Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Robert Habeck über Klimapolitik und Krieg: „Lassen wir das Rumn�…
> Die Räumung von Lützerath sei richtig gewesen. Warum er der
> Klimabewegung trotzdem dankbar ist, sagt Vizekanzler Robert Habeck im
> taz-Gespräch.
Bild: „Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde“, sagt Rob…
wochentaz: Luisa Neubauer spricht wegen [1][der Räumung von Lützerath] und
angesichts [2][der LNG-Terminals] von einer Re-Fossilisierung deutscher
Energiepolitik. Was ist das Gegenargument, Herr Habeck?
Robert Habeck: Das Gegenargument ist, dass Putin die Gaslieferungen nach
Deutschland gestoppt hat, wir damit die Hälfte des Gases zur Versorgung
verloren haben und schmerzhafte Entscheidungen treffen mussten, um eine
Notlage zu verhindern. Wir haben aktuell 8,8 Gigawatt Kohlekraftwerke mehr
am Netz als ursprünglich vorgesehen. Den Kohlestrom setzen wir ein, um Gas
zu sparen. Der klimapolitische Gau wäre, wenn wir nach dem nächsten Winter
sagen müssten: Wir müssen diese Kohlekraftwerke doch noch länger laufen
lassen, weil wir uns nicht um eine ausreichende Versorgung mit Gas
gekümmert haben. Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde.
Um die nicht weiter zu begehen, brauchen wir derzeit noch Gas.
Man [3][sieht Sie jetzt dauernd bei Einweihungen von LNG-Terminals], wo
verflüssigtes fossiles Gas gelagert und weiterverteilt wird. Wäre mehr
persönliche Zurückhaltung nicht angebracht?
Ohne jemandem zu nahe zu treten: Es spricht ganz schön viel Vergessen aus
dieser Haltung. Eine Gasmangellage – und mit ihr schwere Schäden für
Wirtschaft und Gesellschaft – ist eine ernsthafte Gefahr. Das, was wir
jetzt erreicht haben – Unabhängigkeit von russischem Gas, [4][volle
Gasspeicher], wieder gesunkene Preise – ist kein selbstverständlicher
Zustand. Die Gasspeicher sind nur voll, weil wir gehandelt haben. Weil wir
die Gesetze geschrieben und uns um Ersatz gekümmert haben. Weil wir
Gasimporteure vor dem Zusammenbruch bewahrt haben. Und weil viel Geld dafür
ausgegeben haben.
Wie viel Geld?
Viele Milliarden. Die waren notwendig, um eine tiefe Krise abzuwenden.
Allein für [5][die Uniper-Rettung] und dann die Übernahme des Konzerns
haben wir rund 30 Milliarden bereitgestellt. Ob wir das am Ende alles
brauchen, wissen wir nicht, aber sie als Sicherheit bereitzustellen, war
nötig. Sonst wären hunderte Stadtwerke in Gefahr geraten und damit die
Versorgung der Haushalte.
Fühlen Sie sich von Neubauer und der Klimabewegung unverstanden?
Nein. Wir brauchen Protest. Die Klimabewegung und gerade [6][Fridays for
Future] haben die Klimapolitik ganz oben auf die Agenda in Deutschland
gebracht. Das war eine große Leistung. Dafür bin dankbar.
Sie sprechen sehr nett über die Klimabewegung.
Nett wäre paternalistisch. Es geht mir um das gegenseitige Verständnis der
unterschiedlichen Rollen. Eine Protestbewegung darf sich auf das Dagegen
konzentrieren und muss mehr fordern, als der Status quo ist. Sie muss
kritisieren, antreiben. Und sie muss Aufmerksamkeit schaffen. Das ist
sinnvoll. Meine Rolle ist eine andere. Da geht es darum, Entscheidungen und
Gesetze in Regierung und Parlament durchzusetzen, Alternativen zu schaffen,
ja, auch Kompromisse einzugehen. Und ich muss die Energiesicherheit
gewährleisten.
