| # taz.de -- Haushaltsdebatte im Bundestag: Rote Zahlen und eine schwarze Null | |
| > Die Bundesregierung legt mal wieder einen Haushalt vor, der ohne | |
| > zusätzliche Kredite auskommt. Die Opposition spricht lieber von roten | |
| > Zahlen. | |
| Bild: Gute Stimmung. Trotzdem: Für Kitas oder Schulen müsste der Staat eigent… | |
| Berlin taz | Der Dissens zwischen Regierung und Opposition über den | |
| Bundeshaushalt 2020 lässt sich an zwei Zahlen festmachen. 4 und 2,5. Rund 4 | |
| Prozent der Wirtschaftsleistung gab der bundesdeutsche Staat in den | |
| siebziger Jahren für Investitionen aus. Viele der Schul- und | |
| Universitätsgebäude, die jetzt noch in Betrieb sind, wurden damals | |
| errichtet. | |
| Und heute? Nächstes Jahr sollen es 2,5 Prozent für Investitionen sein. | |
| „Viel zu wenig, gemessen an den Herausforderungen“, beschwerte sich die | |
| grüne Finanzpolitikerin Anja Hajduk am Dienstag im Bundestag. | |
| Diese Woche debattiert und beschließt das Parlament den Bundeshaushalt für | |
| das kommende Jahr. Die entscheidenden Fragen lauten: Ist das ein Etat der | |
| Vergangenheit oder der Zukunft? Und konkret: Hat der Bund ausreichende | |
| Mittel, um die öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen zu | |
| verbessern? Die vier Parteien der Opposition – FDP, Grüne, Linke und AfD – | |
| kritisierten den Finanzplan von Minister Olaf Scholz (SPD) in Grund und | |
| Boden, während Union und Sozialdemokraten ihr Milliardenbudget tapfer | |
| verteidigten. | |
| Für Olaf Scholz ist der Etat, der Ausgaben von insgesamt 362 Milliarden | |
| Euro umfassen soll, ein [1][„expansiver Haushalt“]. Tatsächlich sind die | |
| Investitionsausgaben seit 2014 um rund 18 auf jährlich 43 Milliarden Euro | |
| angewachsen. Unter anderem in die Deutsche Bahn AG, regionale S- und | |
| U-Bahnen, bessere Telefon- und Datennetze und den Klimaschutz stecke man | |
| viel zusätzliches Geld, betonte der Finanzminister. | |
| ## Das verflixte siebte Jahr? Eher nicht | |
| Und das alles ohne neue Schulden, freute sich CDU-Haushaltssprecher | |
| Eckhardt Rehberg. Zum siebten Mal inzwischen legt die Bundesregierung einen | |
| Haushalt vor, der dank Wirtschaftswachstum, niedriger Arbeitslosigkeit, | |
| guter Steuereinnahmen und geringer Zinsausgaben ohne zusätzliche Kredite | |
| auskommt. Die sogenannte schwarze Null ist das Markenzeichen auch | |
| [2][dieser Koalition]. | |
| Doch genau hier hakt die Opposition ein: Eigentlich produziere Scholz „rote | |
| Zahlen“, polemisierte FDP-Politiker Otto Fricke. Objektiv hat er zwar | |
| Unrecht – Einnahmen und Ausgaben sind ja ausgeglichen –, dennoch trifft | |
| sein Argument zu. Um auf Schulden zu verzichten, holt Scholz sich über 10 | |
| Milliarden Euro aus den Rücklagen und verordnet eine globale Minderausgabe | |
| von 5 Milliarden. Ein Buchhaltungstrick, damit es passt. | |
| Das sei nur ein Indikator der eigentlichen Malaise, so Grünen-Politikerin | |
| Anja Hajduk. Ideologisch vernagelt, nutze die Koalition die eigentlich | |
| vorhandenen finanziellen Spielräume nicht, obwohl die Lage es dringend | |
| erfordere. Sie zählte auf, wo zusätzliche Investitionen nötig wären: | |
| städtische Infrastruktur, also Schulen, Kitas, Bibliotheken, Bäder, | |
| öffentlicher Nahverkehr, Straßensanierung oder Brücken. Zudem die löchrigen | |
| Mobil- und Breitbandnetze, Klimaschutz, Wärmedämmung von Gebäuden und der | |
| Wohnungsbau. | |
| Zur Finanzierung höherer Ausgaben haben die Grünen eine Idee entwickelt, | |
| die so oder ähnlich mittlerweile auch einige Ökonomen für gut halten: | |
