mit einer anderen Nummer, 1 | |
| bis 5, und jede hat eines oder mehrere Mietshäuser gekauft. Alle fünf | |
| Firmen gehören einer Holding, die wiederum – neben anderen Gesellschaften – | |
| einem Immobilienfonds gehört, der von einer Firma gemanagt wird, die | |
| ihren Sitz ebenso in Luxemburg hat und Büros in mehreren Städten. Eines | |
| befindet sich am Berliner Kurfürstendamm. | |
| Dass Firmen gegründet werden, um Immobilien zu kaufen, ist ein beliebtes | |
| Vorgehen, um bei einem späteren Verkauf die Grundsteuer sparen zu können, | |
| finde ich heraus. In Luxemburg sitzen die Firmen gern, weil dort Fonds | |
| nicht so streng reguliert werden und es zudem viele Möglichkeiten gibt, | |
| weniger Steuern zu zahlen als in anderen Ländern der EU. | |
| ## 10 Prozent Rendite im Jahr | |
| Der Immobilienfonds, dem unser Haus nun gehört, heißt „Optimum Evolution | |
| Fund SIF – Property III“, so steht es in den Unterlagen. Es handelt sich um | |
| einen geschlossenen Fonds: Die Kapitalgeber zeichnen einmalig Anteile, er | |
| wird dann einige Jahre bewirtschaftet, bevor die Häuser wieder verkauft | |
| werden. Er richtet sich an Großanleger, an Pensionsfonds, | |
| Versicherungskonzerne, Banken. 173 Millionen Euro Kapital hat Optimum von | |
| den Anlegern eingesammelt und etwa dieselbe Summe noch mal als Bankkredit | |
| aufgenommen. Und mit diesem Geld gingen sie dann einkaufen. | |
| Es reichte für 30 Gebäude, die meisten in Berlin, ein bisschen Gewerbe, | |
| viele Wohnungen, 1.904 Einheiten insgesamt, gut 137.000 Quadratmeter. | |
| Optimum wolle „Vermögenswerte erwerben, bei denen wir die Kapitalrendite | |
| maximieren können“ – so heißt es auf der Webseite. Aha. Aber wie? | |
| Dazu steht etwas in einem Geschäftsbericht: Die Miete der bestehenden | |
| Verträge soll erhöht werden und neue Mietverträge würden dazu beitragen, | |
| „den gegenwärtigen Netto-Mieteinnahmen einen Auftrieb zu verpassen und das | |
| Risiko möglicher Mietausstände zu reduzieren“. | |
| Die Miete erhöhen, möglichst neue Mieter, den Wert der Gebäude steigern – | |
| und natürlich den Gewinn. Kapitalgeber des Fonds können eine Rendite von 10 | |
| Prozent im Jahr erwarten. Eine solche hat die Firma erreicht, als sie vor | |
| einiger Zeit den ersten Subfonds verkaufte. Optimum will auch für die | |
| eigenen Leute das Optimum herausholen: Die Fondsmanager dürfen sich auf | |
| eine Gewinnbeteiligung von 20 Prozent freuen. | |
| „10 Prozent Rendite im Jahr sind für einen geschlossenen Immobilienfonds | |
| eine sehr hohe Erwartung“, erklärt mir der Fondsexperte Stephan Lopfinger | |
| am Telefon. „Um eine solche Wertsteigerung zu schaffen, muss ich aggressiv | |
| rangehen“, sagt er. „Wenn Sie jemanden rausekeln, der 20 Jahre dort gewohnt | |
| hat, dann haben Sie eine deutliche Wertsteigerung.“ Und aus Investorensicht | |
| mache es durchaus Sinn, ein Gebäude ganz leer zu bekommen. Dann lässt es | |
| sich komplett neu entwickeln, fast wie ein Neubau. Ist das also der Plan? | |
| Einer der Manager der Luxemburger S.à.r.l., der nun meine alte Wohnung | |