[7][Die Kritik an der LNG-Infrastruktur] zielt darauf, dass nach dem Ende
des Energiemangels sehr viel fossiles Gas genutzt werden könnte, einfach
weil es zur Verfügung steht – und zwar auf Kosten der Erneuerbaren.
Die Gefahr sehe ich nicht. Erstens: Unser politisches Handeln zielt ja voll
auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Schneller und mehr – daran
arbeiten wir. Wir haben durchgesetzt, dass die Erneuerbaren europaweit im
überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Zweitens: Der Energiemangel
geht nur vorbei durch Infrastruktur, die wir bauen. Wir kommen durch diesen
Winter, weil wir anfangs noch russisches Gas hatten, weil wir jetzt
LNG-Terminals in Betrieb nehmen und weil wir aus Norwegen und den
Benelux-Staaten mehr Gas bekommen haben.
Andersrum gilt, dass die Versorgung der südöstlichen Nachbarn auch durch
Deutschland erfolgt, inklusive eines Teils der Ukraine. Aktuell sind wir
Transitland, künftig können wir über die schwimmenden Terminals aber auch
Lieferungen für unsere Nachbarn ermöglichen. Wenn wir nur den nationalen
Blick haben, machen wir also einen doppelten Fehler. Wir dürfen nicht
verkennen, dass die anderen Länder uns versorgen, und nicht verkennen, dass
durch uns auch andere Länder versorgt werden müssen.
Sie sagen es: EU-Länder waren in der Energienot solidarisch mit
Deutschland, haben aber den Eindruck, dass Deutschland nicht so solidarisch
ist – etwa wie es sein Gas in der Welt zusammengekauft hat. Ist es naiv,
dass man das zusammen macht?
Das geht und das ist vereinbart worden. Richtig ist aber, dass Deutschland
in der Vergangenheit sehr viele seiner Gaseinkäufe in Russland getätigt
hat. Deutschland hat [8][Nord Stream 1 und dann auch noch 2] gebaut. Die
deutsche Energiepolitik hat lange die Warnungen – gerade von Polen und den
baltischen Ländern – komplett ignoriert. Hauptsache, Gas aus Russland war
billig.
Die Vorgängerregierungen haben es trotzdem gemacht.
Ja, und es ist schiefgegangen. Das war ein Grund für die hohen Gaspreise,
auch in Ländern, die gar kein Gas oder nicht viel aus Russland bekommen
haben. Dass andere europäische Länder deshalb zornig sind, kann ich
verstehen.
Was folgt daraus für Sie?
Ich sehe die Fehler des letzten Jahrzehnts und bin deshalb der Meinung,
Deutschland muss im Zweifelsfall immer ein Stückchen mehr geben. Es ist
jetzt unsere Aufgabe, dienend Europa zusammenzuführen.
Gilt dieses Motto „immer ein Stückchen mehr“ auch in der Frage deutscher
Waffenlieferungen an die Ukraine? [9][Oder ist mit dem Kampfpanzer Leopard
2 nun Schluss?]
Putin hat mit der europäischen Nachkriegsordnung gebrochen und einen
souveränen Staat überfallen – hier, in Europa. Ich halte es für notwendig,
die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Putin und sein
Imperialismus dürfen nicht siegen. Wir haben deshalb die Unterstützung
immer wieder angepasst und werden sie sicher immer wieder überprüfen. Es
gilt aber weiter: Deutschland ist keine Kriegspartei und wird es nicht
werden. Das ist die Grenze.
Grüne und FDP mussten den Kanzler wochenlang drängen. Warum handeln Scholz
und die SPD immer erst nach langem Zögern?
Wir haben mit der Lieferung von Kampfpanzern jetzt eine große Entscheidung
getroffen, die der Ukraine helfen wird. Aber das ist kein Grund zum Jubeln.