| [3][eine Investitionsgesellschaft.] Der Bund könnte einen neuen Fonds | |
| gründen, diesen mit Milliarden Euro Kapital ausstatten und ihm so die | |
| Kreditaufnahme am Finanzmarkt ermöglichen. Das Geld würde in | |
| Zukunftsprojekte gesteckt. Der Charme: Man würde die Schuldenbremse im | |
| Grundgesetz einhalten und gleichzeitig umgehen. | |
| Klingt interessant, hat aber mit der gegenwärtigen Koalition keine Chance. | |
| Wie sagt CDU-Politiker Rehberg? „Wir haben kein Finanzierungs-, sondern ein | |
| Umsetzungsproblem.“ Soll heißen: Geld ist genug da, teilweise wird es aber | |
| nicht ausgegeben, weil beispielsweise Planer in den Kommunalverwaltungen | |
| fehlen. Möglicherweise ändert sich diese Einstellung der tonangebenden | |
| Finanzpolitiker, wenn nach der nächsten Bundestagswahl eine schwarz-grüne | |
| Regierung gebildet werden soll. | |
| 26 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Programm-Demokratie-leben/!5642359 | |
| [2] /Halbzeitbilanz-der-Groko/!5639204 | |
| [3] /Gruene-und-Oekonomie/!5637038 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
| ## TAGS | |
| Haushaltsdefizit | |
| Schwarz-rote Koalition | |
| Finanzpolitik | |
| Schwarze Null | |
| Haushaltsdebatte | |
| Robert Habeck | |
| Zinsen | |
| Haushalt | |
| Verkehrswende | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| Bundestag | |
| Generaldebatte | |
| SPD | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| SPD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Regierungsbildung im Bund: Hajduk wird wohl Staatssekretärin | |
| Die ehemalige Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk soll Robert Habecks | |
| rechte Hand im künftigen Ministerium für Wirtschaft und Klima werden. | |
| Rekordüberschuss im Bundeshaushalt: Sparen macht arm | |
| Der Haushalt verzeichnet für 2019 einen Rekordüberschuss, der Staat baut | |
| seine Schulden ab. Was wie eine gute Strategie wirkt, schadet den Bürgern. | |
| Haushaltsüberschuss in Deutschland: Finanzielle Schizophrenie | |
| Klimaschutz, Energiewende, Infrastruktur – dafür braucht der Staat Geld. | |
| Steuersenkungen sind da nicht angesagt. | |
| Verkehr im Berliner Doppelhaushalt: Ganz große Zahlen | |
| Um die Verkehrswende voranzutreiben, wurde im neuen Etat deutlich zugelegt. | |
| Aber um alle Wünsche zu erfüllen, reicht das noch lange nicht. | |
| Machtkampf um den SPD-Vorsitz: Der doppelte Olaf Scholz | |
| Im Kampf um den SPD-Vorsitz blinkt der Bundesfinanzminister gerade in | |
| Richtung des linken Parteiflügels. Das muss nicht so bleiben. | |
| Generaldebatte im Bundestag: Merkel bleibt (zu) lässig | |
| Die Kanzlerin wirkt in der Debatte frisch – zumindest rhetorisch. Zündende | |
| Ideen oder große Projekte hat die Große Koalition nicht mehr. | |
| Generaldebatte im Bundestag: Merkel will mehr ausrüsten | |
| Man müsse Waffen an Staaten in Afrika liefern, fordert die Kanzlerin im | |
| Bundestag. Sie lobt die Nato und will eine sicherheitspolitisch aktivere | |
| EU. | |
| Ein Jahr nach dem SPD-Austritt: Lonely sozialer Demokrat | |
| Vor einem Jahr trat Marco Bülow aus der SPD aus: hart, aber nötig. Seitdem | |
| ist er fraktionslos im Bundestag – und Abgeordneter zweiter Klasse. | |
| CO2-Budget für Deutschland: Eine Milliarde Tonnen zu viel | |
| Die Regierung weigert sich, ein CO2-Budget für Deutschland zu berechnen. | |
| Aus gutem Grund: Ihre Pläne sprengen alle Modelle. | |
| Personaldebatten bei Union und SPD: Groko beschäftigt sich mit: sich | |
| Die CDU-Chefin will den Koalitionsvertrag nicht nachverhandeln. Die JU | |
| stellt die Machtfrage. Und bei der SPD versucht sich Scholz zu profilieren. |