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# taz.de -- CO2-Budget für Deutschland: Eine Milliarde Tonnen zu viel
> Die Regierung weigert sich, ein CO2-Budget für Deutschland zu berechnen.
> Aus gutem Grund: Ihre Pläne sprengen alle Modelle.
Bild: CO2-Bilanz: besser nicht genau rechnen
Berlin taz | Die Bundesregierung verweigert eine konkrete Antwort auf eine
der wichtigsten Fragen beim Klimaschutz: Wie viel Treibhausgas darf
Deutschland noch ausstoßen, wenn es global einen fairen Anteil am
Klimaschutz leistet?
Das lasse sich nicht sagen, lautet die Antwort auf eine Anfrage der
Linksfraktion, die der taz vorliegt: Die Klimaziele der Bundesregierung
„können nicht rechnerisch aus den Minderungspfaden des (Weltklimarats) IPCC
hergeleitet werden“, schreibt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im
Umweltministerium.
Die Frage nach einem CO2-Budget ist für die Erderwärmung entscheidend, weil
sich das Treibhausgas in der Luft ansammelt. Der Weltklimarat hat
berechnet, dass ab dem Stichtag 1. Januar 2018 von allen Ländern zusammen
noch etwa 800 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft geblasen werden dürfen,
wenn die Erhitzung bis 2100 mit einer Chance von 67 Prozent bei „deutlich
unter 2 Grad“, also etwa 1,75 Grad, gehalten werden soll.
## Rechnet man historisch, ist das Budget schon ausgeschöpft
Darauf haben sich die UN-Staaten im Pariser Abkommen geeinigt – und auch
darauf, die Erwärmung möglichst schon bei 1,5 Grad zu stoppen. Bisher ist
mehr als 1 Grad bereits erreicht. Bei den heutigen globalen Emissionen von
etwa 40 Milliarden Tonnen pro Jahr hätte die Welt noch etwa zwanzig Jahre.
Darüber herrscht Einigkeit. Fraglich ist aber, wie diese globale Zahl
konkret auf einzelne Staaten heruntergerechnet werden kann. Das würde
einzelnen Ländern klare Budgetgrenzen setzen. Das aber sei nicht möglich,
schreibt die Bundesregierung nun: „Für eine rechnerische Ableitung
nationaler Budgets aus einem globalen Emissionspfad müssten zahlreiche
normative Annahmen zu einer gerechten Verteilung zwischen allen beteiligten
Staaten getroffen werden“, heißt es.
„Zu klären wäre zum Beispiel die Frage, ob nur zukünftige oder auch
historische Emissionen bei der Verteilung des Budgets berücksichtigt werden
sollen oder ob weltweit jedem Bürger ein identisches Emissionsbudget
zugestanden werden sollte, ob die vorhandenen Wirtschafts- und
Handelsstrukturen bei der Budgetverteilung berücksichtigt werden sollen und
Ähnliches.“
Wie ein angemessenes deutsches Budget aussehen könnte, hat Klimaforscher
Stefan Rahmstorf vom Potsdamer PIK im Frühjahr kalkuliert. In seinem Blog
„Klimalounge“ schreibt er: „Das ist keine Frage der Wissenschaft, sondern
der Gerechtigkeit. Steht uns Deutschen einfach mehr als anderen zu, weil
wir schon reich und industrialisiert sind? Wohl kaum. Bestenfalls können
wir von diesem Restbudget den Anteil beanspruchen, der unserem Anteil an
der Weltbevölkerung entspricht. Also 1,1 Prozent.“
Um das 1,75-Grad-Ziel mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit zu erreichen, wären
das Ende 2019 wegen der anhaltenden Emissionen nur noch etwa 6,5 Milliarden
Tonnen – also für Deutschland noch circa acht Jahre bei jetzigen
Emissionen. Das „Klimaschutzgesetz“ der Bundesregierung ist da viel
großzügiger: Es gewährt allein bis 2030 ein Budget von etwa 7,5 Milliarden
Tonnen – eine Milliarde mehr, als Deutschland insgesamt noch zusteht.
Und diese Rechnung ist noch die schmeichelhafteste für das Land. Denn sie
bezieht sich auf ein Budget, das weltweit einheitlich pro Kopf berechnet
wird. Nicht berücksichtigt wird, dass unser Land an allen bisherigen
Emissionen einen Anteil von 4 Prozent hat. Rechnet man noch hinzu, dass die
Bundesrepublik als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde sich mehr
Klimaschutz leisten müsste als andere, wird die Klimaschuld noch
drückender.
In einer Studie zu diesem Thema kommt das New Climate Institute für die
Organisation Campact zu dem Schluss, Deutschland brauche Nullemissionen
bis 2030, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Lege man strengere Kriterien
an, sei Deutschland klimapolitisch bereits in den Miesen: „Berücksichtigt
man besonders die historischen Emissionen (und damit die historische
Verantwortung) Deutschlands, ist das Treibhausgasbudget, das Deutschland
zusteht, bereits jetzt ausgeschöpft.“
Keines dieser Rechenbeispiele macht sich die Bundesregierung zu eigen. Der
Klimaexperte der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, sieht darin eine
„faule Ausrede“. Die Groko „fürchtet konkrete Zahlen, weil dann jedem
sofort klar wird, dass Deutschland eine besondere historische Verantwortung
hat und bis heute keinen gerechten Beitrag zum globalen Klimaschutz
leistet“, erklärte er. Dass sich die Regierung nicht für eines der Modelle
entscheide, „scheitert an Politik, nicht an Mathematik“.
Die Linken fordern die Bundesregierung auf, eine solche Berechnung des
deutschen Budgets bei der Klimakonferenz in Madrid anzukündigen und die
Klimaschutzziele dafür zu verschärfen.
20 Nov 2019
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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