| gehört, ist gleichzeitig der Gründer und CEO der Optimum Asset Management | |
| S.A., die den Fonds managt. Ihr Gesamtportfolio hat einen Wert von rund 1,4 | |
| Milliarden Euro. Alberto Matta heißt er, gebürtiger Italiener, wohnhaft in | |
| London. Wenn man ihn googelt, blickt einem ein freundlich wirkender Mann | |
| entgegen, mal mit gräulichem Vollbart, mal ohne. | |
| Ich schreibe ihm eine E-Mail, in der ich die leerstehenden Wohnungen | |
| erwähne und mich erkundige, was seine Firma mit dem Haus vorhat. Ich will | |
| wissen, wie sie solch eine hohe Rendite erwirtschaften wollen, und ich | |
| frage ihn: Kümmert es Sie, was den Menschen geschieht, die in den Gebäuden | |
| im Eigentum Ihres Fonds wohnen? Oder kümmern Sie nur die Zahlen und Profit? | |
| Nach ein paar Tagen antwortet er: „Ich bin sehr traurig von Ihren negativen | |
| Erfahrungen zu hören.“ Er verspricht, sich den Fall anzuschauen und weist | |
| darauf hin, dass das Alltagsgeschäft von einer Hausverwaltung erledigt | |
| werde, die dies „in Übereinstimmung mit den lokalen Gesetzen und | |
| Vorschriften“ tue. | |
| Ich verabrede mich mit Frau Beck, sie wohnte genau ein Stockwerk über uns, | |
| und sie wohnt da immer noch. „Ach, damit muss ich mich gerade viel zu viel | |
| beschäftigen“, sagt sie schon am Telefon. „Ich dachte, ich habe einen | |
| gemütlichen Ruhestand. Aber klar, kommen Sie gerne vorbei.“ | |
| Inzwischen ist es Anfang Oktober. Frau Becks Wohnung ist fast genauso | |
| geschnitten wie unsere, nur das Bad ist ein bisschen kleiner und alles | |
| voller, Sofa, Sessel, Regale. Frau Beck wohnt hier allein. | |
| ## Mit 69 muss sie um die Wohnung kämpfen | |
| Sie ist in diesem Haus aufgewachsen, auf der anderen Seite des Innenhofs | |
| hat sie die ersten 20 Jahre ihres Lebens verbracht. Später, 1983, | |
| inzwischen hatte sie sich entschieden Grundschullehrerin zu werden, zog sie | |
| wieder ins Haus, für eine Monatsmiete von 522 Mark. In der Wohnung waren | |
| damals nicht einmal Türen. | |
| Zuletzt ist ihre Miete auf 683 Euro gestiegen. Wir haben für unsere Wohnung | |
| fast doppelt so viel bezahlt. Dann bekam sie vom neuen Eigentümer Post: Sie | |
| muss jetzt rund 100 Euro mehr bezahlen. Und dann ist da noch das Problem | |
| mit den Nebenkosten, die auch plötzlich deutlich erhöht wurden. Da kümmert | |
| sich der junge Nachbar drum, er hat für viele Mieter gemeinsam Einspruch | |
| eingelegt. | |
| „Jetzt habe ich schon Angst, dass es so eine Firma ist“, sagt sie. Eine | |
| Firma, die Mieter raus haben will. Allein der Lärm aus der Wohnung unter | |
| ihr hat sie schon genervt. Seit einer Weile sind dort Handwerker zugange, | |
| erfahre ich jetzt. Beim Mieterverein habe man ihr geraten, schon mal was | |
| anderes zu suchen. „Aber ich wüsste gar nicht, wo ich hinziehen sollte“, | |
| sagt Frau Beck leise, und man sieht ihr an, wie sie im Kopf gerade | |
| ernsthaft ein paar Möglichkeiten durchgeht. | |
| Im Kiez gibt es nichts Vergleichbares, selbst eine deutlich kleinere | |
| Wohnung wäre teurer. Charlottenburg: wäre auch zu teuer. Spandau: keine | |
