# taz.de -- EU-Aktionsplan gegen Verschmutzung: Für eine giftfreie Umwelt | |
> Die EU-Kommission hat einen Aktionsplan für saubere Luft, Gewässer und | |
> Böden beschlossen. Sie erntet dafür Kritik – und weckt Erwartungen. | |
Bild: 50 Prozent weniger Plastikmüll im Meer sieht der Aktionsplan der EU-Komm… | |
BERLIN taz | 50 Prozent weniger Plastikmüll im Meer, 50 Prozent weniger | |
Nährstoffeinträge und Pestizide in den Böden, 25 Prozent weniger | |
Ökosysteme, in denen Luftverschmutzung die Artenvielfalt bedroht – die | |
EU-Kommission hat sich mit ihrem Aktionsplan „Auf dem Weg zu Null | |
Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden“ konkrete Ziele gesetzt. Der Plan | |
ist Teil des Green Deal und soll alle maßgeblichen EU-Regularien zusammen | |
binden, um Europas Gift- Probleme anzugehen. [1][Zusammen mit der im | |
letzten Jahr verabschiedeten Chemikalienstrategie] setze der Aktionsplan | |
das Ziel der EU für eine giftfreie Umwelt in die Tat um, so die | |
EU-Kommission. | |
Dazu soll die entsprechende Gesetzgebung nach Lücken durchforstet und | |
Umsetzungsprobleme identifiziert werden. „Umweltverschmutzung schadet | |
unserer Gesundheit“, sagte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius am | |
Mittwoch in Brüssel, „insbesondere von besonders gefährdeten und sozial | |
benachteiligten Gruppen, und ist außerdem eine der Hauptursachen für den | |
Verlust der biologischen Vielfalt“. Es gebe genug Daten über die | |
Verschmutzung in Europa, so Sinkevičius, etwa die nationalen | |
Berichterstattungen zum Zustand der Luft oder der Gewässer. Sie ließen sich | |
nutzen, um die Ziele des Aktionsplans umzusetzen. | |
„Die Problem-Analyse der Kommission und ihre Schwerpunktsetzung sind ja | |
gut“, sagt Anne Stauffer von der Verbraucher- und Umweltorganisation Heal | |
in Brüssel, „die Umsetzung reicht aber nicht“. Die Luftverschmutzung sei | |
der größte Risikofaktor für die Gesundheit, sie verursache 400.000 | |
vorzeitige Todesfälle in Europa, 70.000 allein in Deutschland. | |
Das im Aktionsplan formulierte Ziel, bis 2030 die Gesundheitsauswirkungen | |
durch Feinstaub und Co. bis 55 Prozent zu senken, sei viel zu niedrig. „Das | |
erreichen wir schon, wenn wir die jetzigen Gesetze umsetzen“, sagt | |
Stauffer. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass es kein „sicheres | |
Level“ für Verschmutzung gebe. | |
Daher werde die Weltgesundheitsorganisation WHO demnächst auch neue, | |
voraussichtlich strengere Grenzwerte für Luftverschmutzung empfehlen. „Wir | |
erwarten von der EU, dass sie diese Grenzwerte übernimmt“, sagt Stauffer. | |
Bislang sehe der Null-Verschmutzungsplan nur eine „Angleichung“ vor. | |
## Kritik von der Industrie | |
Naturgemäß hadert der Verband der chemischen Industrie nicht mit zu laxen | |
Vorgaben, doch auch er ist unzufrieden mit dem Aktionsplan: Es fehle ein | |
tragbarer Kompromiss zwischen mehr Umweltschutz und Erhalt der | |
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, urteilte der VCI. „Die Überlappung | |
verschiedener Regelungsbereiche wird negative Auswirkungen zum Beispiel auf | |
die Dauer von Genehmigungsverfahren sowie den rechtssicheren Betrieb von | |
Anlagen haben“, sagt Gerd Romanowski, Geschäftsführer Technik und Umwelt im | |
VCI, „geringe Planungssicherheit ist ein starkes Hemmnis für | |
Investitionen.“ | |
Bei Frank Glante, Leiter des Fachgebiets „Bodenzustand und Bodenmonitoring“ | |
des Umweltbundesamtes (Uba) hingegen weckt der Aktionsplan hohe | |
Erwartungen. Während die deutsche Bodenschutz-Gesetzgebung in Sachen | |
„Gefahrenabwehr“ gut aufgestellt sei – Verschmutzungen durch Unfälle oder | |
durch Altlasten also wirksam beseitige – mangele es an der Vorsorge. „Hier | |
ist die deutsche Gesetzgebung schwach und muss verbessert werden“, so | |
Glante. Der Aktionsplan könne einen Schub bringen. „Wir brauchen Gesetze, | |
um Erosion, Versiegelung und Verdichtung von fruchtbaren Böden zu | |
vermindern“, sagt der Bodenexperte. | |
Dazu kämen neue Themen, die im deutschen Bodenschutzgesetz noch gar nicht | |
umfassend geregelt seien, zuallererst der Verlust der biologischen Vielfalt | |
in Böden und der Klimawandel. Neue Analysemethoden ermöglichen es zudem, | |
Schadstoffe zu entdecken, die bisher durchs Raster fielen, etwa per- und | |
polyfluorierte Chemikalien (PFAS), die erbgutschädigend und krebserregend | |
seien. | |
Nach der Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik gerate zunehmend das | |
Thema Mikroplastik in Böden in den Fokus. „Wir wissen noch viel zu wenig: | |
[2][Nehmen die für die Bodengesundheit wichtigen Mikroorganismen es auf], | |
hat es negative Wirkungen, oder meiden sie verschmutze Böden?“, so Glante. | |
Hier gilt es, das Boden-Monitoring weiter auszubauen. | |
Handlungsbedarf in Sachen Umweltverschmutzung sieht auch der grüne | |
EU-Abgeordnete Sven Giegold, neben dem Klimawandel und dem Verlust der | |
Biodiversität sei sie die dritte große Umweltkrise. Was die Kommission aber | |
mit ihrem Aktionsplan vorgelegt habe, sei nicht mehr als „Ringelpiez mit | |
Anfassen“, so Giegold. Er sieht weniger einen Bedarf an neuen Richtlinien | |
und Strategien, sondern vielmehr an einem effektiveren Vollzug der | |
bestehenden. | |
„Wir haben in der EU ja schon gute Gesetzgebungen für die Reinhaltung der | |
Luft und den Schutz von Gewässern“, sagt Giegold, „aber der EU-Kommission | |
mangelt es an Ressourcen und politischem Willen, sie umzusetzen“. Als | |
Hüterin der EU-Verträge liege es allein bei ihr, | |
Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsländer anzustrengen, die sich | |
nicht an die Regeln hielten, „doch das passiert viel zu selten“. | |
12 May 2021 | |
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[1] /EU-praesentiert-Strategie/!5717644 | |
[2] /Bodenreport-und-sinkende-Artenvielfalt/!5742701 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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