Es ist eine Entscheidung, die man gut abwägen musste. Jede Leichtigkeit ist
fehl am Platz.
Als Alternative zur militärischen Verteidigung der Ukraine gegen den
Aggressor Russland werden gern „Verhandlungen“ beschworen. Unter welchen
Umständen könnte es aus ihrer Sicht dazu kommen?
Mit Verlaub, Russland hat die Ukraine angegriffen, mit Panzern, Raketen. Es
hat Städte und Dörfer besetzt, Männer, Frauen und Kinder werden getötet,
gefoltert, verschleppt. Die russische Armee zerstört gezielt
Wasserversorgung und Stromversorgung. Wer eine Alternative zur
militärischen Verteidigung der Ukraine will, verlangt, dass sie sich von
Putins Russland niederrennen lässt. Das gesagt: Glauben Sie mir, es vergeht
kein Tag, an dem ich mir nicht wünsche, dass der Krieg ein Ende hat. Aber
für Verhandlungen muss die Ukraine in eine militärische Situation kommen,
die ihr erlaubt, ihre territoriale Integrität wiederherzustellen.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wo steht die Energiewende in Deutschland
heute?
Bei vier.
Wo steht Deutschland, wenn die Legislaturperiode zu Ende ist?
Bei sechs. Acht ist 2030 und 9,5 ist 2040 erreicht. 2045 soll Deutschland
klimaneutral sein. Die Vorgaben sehen vor, dass wir bis 2040 die
CO2-Emissionen um 88 Prozent reduziert haben müssen. Die letzten 10 oder 12
Prozent sind sicherlich die schwersten. Aber die entscheidende Frage ist:
Schaffen wir 90 und 95 und bleiben nicht bei 40 oder 45 stehen? Damit wären
die großen Bereiche Verkehr, Gebäude und Energie umgestellt.
Wie kommt die Energiewende jetzt tatsächlich voran, werden wirklich
plötzlich schnell viele Windräder gebaut?
Da bin ich zuversichtlich. Mir ist aber noch etwas wichtig, nämlich, dass
wir bei der Energieeffizienz vorankommen. Energieverbräuche runterbringen
ist genauso Teil der Energiewende. Das bringt Unternehmen große
Effizienzgewinne, sprich: wirtschaftliche Vorteile.
Mit der [10][Atom-Entscheidung des Bundeskanzlers] ist ja das
Energieeffizienzgesetz versprochen worden. Warum ist es noch nicht da?
Wir haben das Gesetz geschrieben, noch mal überarbeitet, was ich selbst
wichtig fand, jetzt liegt es in der Ressortabstimmung.
Muss der Kanzler dafür gegenüber der FDP noch ein sogenanntes Machtwort
sprechen?
Es ist klar, dass das Gesetz zeitnah kommen muss.
Was heißt zeitnah?
Von unserer Seite aus sind wir fertig.
Ist die Atomdebatte wirklich erledigt?
Die Atomdebatte spielt keine Rolle mehr.
Die FDP hat es immer wieder probiert.
Ende des Winters werden die drei letzten AKWs abgeschaltet. Punkt.
Haben Sie schon Pläne für den 15. April, Mitternacht, wenn die letzten AKWs
vom Netz gehen sollen?
Um Mitternacht werde ich hoffentlich schlafen.
[11][Sie behaupten immer, Lützerath sei das „falsche Symbol“] für die
Forderung nach Klimapolitik, die das Paris-Abkommen einhält. Welches wäre
denn das richtige?
Lützerath ist per Gesetz das Ende des Braunkohleabbaus, nicht das Weiter
so. Welches Symbol das richtige ist – nun, das wird die Klimabewegung
selbst finden. Es kann nur schiefgehen, wenn ein Energieminister ihr sagen
würde, wo sie demonstrieren soll.
Nach den Erfahrungen der letzten Wochen: Würden Sie mit Blick auf Lützerath
etwas anders machen?