| Lust drauf. Das weitere Umland: zu provinziell. Umziehen: unmöglich. Dass | |
| sie mit 69 Jahren noch mal um ihre Wohnung kämpfen muss, hätte Frau Beck | |
| nicht gedacht. | |
| „Angst? Ja, natürlich habe ich Angst“, sagt ein anderer Nachbar, der seit | |
| mehr als 40 Jahren im Haus wohnt. „Die sind ja kreativ.“ Aber er kennt | |
| seine Rechte. | |
| Gern denkt er daran zurück, als es noch einen Hausmeister gab, der im Haus | |
| wohnte und zum Beispiel die Heizung gleich reparierte, wenn sie kaputt | |
| ging. Die funktioniert im Moment nämlich nicht, der Druck reicht nicht fürs | |
| oberste Stockwerk, wo die Kälte durchs schlecht isolierte Dach reinzieht. | |
| Er überlegt, ob es vielleicht Absicht ist. Mieter rausekeln. Wahrscheinlich | |
| aber liegt es schlicht daran, „dass in all den Jahren nichts investiert | |
| wurde“. | |
| ## Nicht alle Investoren sind böse | |
| Und trotzdem hat der alte Eigentümer mit dem Verkauf des Hauses richtig | |
| viel Geld gemacht, wie ich im Amtsgericht Neukölln in den Grundbuchakten | |
| nachlese. 2006 kaufte die Harel Grundstücks GmbH & Co. KG, die zu einer | |
| israelischen Immobiliengesellschaft gehört, das Gebäude für 3,3 Millionen | |
| Euro. Beim Verkauf an den Luxemburger Fonds bekam sie gut 13 Millionen Euro | |
| dafür. Der Wert hat sich in zehn Jahren vervierfacht. | |
| Jochen Biedermann findet so etwas absurd. In seinem Büro im dritten Stock | |
| des Rathauses Neukölln gießt er sich Früchtetee ein. Um das Thema Wohnen | |
| und Mieten hatte er sich schon vorher als Bezirksverordneter der Grünen | |
| gekümmert. Seit zwei Jahren ist Biedermann als Bezirksstadtrat dafür | |
| zuständig. | |
| Berlin-Neukölln will jetzt alle Regeln ausnutzen, die es gibt. In den so | |
| genannten Milieuschutzgebieten versucht das Bezirksamt bei jedem Verkauf zu | |
| prüfen, ob der Bezirk sein Vorkaufsrecht wahrnimmt. Die Leute, die im Kiez | |
| wohnen, sollen wohnen bleiben. Ein Kampf gegen die Gentrifizierung. | |
| Nicht alle Investoren seien böse, sagt Biedermann. Aber kann ein Investor | |
| gut sein, der 10 Prozent Rendite machen will? Der Stadtrat lacht kurz auf. | |
| „Nein, aus meiner Sicht nein“, sagt er. „Da liegt der Verdacht nahe, dass | |
| sie nichts Gutes im Schilde führen.“ | |
| Da hat Neuköllns Mieter jetzt also einen Robin Hood im Amt, und trotzdem | |
| ist es möglich, dass Wohnungen so lange leer stehen? Die Dauer, ab wann | |
| Leerstand als Zweckentfremdung gilt, hat die rot-rot-grüne Koalition gerade | |
| erst von sechs auf drei Monate verkürzt. | |
| Im konkreten Fall wurde ein Verfahren eingeleitet, bestätigt Biedermann. | |
| Der Eigentümer habe daraufhin Anträge auf Leerstandsgenehmigung gestellt, | |
| die abgelehnt worden. Warum hat der Prozess so lange gedauert? Zu wenig | |
| Personal, sagt Biedermann, kein Außendienst: „Es ist mühsam.“ Im April 20… | |
| hat der Eigentümer einen Antrag auf Sanierung gestellt, der wurde zunächst | |
| abgelehnt, weil zu unkonkret. | |
| ## Keine Waffengleichheit | |
