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# taz.de -- Studie zu Luftverschmutzung: Kohle kann tödlich sein
> Das Verbrennen fossiler Energieträger ist nicht nur schlecht für das
> Klima, sondern auch für die Gesundheit. Wie schlecht, zeigt eine neue
> Studie.
Bild: Das Verbrennen von Kohle und Co trägt stark zur Luftverschmutzung bei
Berlin taz | Weltweit sterben jährlich mehr als acht Millionen Menschen
vorzeitig, weil das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle, Benzin
oder Öl die Luft verdreckt – und sie diese Luft einatmen. Das geht aus
einer [1][Studie der Universitäten Harvard], Birmingham und Leicester sowie
dem University College London hervor, die am 9. Februar in der
Fachzeitschrift Environmental Research veröffentlicht wurde.
Dass verschmutzte Luft extrem gesundheitsschädlich ist, ist seit
Jahrzehnten bekannt. Das Neue an dieser Studie: Sie untersucht, inwieweit
speziell das Verbrennen fossiler Energieträger zur Luftverschmutzung
beiträgt und damit die Gesundheit der Menschen gefährdet – bisherige
Untersuchungen unterschieden den Autor*innen zufolge nicht zwischen den
einzelnen Feinstaubquellen und umfassten zum Beispiel auch den Rauch von
Waldbränden oder Staub.
Um die Konzentrationen von Feinstaub in der Luft zu modellieren, griffen
frühere Analysen auf Satelliten- und Oberflächendaten zurück, heißt es in
dem Bericht. Das Problem: Satelliten- und Oberflächenbeobachtungen könnten
nicht zwischen Partikeln aus Emissionen fossiler Brennstoffe und solchen
aus Waldbränden oder anderen Quellen unterscheiden. „Mit Satellitendaten
sieht man nur Teile des Puzzles“, sagt Loretta Mickley, Mitautorin der
Studie.
## Todesraten in China und Indien am höchsten
Deswegen wandten die Forscher*innen das sogenannte GEOS-Chem Modell an –
ein 3D-Modell, mit dem es möglich ist, den Beitrag fossiler Brennstoffe zur
Luftverschmutzung herauszuarbeiten. Anhand dessen konnte das Team die Erde
in ein Raster mit 50 mal 60 Kilometer große Felder einteilen und die
Feinstaubwerte in jedem Feld einzeln betrachten. „Wir wollten so genau wie
möglich herausstellen, wo die Luftverschmutzung besonders stark ist“, sagt
Karn Vohra, Erstautor der Studie.
Am stärksten verdreckt ist die Luft durch die Nutzung fossiler Brennstoffe
demnach in Nordostamerika, Europa und Ost- und Südostasien. Entsprechend
hoch sind dort die Todesraten. In China zum Beispiel sterben der Studie
zufolge jährlich 3,9 Millionen Menschen vorzeitig durch diese Art der
Luftverschmutzung, in Indien 2,5 Millionen. In Deutschland sind es pro Jahr
198.569 Menschen – das sind 22,2 Prozent aller bundesweiten Todesfälle.
Besonders schmutzige Luft atmen die Menschen im Ruhrgebiet, in Berlin, in
Frankfurt und in Hamburg ein. Wie viel eher die Menschen sterben – ob zwei
Monate oder zwei Jahre –, haben die Wissenschaftler*innen allerdings
nicht erhoben.
„Die von uns ermittelten Werte sind sehr beunruhigend, da sie um einiges
höher sind als frühere Schätzungen zur Sterblichkeit durch
Luftverschmutzung“, schreibt Mitautorin Eloise Marais auf Anfrage der taz.
Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Forscher*innen ein
neues Modell zur Risikobewertung entwickelten. „Unsere Ergebnisse stimmen
mit dem wissenschaftlichen Konsens überein, dass Luftverschmutzung
schlechter für die Gesundheit ist, als zunächst angenommen.“
## Kinder besonders gefährdet
Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler*innen, inwiefern das
Verbrennen fossiler Energieträger die Gesundheit von Kindern unter fünf
Jahren gefährdet. Das Ergebnis: In Nordamerika sterben dadurch jährlich 876
Kinder vorzeitig an Infektionen der unteren Atemwege, in Südamerika 747, in
Europa 605. „Bezogen auf das Körpergewicht atmen Kinder mehr
Feinstaubpartikel ein als Erwachsene“, heißt es in der Studie.
Die Kinderärztin Amanda Millstein sagt: „In meiner Praxis sehe ich jeden
Tag, wie sich die Luftverschmutzung auf die Gesundheit von Babys, Kindern
und Jugendlichen auswirkt.“ Millstein arbeitet in der Hafenstadt Richmond
im US-Bundesstaat Kalifornien – einer Gegend, in der sich ein Kohleterminal
und mehrere Ölraffinerien befinden. Immer mehr ihrer Patient*innen
erkrankten an Asthma, auch die Zahl der Frühgeburten steige. „Um unsere
Kinder zu schützen, müssen wir jetzt auf erneuerbare Energien umsteigen.“
Das fordern auch die Autor*innen der Studie: Die Ergebnisse seien eine
klare Botschaft an die Politik, weitere Anreize für den Umstieg auf saubere
Energiequellen zu schaffen. „Wir können nicht mit gutem Gewissen weiter auf
fossile Brennstoffe setzen, wenn wir wissen, dass sie so schwerwiegende
Auswirkungen auf die Gesundheit haben und es praktikable, sauberere
Alternativen gibt“, sagt Marais.
9 Feb 2021
## LINKS
[1] http://acmg.seas.harvard.edu/publications/2021/vohra_2021_ff_mortality.pdf
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Fossile Brennstoffe
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Feinstaub
Schwerpunkt Klimawandel
RWE
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Luft
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