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# taz.de -- Experten für strengere Grenzwerte: WHO fordert sauberere Luft
> Die Weltgesundheitsorganisation verschärft ihre Empfehlungen für
> Luftschadstoff-Grenzwerte. Fortan liegen sie nun unterhalb der EU-Limits.
Bild: Auf den Straßen von Duisburg: Mehr Einschränkungen für den Autoverkehr?
Berlin taz | Deutschlands Luft, die ganz Europas und derer Welt muss
sauberer werden. Am Mittwoch hat die WHO, die Weltgesundheitsorganisation,
ihre neuen Leitlinien zur Luftqualität veröffentlicht. Sie empfiehlt, die
Grenzwerte für Schadstoffe wie etwa Feinstaub und Stickstoffdioxide (NO2)
massiv zu senken. Denn die Auswirkungen der [1][Luftverschmutzung] auf die
Gesundheit zeigten sich bei noch geringeren Konzentrationen als bisher
gedacht – Kinder leiden an Atemwegserkrankungen und Asthma. Erwachsene
kämpfen mit Herzproblemen, erleiden Schlaganfälle, bekommen Diabetes oder
Probleme mit dem Nervensystem. Und viele sterben frühzeitig.
Empfehlung klingt unverbindlich, ist es aber nicht. Die WHO überprüft diese
regelmäßig, gleicht sie ab mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen
dazu, wie Schadstoffe die Gesundheit belasten. Und das Europäische
Parlament hat bereits gefordert, die EU-weiten Vorgaben, so sagt das der
grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, „vollständig“ anzugleichen.
Voraussichtlich im kommenden Jahr wird die EU-Kommission einen
Gesetzentwurf vorlegen, sie wird die WHO-Leitlinien nicht komplett
ignorieren können. Kommt auf Deutschland dann ein neuer Streit über
Fahrverbote für Diesel- und Benzinautos, auch über Tempolimits und anderes
zu?
Zumindest in Ballungsgebieten gilt für Stickoxide, die bei
Verbrennungsprozessen entstehen, der Straßenverkehr als bedeutendste
Quelle. Und Feinstaub kommt als Ruß aus dem Auspuff oder entsteht durch den
Abrieb etwa von Reifen und Bremsen. Allerdings nicht nur. Kraft- und
Heizwerke, Öfen in Wohnhäusern oder Fabriken erzeugen Feinstaub. Auch die
Landwirtschaft hat ihren Anteil: In den Ställen entsteht durch die
Verbindung von Kot und Urin Ammoniak, wenn es entweicht und sich in der
Luft mit anderen Gasen verbindet, entsteht Feinstaub.
Bisher gilt für Stickstoffdioxide EU-weit ein Grenzwert von 40 Mikrogramm
pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Er stützt sich auf die bisherigen
Vorschläge der WHO. Die rät nun aber zu maximal 10 Mikrogramm. Anders ist
das beim Feinstaub. Da liegen die EU-Grenzwerte weit über denen, die die
WHO bisher vorgeschlagen hatte.
Die Experten unterscheiden dabei nach der Größe der Partikel: Für sehr
feinen Feinstaub mit einem Durchmesser bis zu 2,5 Mikrometer – die Experten
sprechen von Partikelgröße PM2,5 – wollen sie jetzt 5 statt bisher 10
Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Zum Vergleich: Der
EU-Grenzwert lautet derzeit 25. Für Feinstaub mit weniger als 10 Mikrometer
Durchmesser (PM10) sollen die Belastungen auf 15 statt bisher 20 Mikrogramm
pro Kubikmeter Luft gesenkt werden, der EU-Grenzwert ist momentan 40.
„Die neuen WHO-Werte sind eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung
und allen voran Verkehrsminister Scheuer, der noch vor zwei Jahren sogar
die bislang geltenden, laxen NO2-Grenzwerte abschaffen wollte“, teilte
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, mit.
Die Luft in Deutschland ist allerdings nicht mehr so schlecht, wie sie es
mal war. 2020 war nach Daten des Umweltbundesamts das am geringsten mit
Feinstaub belastete Jahr seit Beginn der Feinstaubmessungen Ende der 1990er
Jahre. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid wurde auch nur in sechs Städten
gerissen. Und das habe nicht nur mit den Einschränkungen wegen der
Coronapandemie zu tun, heißt es bei der Behörde. In vielen Städten wurden
Fahrverbotszonen eingerichtet. Die Umwelthilfe klagte immer wieder. Autos
wurden sauberer. Busse auch. Nur: Es reicht nicht. „Von den neuen
Richtwerten sind wir auch in Deutschland noch weit entfernt“, erklärt der
Präsident des Umweltbundesamts Dirk Messner. Was tun?
Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, meint:
„Wir müssen weg von den Verbrennungsmotoren, alternative Kraftstoffe helfen
da nicht weiter. Der Verkehr muss elektrifiziert werden. Tempo 130 auf
Autobahnen und mehr Tempobeschränkungen in Städten helfen ebenfalls Klima
und Luft. Außerdem muss das Ammoniakproblem in der Landwirtschaft gelöst
werden.“ Die Umwelthilfe fordert sogar Tempo 100 tagsüber auf Autobahnen
sowie Tempo 80 auf Bundesstraßen und allen Straßen außerorts.
22 Sep 2021
## LINKS
[1] /Luftverschmutzung/!t5010133
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Weltgesundheitsorganisation
Stickstoffdioxid
Feinstaub
Luftverschmutzung
Spanien
Landwirtschaft
Feinstaub
Feinstaub
Schwerpunkt Klimawandel
Luftverschmutzung
Umwelt
Fossile Brennstoffe
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