| Es sei gar nicht das Entscheidende, dass am Ende ein Bußgeld verhängt wird, | |
| sagt Biedermann. Wichtiger sei, dass die Wohnung schnellstmöglich dem Markt | |
| wieder zur Verfügung stehe. „Der Verfolgungsdruck muss so hoch werden, | |
| damit Investoren merken, sie können nicht auf Zeit spielen.“ | |
| Und wer sitzt bisher am längeren Hebel, frage ich. „Ich finde es schon oft | |
| frustrierend, weil es keine Waffengleichheit gibt“, antwortet er. Und | |
| trotzdem: Die Investoren hätten langsam verstanden, dass der Bezirk | |
| inzwischen genau hinschaut. So war es offenbar am Ende auch in meiner alten | |
| Wohnung. „Die wurden ja vom Amt angetrieben, überhaupt was zu machen“, sagt | |
| ein Handwerker, den ich zufällig treffe. | |
| Ich erkenne sie kaum wieder. Das Parkett ist rausgerissen, auf Wänden und | |
| Türen glänzt teilweise frische Farbe, neue Stromkabel wurden verlegt. Dort, | |
| wo unser Bad war, ist jetzt nur noch Schutt und ein Abwasserfallrohr mitten | |
| im Raum. Die Wände zur Küche und zum Flur wurden eingerissen, Holzbalken | |
| ausgetauscht. | |
| „Die vermieten die Wohnung dann bestimmt für 1.800 Euro“, sagt der | |
| Handwerker. Das wären mehr als 12 Euro pro Quadratmeter, das Doppelte der | |
| ortsüblichen Vergleichsmiete. „Das können sich doch nur so zugezogene | |
| Yuppie-Paare leisten.“ Es sieht ganz danach aus, als läute meine alte | |
| Wohnung die Phase der Gentrifizierung ein, die nicht mehr so schön ist. | |
| Aber es dauert alles noch ein bisschen, denn der Eigentümer und das | |
| Bezirksamt streiten darüber, in welcher Größe das Bad wiederaufgebaut | |
| werden darf. Im exakt selben Grundriss, wie es der Milieuschutz eigentlich | |
| vorsieht oder doch ein bisschen größer. | |
| Auch in der Wohnung im ersten Stock sind gerade Handwerker beschäftigt. | |
| Seltsam. 2016 war sie doch kurzzeitig auf dem Markt, für 1.368 Euro pro | |
| Monat. Ich rufe Frau Müller von der Hausverwaltung an. „Ja, die Wohnung im | |
| ersten Stock wird jetzt auch modernisiert“, sagt sie. Aber sie war doch | |
| schon renoviert worden, vor zweieinhalb Jahren? – „Die konnten wir so nicht | |
| vermieten.“ Das ist schwer vorstellbar bei der Nachfrage. Außer: Der | |
| Mietpreis wurde noch mal deutlich erhöht. Oder die Menschen, die die | |
| Wohnung gern mieten wollten, passten dem Eigentümer nicht. | |
| ## 15 Euro pro Quadratmeter | |
| Aber wen will dieser Immobilienfonds haben? Und wollen solche Menschen hier | |
| überhaupt einziehen? Es ist hier ja nicht alles wie Bullerbü. Der Autolärm, | |
| der Dreck auf dem Gehweg, die Junkie-Frau, die sich im Winter manchmal ins | |
| Treppenhaus schleppte, die jungen Männer, die sich hin und wieder vor dem | |
| Spätkauf unten in Haus zofften, einmal so heftig, dass sich der Streit zu | |
| einer Massenschlägerei entwickelte, die von der Polizei beendet werden | |
| musste. Das Loch in der Fensterscheibe, weil jemand eine Katzenfutterdose | |
| dagegen geworfen hatte. | |
| Ich fand das alles nicht so tragisch und dachte mir immer, das hilft, damit | |
| es mit der Gentrifizierung nicht zu weit geht. Aber wer 12 Euro Miete pro | |
