# taz.de -- Mikroplastik im Boden: Die unterschätzte Gefahr | |
> 19.000 Tonnen Kunststoff landen jährlich im Boden von Äckern und Wiesen. | |
> Das Mikroplastik bleibt dort für immer – mit fatalen Folgen. | |
Bild: Eindeutig ein Fremdkörper, die Flasche im Meer. Genau solche Bilder fehl… | |
BERLIN taz | Äcker und Wiesen sind deutlich stärker mit Kunststoffen | |
verschmutzt als die Meere. So lautet [1][das Ergebnis einer Studie], die | |
das Fraunhofer Institut Umsicht und das Institut für Ökologie und Politik | |
(Ökopol) für den Naturschutzbund (Nabu) erstellt haben. Sie liegt der taz | |
vor. Besonders betroffene Böden könnten durch [2][Kunststoffmüll und | |
Mikroplastik] schon in den nächsten 20 Jahren an Wert verlieren. | |
„Kompostieranlagen betrachten Kompost mit einem Kunststoffanteil von mehr | |
als 0,1 Prozent als unverkäuflich, weil die Kunden das nicht akzeptieren“, | |
sagt Studienautor Jürgen Bertling von Fraunhofer Umsicht, „diesen Wert | |
haben wir auch für die landwirtschaftlichen Böden angelegt“. Angesichts von | |
[3][Bodenversiegelung und steigendem Bedarf an fruchtbarem Acker] sei der | |
Wertverlust alarmierend. | |
In Öffentlichkeit und Forschung ist das Thema trotzdem unterbelichtet. Mit | |
Plastikseilen gefesselte Schildkröten, mit Plastikmüll vollgefressene Wale | |
– das seien emotionale Bilder, sagt Katharina Istel, Referentin für | |
Ressourcenpolitik beim Nabu, solche Bilder gebe es nicht für Böden. Deshalb | |
sind in den vergangenen Jahren Millionensummen ausgegeben worden, um | |
[4][gegen Plastikmüll im Meer] vorzugehen. Beim Boden hingegen sind die | |
meisten Fragen offen. | |
Wie viel Mikroplastik sich auf welchen Flächen und Bodenschichten befindet | |
– und was es dort bewirkt –, ist kaum erforscht. Wie Mikroplastik etwa auf | |
Pflanzen wirkt, die es mit ihren Wurzeln aufnehmen, wie es Springschwänze, | |
Bakterien oder Pilze beeinflusst, dazu fehlten Studien, sagt Autor | |
Bertling. Es gebe Hinweise darauf, dass die für Pflanzen notwendige | |
Symbiose mit Bodenlebewesen gestört werden könne. | |
## Problem Klärschlamm | |
Der Forschungsbedarf sei immens. Auch die Nabu-Studie bietet keine | |
repräsentativen Bodenanalysen für verschiedene Standorte, sondern | |
Mengenschätzungen der Kunststoffe, die auf Wiesen und Felder gelangen. Die | |
Autoren gehen von jährlich rund 19.000 Tonnen Kunststoff aus. Rund 20 | |
Prozent entstammen dabei direkt der Landwirtschaft, 80 Prozent werden von | |
außen eingetragen. | |
Das größte Problem ist dabei [5][Klärschlamm, der mehr als die Hälfte der | |
betriebsfremden Mikroplastikemissionen ausmacht]. „Kläranlagen sind die | |
Nieren unserer Kommunen“, sagt Bertling. „Vom Abrieb der Reifen im | |
Regenwasser über Mikroplastik aus Putzmitteln bis zu Kunststofffasern aus | |
der Textilwäsche – alles landet darin.“ Auch die Anlagen selber tragen zur | |
Verschmutzung bei: Sie verwenden Hilfsmittel zur Flockung, also zur | |
Säuberung, etwa aus Polyacrylamiden. Diese Kunststoffe sind nicht verboten | |
– und verbleiben zum Teil im gereinigten Wasser. | |
Zwar müssen die Landwirte in den nächsten Jahren schrittweise auf | |
Klärschlamm verzichten, ab 2032 dürfen sie nur noch wenig ausbringen. Die | |
Ausbringung müsse aber ganz verboten werden, fordert Istel. Schließlich | |
enthalte der Schlamm nicht nur Mikroplastik, sondern auch | |
Arzneimittelrückstände oder Biozide. „Klärschlamm müsste sauber verbrannt | |
und darin enthaltenes Phosphor zurückgewonnen werden“, so Istel. | |
## Landwirtschaft trägt zur Plastifizierung bei | |
Kompost und Gärreste verursachen 8 Prozent der von außen eingebrachten | |
Kunststoffemissionen. „Anders als Klärschlamm trägt er zum Humusaufbau | |
bei“, sagt Istel, „darum ist es richtig, Kompost weiter zu nutzen“. Es | |
seien Bildungsarbeit und Informationskampagnen wichtig, damit die | |
Bevölkerung weniger Plastik in die Biotonne werfe. „Plastiktüten haben | |
darin nichts verloren“, sagt die Ressourcenexpertin. | |
Die rund 3.600 Tonnen Kunststoff, die die Landwirte absichtlich selbst in | |
die Böden einbringen, entstammen Düngemitteln, Bodenverbesserern, | |
Pflanzenschutzmitteln, Saatgut oder Hilfsmitteln wie Folien oder | |
Bewässerungssystemen. In Düngemitteln sorgen Polyurethane oder | |
Harnstoffharze dafür, dass Stickstoff, Phosphor und Mineralien langsam und | |
gleichmäßig abgegeben werden. | |
Das „Coating“ mit Polyacrylamiden oder Polyvinylalkoholen schützt Saatgut | |
und bindet etwa Chemikalien, mit denen Samen gegen Pilze behandelt werden. | |
Und Bodenverbesserer, also Schaumstoffe oder Gele, sollen den Boden | |
auflockern und etwa Erdbeeren oder Gemüse langfristig mit Wasser versorgen. | |
Werden sie intensiv genutzt, bringen sie zum Teil über 400 Kilogramm | |
Mikroplastik pro Jahr und Hektar in die Böden. | |
„Es gibt jeweils gute Gründe, Polymere einzusetzen“, sagt Bertling, „aber | |
wollen wir wirklich, dass die Grundlagen unserer Ernährung nur mithilfe von | |
Plastik wachsen?“ Es sei jetzt Aufgabe der Wissenschaft, Zielkonflikte – | |
etwa mehr Pflanzenschutzmittel wegen des Verzichts auf Folien – zu lösen. | |
Nabu-Expertin Istel fordert eine umfassende Strategie zum Kunststoffeinsatz | |
in Landwirtschaft und Gartenbau und mehr Forschung zu biologisch abbaubaren | |
Kunststoffen. | |
Dringend fordern die Autoren, Kunststoffeinträge in die Landschaft schnell | |
zu reduzieren – denn „Mikroplastik aus Böden zu entfernen, „ist ökologi… | |
und ökonomisch unmöglich“, sagt Istel. | |
27 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/konsumressourcenmuell/210521-… | |
[2] /Groesste-Produzenten-von-Einwegplastik/!5767671 | |
[3] /Widerstand-gegen-Riesenbau-in-Berlin/!5747047 | |
[4] /Forscher-ueber-Meerplastik-und-Entsorgung/!5738866 | |
[5] /Mikroplastik-aus-der-Waschmaschine/!5759437 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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