Wir beenden die Braunkohleverstromung im Westen acht Jahre früher als
vorgesehen. Wir halbieren die Menge des erlaubten Braunkohleabbaus. Wir
retten fünf Orte und drei bewirtschaftete Höfe. Wir schaffen
Planungssicherheit, damit in Wasserstoffkraftwerke investiert wird.
Deshalb: Nein. Die Lösung konnte nur so gefunden werden, wie wir sie
gefunden haben. Sie war energiepolitisch nötig und klimapolitisch richtig.
Erwarten Sie eine zunehmende Verhärtung zwischen Aktivismus und Staat?
Es ist nicht akzeptabel, wie Polizistinnen und Polizisten pauschal
verunglimpft werden und wie ein Teil der Aktivisten nach einer „Welt ohne
Polizei“ ruft. Polizistinnen und Polizisten setzen jeden Tag ihre eigene
Sicherheit für die Sicherheit anderer aufs Spiel. Die Polizei ist Teil
unseres demokratischen Rechtsstaats. Wenn es Vorwürfe gegen Polizisten
gibt, werden sie aufgeklärt, wie es [12][Nordrhein-Westfalens Innenminister
Reul] [13][gesagt hat].
Umgekehrt erwarte ich, dass sich die Klimabewegung glasklar von Gewalt
distanziert. Ohne Hintertür. Gerade Klimaschutz handelt davon, Freiheit und
Leben in einer Demokratie zu schützen. Und Gewalt ist kein legitimes Mittel
der politischen Auseinandersetzung. Diese Frage finde ich viel relevanter
als die, wie die Klimabewegung und die Grünen klarkommen. Für eine
Regierungspartei ist es die logische Konsequenz, in einem
Spannungsverhältnis zu einer Bürgerbewegung zu stehen.
Die Spannung haben Sie aber auch innerhalb der Partei. Grüne Beschlüsse in
der Regierung, grüner Polizeipräsident setzt sie durch – gegen Grüne Jugend
im Widerstand?
Das zeigt nur, wie weit wir gesellschaftlich verankert sind.
Die romantische Illusion gibt es bei manchen immer noch, in der Opposition
moralisch unantastbar zu bleiben und dabei den größeren Unterschied machen
zu können?
Nein. Die Partei will regieren. Das ist ganz anders als in einer Zeit, die
ich noch eher aus der Halbdistanz beobachtet habe. Damals hieß es: In der
Regierung muss man so schwierige Entscheidungen treffen. Gehen wir lieber
raus. Heute heißt es: Geht es nicht schneller? Kann man nicht mehr
umsetzen? Gibt es nicht machtpolitische Hebel, die wir noch nicht gezogen
haben? Ich finde das gut.
Einige Grüne finden, Sie sollten in der Regierung mehr Konfrontation wagen,
härter verhandeln.
Wenn ich an den Verkehrsbereich und das Klimaschutz-Sofortprogramm denke:
Weil wir so hart verhandeln, gibt es noch keine Lösung. Das
Planungsbeschleunigungsgesetz ist im Koalitionsausschuss, weil auf dem
Verhandlungswege keine Einigung erzielt werden konnte.
[14][Im Koalitionsausschuss gab es bisher keine Einigung mit den
FDP-Ministern Lindner und Wissing.] Letzterer will in ein
Planungsbeschleunigungsgesetz auch den Bau von Autobahnen reinnehmen. Sie
werden nicht klein beigeben?
Es ist enorm wichtig, bestimmte Dinge schneller zu planen, zu bauen und zu
genehmigen – bei der Bahn, beim Ersatz von maroden Brücken. Es dauert
vieles schon sehr lange in Deutschland. Aber was nicht geht, ist, im
Verkehr, wo wir eine riesige Klimaschutzlücke haben, jetzt erst mal alle
Autobahnen schneller zu bauen. Und wir müssen priorisieren, allein schon
wegen der Kapazitäten.
