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# taz.de -- Ökonom zu Berliner Haushalt: „Sparen ist schlechte Wirtschaftspo…
> Der Senat muss die Wirtschaft mit Investitionen ankurbeln, fordert der
> Ökonom Maurice Höfgen. Das führe zu Jobs und einem funktionierenden
> Staat.
Bild: Aus Sicht von Ökonom Maurice Höffgen sollte die Politik beherzt investi…
taz: Herr Höfgen, als Vertreter der [1][Modern Monetary Theory] machen Sie
sich für mehr Investitionen stark. Wie sehen Sie den drohenden Sparkurs in
Berlin?
Maurice Höfgen: Wir sparen in eine Krise hinein – das ist wie mit
angezogener Handbremse auf die Autobahn fahren. Das kann nur schiefgehen
und ist ein Konjunkturprogramm für die AfD. Die [2][Sparpolitik von Anfang
der 2000er] ist unter dem Motto ‚Rückkehr zur Normalität‘ wieder da. Diese
alte Normalität hat in Berlin, aber auch bundesweit einen massiven
Investitionsstau verursacht, wie man an fehlenden Milliardeninvestitionen
in Infrastruktur und maroden Schulen sieht. Dabei gibt es angesichts von
Rezession und Klimakrise keine Normalität.
Was müsste der Senat stattdessen tun?
Der Senat muss die Wirtschaft ankurbeln für Jobs, aber auch einen
funktionierenden Staat – in einer Krise zu sparen, ist schlechte
Wirtschaftspolitik. Es ist peinlich, dass wir in der Hauptstadt der
viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt acht Prozent Arbeitslosigkeit haben,
im Bezirk Neukölln liegt die Unterbeschäftigung sogar bei 16 Prozent: Jeder
sechste, der dort Arbeit sucht, findet keine.
In Neukölln gab es eine [3][Streichliste mit einer Vielzahl von sozialen
Angeboten], bei denen der Rotstift angesetzt werden könnte. Was bedeutet
das?
Streichungen insbesondere im sozialen Bereich sind das Schlimmste, was man
machen kann: Es ist ungerecht, weil es die Schwächsten trifft, wenn
[4][etwa der Wachschutz an Schulen gestrichen wird], wo es kürzlich noch
einen Messerangriff gab, oder Brennpunktzulagen von Lehrkräften in Gefahr
sind. Zudem ist es ökonomisch falsch: Wenn man bei den Sozialausgaben
spart, haben genau die Inflationsverlierer weniger Geld – also die
Menschen, die jeden Cent auch zum Leben brauchen und ausgeben. Das bedeutet
weniger Umsätze beim Bäcker, Friseur und der Gastronomie. Die Schwächsten
sparen beim Klamottenshopping, Urlaub und Restaurantbesuch, beim kleinen
Luxus im beschwerlichen Alltag. Das stellt vor allem kleinere Unternehmen
vor Probleme.
Trotzdem soll die Schuldenbremse wieder greifen.
Ein ideologische Festhalten an der Schuldenbremse ist falsch: Die
Haushaltsnotlageländer Saarland und [5][Bremen haben die Schuldenbremse mit
dem Argument Klimakrise ausgesetzt] und damit große Investitionen etwa in
Erneuerbare Energien oder Verkehrsprojekte getätigt. Die 5 Milliarden, die
Berlin für Klimaschutz ausgeben will, zeigen ja auch, dass es geht, wenn
man will.
Warum wird die Schuldenbremse weitgehend befürwortet?
Weil es intiutiv ist, den Staatshaushalt wie den eigenen Haushalt zu
führen. Das ideologische Festhalten an der Schuldenbremse ist aber falsch:
Der Staatshaushalt ist nicht Oma Ernas Sparschwein. Das ist im Übrigen auch
unter den Grünen nicht besser gewesen. Auch der ehemalige
Grünen-Finanzsenator Daniel Wesener hat gesagt, dass es bei den Parteien in
der Finanzpolitik kaum Unterschiede gebe, und Sparen seit Jahrzehnten eine
Tugend sei.
Befürworter der Schuldenbremse verweisen dagegen auf steigende Zinsen und
Inflation.
Die Inflation wird nicht durch Schulden angetrieben. Der Alltag ist teurer
geworden, [6][weil der Krieg Energie und Rohstoffe schockartig verteuert]
hat; nicht, weil die Wirtschaft vorher so gut lief oder Löhne stark
gestiegen sind. Die Schuldenbremse ist eben keine Inflationsbremse,
höchstens eine Bremse für nötige Zukunftsinvestitionen. Und die braucht es
in Milliardenhöhe auch bei steigenden Zinsen. Wenn die Wirtschaft brummt,
sind höhere Zinsen nämlich viel leichter zu bezahlen.
10 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/geldpolitik-2022/507736/modern-m…
[2] /!1254044/
[3] /Sozialpolitik-in-Berlin/!5941856
[4] /Sozialpolitik-in-Berlin/!5941856
[5] /Schulden-fuer-Klimaschutz-und-Kriegsfolgen/!5890522
[6] /Inflation-hoch-Wirtschaft-kriselt/!5880476
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Sparen
Wirtschaftspolitik
Keynesianismus
Haushalt
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