| Quadratmeter zahlt, will womöglich nicht, dass sein Fenster mit einer | |
| Katzenfutterdose eingeworfen wird. | |
| Der Investor müsse eher eine Durchschnittsmiete von 15 Euro ansetzen, um | |
| die gewünschte Rendite zu erzielen, rechnet Christoph Trautvetter vom | |
| Netzwerk Steuergerechtigkeit vor. Andernfalls sei sie höchstens zu | |
| schaffen, wenn die Verkaufspreise für Mietimmobilien weiter nach oben | |
| schnellen. „Wenn in zehn Jahren Häuser für 4.500 Euro pro Quadratmeter | |
| verkauft werden, dann klappt das mit den 10 Prozent Rendite schon eher.“ | |
| Die Gebäude, die der Optimum-Fonds aufgekauft hat, sind bis Ende 2017 schon | |
| deutlich im Wert gestiegen: um 13,8 Prozent. Diese Bewertung hat der Fonds | |
| selbst veröffentlicht. Aber ist sie realistisch? | |
| Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten sind Immobilien in Berlin | |
| noch günstig. Bisher werden Mietwohnungen hier selten für mehr als 3.500 | |
| Euro pro Quadratmeter verkauft, sagt Trautvetter. Sollen sie teurer werden, | |
| muss der neue Eigentümer die Miete noch mehr erhöhen, um seine Rendite zu | |
| bekommen. Die Frage ist, ob es dann genügend Leute gibt, die das zahlen | |
| können. Trautvetter sieht drei Möglichkeiten: Die Löhne in Berlin steigen | |
| rapide. Es ziehen ganz viele Leute mit Geld in die Stadt. Oder: Die | |
| Investoren verlieren. | |
| Während meine ehemaligen Nachbarn die Sorge nicht loswerden, dass am Ende | |
| doch sie die Verlierer sind und aus dem Haus gedrängt werden, hat sich CEO | |
| Alberto Matta nicht mehr gemeldet. Er hat nicht verraten, was der Fonds | |
| konkret vorhat. Für zwei der leerstehenden Wohnungen wurde bisher noch gar | |
| kein Bauantrag gestellt. Er hat auch die Frage nicht beantwortet, ob er die | |
| Menschen im Blick habe, die in seinen Häusern wohnen, oder nur den Profit. | |
| Seine Firma Optimum Asset Management legt gerade einen neuen | |
| Immobilienfonds auf, „Optimum Evolution Fund SIF – Property IV“. 300 | |
| Millionen Euro wollen die Manager einsammeln und sich dieses Mal nicht nur | |
| in Berlin, sondern auch in Köln, Düsseldorf und Hamburg nach Gebäuden | |
| umschauen. Sie seien optimistisch, so haben sie es der Immobilien Zeitung | |
| gesagt, dass sie genügend geeignete Objekte finden werden. | |
| 14 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
| ## TAGS | |
| Wohnungspolitik | |
| Investoren | |
| Wohnungsmarkt | |
| Gentrifizierung | |
| Umzug | |
| Immobilien Hamburg | |
| Recht auf Stadt | |
| Mietpreisbremse | |
| Geldwäsche | |
| Grundsteuer | |
| Eltern | |
| Katrin Lompscher | |
| Umzug | |
| 40 Jahre taz | |
| Frankfurt/Main | |
| Der Hausbesuch | |
| Mieten Hamburg | |
| Wohnungsnot | |
| Elke Breitenbach | |
| Gründer*innentaz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Leerstand in Hamburg: Spekulant soll vermieten | |
| Obwohl in Hamburg Wohnungsnot herrscht, stehen in Eppendorf seit Jahren | |
| Wohnungen leer. Das zuständige Bezirksamt Nord scheint jetzt zu reagieren. | |