Warum haben die Grünen bei der Regierungsbildung auf das
Verkehrsministerium verzichtet?
Wir haben nicht verzichtet, wir haben es nicht bekommen.
Und mehr Druck auf Wissing soll wirklich nicht möglich sein?
Es liegt nicht am mangelnden Druck. Wir brauchen in der Regierung halt
Einstimmigkeit. Es gibt keine Kampfabstimmung im Kabinett. Die Dinge werden
vorher geeint oder sie werden nicht beschlossen. Insofern braucht man
Beharrlichkeit in der Überzeugungsarbeit. Und man spürt ja, dass sich auch
gesellschaftlich die Vorstellung, wie Mobilität aussieht, verändert.
Jetzt kriegt die Gesellschaft wieder den Ball zurückgespielt?
Es ist es ja längst nicht mehr so, dass bei jungen Menschen der Wunsch nach
dem eigenen Auto ganz oben steht. Carsharing ist nichts Exotisches mehr. In
der Gesellschaft gibt es Bewegung, politisch arbeiten wir dran.
Von uns Bürgerinnen und Bürger sind Sie ja schwer begeistert. Was wir in
der Krise für tolle Sachen machen und „dass wir zusammen Großes erreichen
können, wenn wir uns anstrengen“…
… Das Land hat im vierten Quartal des letzten Jahres 22 Prozent Energie
eingespart. Ich weiß von vielen Leuten, die die Heizung runtergedreht, auf
Komfort verzichtet haben. Natürlich weiß ich auch von sehr vielen, die im
letzten Herbst gelitten haben, die schiere Existenzangst hatten, vor der
Höhe der Heiz- und Stromkosten, vor der Pleite ihres Unternehmens. Und
trotzdem steht die demokratische Mitte, und wir sind hier in Deutschland
bereit, bis auf wenige Trolle von Putin, die Ukraine weiter zu unterstützen
und haben nicht vergessen, dass Putin uns diese Gemengelage eingebrockt
hat. Ich finde, das ist eine große gesellschaftliche Leistung.
Na ja.
Wenn jemand meint, er kann auch mehr tun: Go for it. Aber insgesamt? Sind
viele Dinge gut gelaufen.
Ein Grund, warum die große Krise ausbleibt, sind die hohen Temperaturen im
Winter. Die Erderwärmung sei für die Weltwirtschaft 2023 eine gute Sache,
sagt der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff.
So zynisch will ich nicht denken, und es ist auch nicht richtig. Aber es
wird erkennbar wärmer, global, überall. Die Bilder von Skiliften in den
Alpen mit grünen Wiesen sind ja ikonisch bitter, und alles spricht dafür,
dass die Erderwärmung schneller voranschreitet, als es bisher
wissenschaftlich angenommen wurde. Das ist ein schlimmer Befund. Und ein
Grund mehr, in der Regierung dagegen anzuarbeiten. Und da komme ich wieder
zum Anfang: Entscheidend ist Entschlossenheit im Handeln und so etwas
altmodisches wie Disziplin.
Sie haben gerade den [15][Jahreswirtschaftsbericht für 2023] vorgestellt.
Die Notwendigkeit von Wachstum zum Erhalt von Wohlstand, Sozialstaat und so
weiter und die planetarische Zerstörung durch fossiles Wachstum laufen
weiter nebeneinander her.
Nein. Wir vollziehen gerade eine Kursänderung. Es geht nicht mehr um ein
blindes Wachstum. Sondern darum, gezielt Investitionen – private und
staatliche – in den Aufbau einer grünen Wirtschaft zu lenken. In
klimafreundliche Innovationen. Wir nennen das transformative
Angebotspolitik.
Im Moment ist nicht mal ein Tempolimit durchsetzbar. Wie soll in der
Realität der große Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft vorankommen?
