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# taz.de -- Haushaltsentwurf für Berlin: Mehr Geld für alle
> Die befürchteten Kürzungen bleiben aus. Stattdessen gibt es auf Kosten
> der Rücklagen überall Zuwächse. Die Bezirke atmen auf, die Grünen
> kritisieren.
Bild: Der Haushaltsentwurf braucht die Rücklagen Berlins auf, sparen muss desh…
Der vielfach [1][befürchtete Sparkurs des schwarz-roten Senats] bleibt aus.
Stattdessen wird sich an den Rücklagen der Stadt bedient, um neue
Schwerpunkte zu setzen. Unterm Strich wächst der Doppelhaushalt für die
Jahre 2024 und 2025, dessen Entwurf der Senat am Dienstag beschlossen hat,
von aktuell 37,9 Milliarden Euro auf 39,06 Milliarden Euro im Jahr 2024 und
sogar über 40 Milliarden Euro im Jahr 2025 an.
Neue Schulden will der Senat dafür jedoch nicht aufnehmen. Vielmehr sollen
für die Mehrausgaben die bestehenden finanzielle Rücklagen aufgebraucht
werden. „Jetzt in diese Zeiten mit einem Kürzungshaushalt reinzugehen wäre
falsch. Wir brauchen [2][Investitionen in die Zukunft“], rechtfertigt der
Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei der Vorstellung des Entwurfs
den Griff ins Sparschwein.
Die Koalition aus SPD und CDU lege mit dem Haushalt Schwerpunkte in den
Bereichen Sicherheit, Bildung und Wirtschaft, so Wegner. Insbesondere die
Sicherheitsbehörden sollen künftig besser ausgestattet werden: Insgesamt
6,4 Millionen Euro sollen für die Ausstattung von Polizei und Feuerwehr mit
den [3][umstrittenen Tasern sowie Bodycams] ausgegeben werden.
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sieht diesen nach den
vergangenen Krisenjahren auf einem Weg „back to normal“. Ziel bleibe
dennoch ein ausgeglichener Haushalt, sagt Finanzsenator Christian Evers
(CDU). Dafür erwarte er „innovative Lösungen“ in den Verwaltungen.
## Sozialer Kahlschlag in Bezirken bleibt aus
Im Vorfeld hatten Sozialverbände und Bezirke [4][vor einem sozialem
Kahlschlag gewarnt.] Besonders die Bezirke hatten wegen Inflation und
steigenden Gehältern 250 Millionen Euro mehr pro Jahr gefordert, um Kinder-
und Jugendeinrichtungen weiter betreiben zu können. Die bekommen sie
allerdings nicht ganz: 100 Millionen Euro mehr pro Jahr sind im Haushalt
für die Bezirke vorgesehen, sparen müssen sie also trotzdem.
Weitere 50 Millionen sollen durch bestehende Senatsprogramme fließen, so
Evers. „Diese Landesregierung hat den Anspruch, eine gute soziale Politik
zu machen“, sagt Wirtschaftssenatorin und Ex-Bürgermeisterin Franziska
Giffey (SPD).
Auch die befürchteten Kürzungen bei den Radwegen bleiben aus. Dafür stehen
künftig rund 59 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ähnlich viel wie
zuvor, im Gegensatz zu Rot-Grün-Rot will der schwarz-rote Senat die Mittel
auch ausgeben. „Die Bilanz der vorherigen Senatorin beim Radwegeausbau ist
alles andere als gut“, sagt Wegner. „Wir wollen mehr sichere Radwege und
die Vorgängerregierung hier sichtlich übertreffen“, ergänzt Evers.
Auch im Bereich Soziales soll es künftig mehr statt weniger geben: Statt
der angekündigten Streichungen um 30 Prozent wird der Haushalt von
Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) für die Bereiche Arbeit, Soziales,
Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung von bislang
im Schnitt 1,7 Milliarden Euro pro Jahr auf rund 2,2 Milliarden Euro
aufgestockt.
## 500 Millionen mehr für die Sozialverwaltung
Aufgrund von Inflation und Lohnsteigerungen bedeutet der Zuwachs um 500
Millionen Euro zwar nicht in allen Bereichen ein Plus – aber eben auch kein
Minus. Senatorin Kiziltepe zeigt sich zufrieden. „Der Senat spart nicht an
den Menschen“, so die SPD-Politikerin am Dienstag. „Gerade in Zeiten von
erstarkenden rechten Kräften ist es wichtig, dass wir mehr Geld als bisher
für die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung
jeglicher Art ausgeben.“
Tatsächlich gibt es künftig mehr Geld für alle Bereiche außer Arbeit, der
mit 158 Millionen Euro auf dem Niveau des bisherigen Haushalts bleib. Den
größten Zuwachs gibt es im Bereich Soziales, dessen Etat von 240 auf 390
Millionen Euro steigt. So werden etwa für die beiden neuen
24/7-Einrichtungen für Obdachlose, die bislang über EU-Gelder finanziert
worden waren, im neuen Haushalt pro Jahr 4,6 Millionen Euro eingestellt.
Auch das Projekt Housing First, über das Obdachlose ohne Vorbedingungen
eine Wohnung erhalten, wird auf insgesamt 8,8 Millionen Euro (bisher: 6,1
Millionen) aufgestockt.
Neu ist, dass die Kältehilfe für [5][Obdachlose] künftig nicht mehr über
die Bezirke, sondern durch die Senatsverwaltung finanziert wird. Mit einem
Etat von 6 Millionen Euro (vorher: 4,7) können die bisherigen Tagessätze
von 17 Euro, die aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen in Wirklichkeit
längst doppelt so hoch sind, angepasst werden.
Im Bereich Antidiskriminierung steigt der Etat von 23 auf 30 Millionen, was
vor allem der Landes-Antidiskriminierungsstelle (LADS) zugute kommt. Im
Bereich Gleichstellung gibt es mit 50 Millionen gleich 25 Prozent mehr.
Damit soll insbesondere die Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung
und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt finanziert
werden. „Wir reagieren auf die steigenden Fallzahlen in der häuslichen
Gewalt“, so Kiziltepe und kündigte den Ausbau von Frauenzentren an.
## Grüne kritisieren „Wahlkampfhaushalt“
Kritik kommt von den oppositionellen Grünen: Der Fraktionsvorsitzende
Werner Graf bezeichnete den Haushalt am Dienstag als „gefährliche Wette für
die Zukunft“: „Nur weil man sich nicht über Prioritäten einigt, riskiert
der Senat, dass der nächste Doppelhaushalt zu einem radikalen Sparhaushalt
wird“, kritisiert der Grünen-Politiker das Aufbrauchen der Rücklagen. „Das
ist eher ein Wahlkampfhaushalt als seriöse langfristige Finanzpolitik.“
Graf kritisiert zudem die in seinen Augen mangelnde Ausstattung der
Bezirke, die zu einem Wegfall von sozialen Einrichtungen führe.
11 Jul 2023
## LINKS
[1] /Berliner-Haushalt/!5943227
[2] /Oekonom-zu-Berliner-Haushalt/!5945964
[3] /Ausruestung-der-Berliner-Polizei/!5822007
[4] /Berlins-Finanzplanung-fuer-2024-und-2025/!5940369
[5] /Obdachlose-Menschen-in-Berlin/!5935661
## AUTOREN
Marie Frank
Benjamin Probst
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