| Verteilung der Stadt: Monopoly in Rothenburgsort | |
| Die Nachbarschaftsinitiative „Mikropol“ erhebt Anspruch auf das verwaiste | |
| Gelände der ehemaligen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein | |
| Wohnungsmieten steigen weiter: Auf nach Salzgitter! | |
| Wohnen ist in Städten unerschwinglich geworden, wie aus einer neuen Studie | |
| hervorgeht. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. | |
| Studie von Transparency International: Deutsche Immobilien waschen Geld | |
| 30 Milliarden Euro wurden allein 2017 im deutschen Immobiliensektor | |
| gewaschen. Das schätzt eine Studie von Transparency International. | |
| Olaf Scholz' Pläne für Grundsteuer: Einige Mieter*innen zahlen mehr | |
| Wo die Mieten steigen, könnte auch die Grundsteuer leicht zulegen – so | |
| sieht es ein Plan von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vor. | |
| Vater über Zeit nach dem Kinderauszug: Eltern allein zu Haus | |
| 30 Jahre lebte Familie Prey zu fünft. Jetzt ist die letzte Tochter in ihre | |
| eigene Wohnung gezogen. Wie geht man als Eltern damit um? | |
| Senat muss den Mietenanstieg begrenzen: WBM & Co: Ausreizen, was geht! | |
| Mit einer Kooperationsvereinbarung hat der Senat die landeseigenen | |
| Wohnungsbaugesellschaften auf einen Sozialkurs verpflichtet. Ein | |
| Wochenkommentar. | |
| Umzüge und Ikea: „Das ist schon eher ein Grauton“ | |
| Auf den Kundenbeauftragten bei Ikea achtet niemand. Er aber sieht alle. | |
| Eine Kurzgeschichte aus dem schwedischen Möbelhaus. | |
| Die taz zieht um ins neue Haus: Unsere neuen Nachbarn | |
| Von der Rudi-Dutschke-Straße nur ein paar hundert Meter weiter in die | |
| Friedrichstraße 21 – und doch in eine andere Welt. Ein Rundgang. | |
| Demo gegen Wohnungsnot in Hessen: Für bezahlbaren Wohnraum kämpfen | |
| In der Hochphase des Wahlkampfs demonstrieren am Samstag in Frankfurt | |
| Initiativen für einen „radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik“. | |
| Der Hausbesuch: Eine Frau auf festen Füßen | |
| Als Beatrix Spreng 1994 nach Brandenburg zog, wollte sie „die | |
| Wiedervereinigung leben“. Dann kamen Neonazis. Die Pastorin stellt sich | |
| ihnen entgegen. | |
| Wohnungsnot zum Semesterstart: Überfüllte Wartelisten, hohe Preise | |
| In Berlin stehen mehr als 4.000 Studierende auf den Wartelisten, in München | |
| sind es 10.000. In vielen Städten fehlt das Bauland für neue Wohnheime. | |
| Wohnungsnot bei Studierenden: Vom Feldbett in den Hörsaal | |
| Zum Semesterstart haben viele Studierende noch keine Bleibe gefunden. In | |
| Frankfurt hat der Asta deshalb eine Notunterkunft eingerichtet. | |
| Berliner Modellprojekt: Helfen ohne Druck | |
| Modellprojekt „Housing First“ gestartet: Obdachlose sollen fast ohne | |
| Vorbedingungen in eine eigene Wohnung ziehen. Noch allerdings fehlen die | |
| Wohnungen. | |
| 40 Jahre taz: Wohnungspolitik in Berlin: Da baut sich was zusammen | |
| Wenn die taz über Berlin berichtete, ging es von Anfang darum, wem die | |
| Stadt gehört. Eine nicht wirklich erfreuliche Geschichte der letzten 40 | |
| Jahre. |