| # taz.de -- Berlins Finanzplanung für 2024 und 2025: Quietschendes Sparen | |
| > Sollte der Senat nicht mehr Geld geben, droht den Bezirken eine | |
| > Haushaltskrise, warnen die Bezirksbürgermeister. Kürzungen hätten | |
| > dramatische Folgen. | |
| Bild: Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel im September 2021 | |
| Berlin taz | Einstellungsstopp bei den Bürgerämtern, Wegfall der | |
| aufsuchenden Drogenhilfe, und der traditionsreiche Rixdorfer | |
| Weihnachtsmarkt wird auch nicht mehr stattfinden können. Die Liste der | |
| Sparmaßnahmen, die das Bezirksamt Neukölln am Dienstag veröffentlichte, | |
| liest sich schmerzhaft. „Die Funktionalität der Stadt ist massiv | |
| gefährdet“, warnt [1][Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD)] im | |
| Gespräch mit der taz. | |
| Wie vielen anderen Bezirken droht Neukölln in den kommenden Jahren ein | |
| zweistelliges Millionendefizit, sollte die Finanzsenatsverwaltung Mitte | |
| Juli beim Beschluss des Doppelhaushalts 2024/25 nicht deutlich mehr Geld | |
| zuschlagen. | |
| Bereits vergangenen Freitag bezifferten die zwölf | |
| Bezirksbürgermeister:innen in einem offenen Brief an den neuen | |
| CDU-Finanzsenator Stefan Evers den Mehrbedarf insgesamt auf 250 Millionen | |
| Euro – allein, um die bisherigen Leistungen aufrechtzuerhalten. Sollte dies | |
| nicht zugesagt werden, drohen auch in anderen Bezirken drastische | |
| Kürzungen, warnen die Bürgermeister:innen. | |
| „Wir müssten alles streichen, was nicht zwingend notwendig ist“, sagt | |
| [2][Tempelhof-Schönebergs Bürgermeister Jörn Oltmann (Grüne)] am Donnerstag | |
| der taz. | |
| Allein in seinem Bezirk beläuft sich das Defizit auf über 30 Millionen | |
| Euro. Da ein Großteil des Budgets zweckgebundene Ausgaben seien, wie zum | |
| Beispiel das Bürgergeld, hätten die Bezirke kaum Handlungsspielräume, so | |
| Oltmann. | |
| Als Erstes auf der Streichliste stünden dann – ähnlich wie in Neukölln – | |
| eben die sozialen Angebote, um die sich die Bezirke mit ihren frei | |
| verfügbaren Geldmitteln bemüht hätten, wie etwa Mieter- und | |
| Sozialberatungen. | |
| Der Aufruhr in den Sozialverbänden ist dementsprechend groß. So warnt die | |
| LIGA der [3][Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege] in Berlin vor den | |
| aktuellen Haushaltsplänen: „Wir können nicht zulassen, dass durch | |
| Sparvorgaben elementare sozialpolitische Notwendigkeiten ignoriert werden“, | |
| so der Verband am Donnerstag. Berlin liefe mit den aktuellen | |
| Haushaltsplänen auf eine „soziale, wirtschaftliche und politische | |
| Bankrotterklärung“ zu. | |
| Die größten Einsparungen ließen sich von den Bezirken jedoch im | |
| Personalbereich erzielen. Mehrere Bezirke kündigten auf taz-Anfrage deshalb | |
| einen Einstellungsstopp, Schließung von Bürgerämtern oder verzögerte | |
| Einstellungen an, um Kosten zu sparen. Für die ohnehin schon angespannte | |
| Personallage in den Bezirksämtern und die daraus resultierenden | |
| Bearbeitungszeiten wäre dieser Schritt ein Fiasko, fürchtet | |
| [4][Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne)]. | |
| „Sämtliche und berechtigte Ansprüche an eine funktionierende Stadt werden | |
| damit ausgehöhlt.“ | |
| Auch für Katja Karger, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes | |
| Berlin, wären neben den sozial Benachteiligten auch die Beschäftigten in | |
| den Ämtern die Leidtragenden: „Viele Verwaltungen kriechen jetzt schon auf | |
| dem Zahnfleisch“; Stellen nicht nachzubesetzen werde etwa bei der | |
| Passausgabe nicht helfen, so Karger. | |
| Die Hilferufe der Bezirke sind vor allem als Teil der anstehenden | |
| Haushaltsverhandlungen zu verstehen – ob es tatsächlich zu den drastischen | |
| Kürzungen kommt, hängt davon ab, ob sich die Bezirke in den Verhandlungen | |
| mit der CDU-geführten Finanzsenatsverwaltung durchsetzen können. | |
| ## Doch noch Hoffnung für Bezirke? | |
| Diese lässt schon jetzt durchblicken, dass es mehr Geld geben wird: | |
| „Bereits nach jetzigem Stand ist aber klar, dass die den Bezirken vom Land | |
| zur Verfügung gestellten Mittel deutlich steigen werden“, sagt Sprecherin | |
| Silke Brandt am Donnerstag auf taz-Anfrage. | |
| Entwarnung bedeutet das für die Bezirke aber noch lange nicht. Durch | |
| Corona, Ukrainekrieg, Inflation, steigende Zinsen und nicht zuletzt die | |
| [5][wieder in Kraft getretene Schuldenbremse] ist die Haushaltslage wieder | |
| deutlich angespannter. Auch die Senatsverwaltungen müssen sich auf | |
| Budgetkürzungen von bis zu 30 Prozent einstellen. | |
| So macht Finanzsenator Stefan Evers auf taz-Anfrage deutlich, dass die | |
| Bezirke in jedem Fall mit Kürzungen rechnen müssten: „An der Haushaltslage | |
| gibt es nichts schön zu reden, sie ist und bleibt angespannt. Das bedeutet, | |
| dass wir alle Prioritäten setzen müssen. Die engen finanziellen | |
| Rahmenbedingungen betreffen Senat und Bezirke gleichermaßen.“ | |
| 29 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
| Benjamin Probst | |
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