Als Erstes sollten wir mal das Rumnölen sein lassen, das Lamento, was alles
nicht geht. Sondern sehen, was alles möglich werden kann. Wir sind
mittendrin im Umbau. Unternehmen sind bereit, in den Aufbau von
Wasserstoffkraftwerken zu investieren, in klimafreundliche Produktion,
überall wird geforscht und getüftelt. Zigtausende bauen Wärmepumpen ein,
setzen Solaranlagen aufs Dach. Es gibt Dynamik, Deutschland kann was. Das
ist der Geist, den wir brauchen.
Ein Teil der Wissenschaft sieht den einzigen Weg in eine ordentliche
Zukunft in weniger Wachstum, Fachausdruck Degrowth. Wir haben mal im
Organigramm Ihres Ministeriums geschaut: Es gibt keine Degrowth-Abteilung.
Nein, die gibt es nicht.
Es gibt als Zukunftspfad nur den Green New Deal, also die Hoffnung auf eine
gelingende Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum?
Ein nicht qualifizierter Wachstumsindikator ist blind für die eigentliche
Realität der Gesellschaft. Das Bruttoinlandsprodukt BIP setzt sich zusammen
aus allen verkauften Gütern und Dienstleistungen des Landes. Mehr Bildung,
mehr Bildungsausgaben, mehr Gesundheit, mehr Kultur: Das würde ich als
gutes Wachstum bezeichnen. Wenn Leute ihr Haus sanieren und damit die
CO2-Emissionen senken, also Baustoffe verwenden und Handwerker dort
arbeiten, ist das eine gute Form von Wachstum. Produzieren wir
Einwegplastik, als gäbe es kein Morgen, und schmeißen das in die Welt, dann
sind das die falschen Güter. Von Ersteren brauchen wir mehr, von Zweiteren
weniger.
Und nun die V-Frage: Geht der Wandel ohne Verzicht?
Die pauschale Frage trifft es nicht. Wir brauchen eine qualitative
Veränderung. Die Märkte müssen bessere und ökologisch werthaltigere
Produkte nach vorne bringen. Das ist sozialökologische Transformation.
Daran arbeiten wir.
Also kein Degrowth in Deutschland?
Kein Degrowth, aber jede Menge Transformation.
27 Jan 2023
## LINKS
[1] /Luetzerath/!t5896252
[2] /LNG/!t5582693
[3] /Erstes-LNG-Terminal-eingeweiht/!5903150
[4] /Energieversorgung-in-Deutschland/!5906254
[5] /Verstaatlichung-von-Gasimporteur-Uniper/!5904169
[6] /Greta-Thunberg-attackiert-Davos/!5906697
[7] /Kritik-an-LNG-Terminal/!5900446
[8] /Nordstream/!t5204910
[9] /Kampfpanzerlieferungen-in-die-Ukraine/!5907910
[10] /AKW-Entscheidung-des-Kanzlers/!5885797
[11] /Politische-Debatte-zur-Luetzerath-Raeumung/!5905116
[12] /NRW-Innenminister-ueber-Luetzerath/!5906669
[13] /Klimaproteste-in-Luetzerath/!5906310
[14] /Streit-in-der-Ampelkoalition/!5911726
[15] /Jahreswirtschaftsbericht/!5911543
## AUTOREN
Anja Krüger
Tobias Schulze
Peter Unfried
## TAGS
Robert Habeck
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
GNS
Energiekrise
Bündnis 90/Die Grünen
wochentaz
Lützerath
wochentaz
Ampel-Koalition
Energiekrise
Energie
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Lützerath
Israel
Wasserstoff
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Bundeskanzler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wärmeenergie aus Flusswasser: Mannheims Riesenpumpe
Im Herbst geht Deutschlands größte Flusswärmepumpe in Betrieb. Die
Nischentechnologie könnte ein wichtiger Bestandteil der Energiewende
werden.
Grüne gegen Ampel-Partner: Wir brauchen einen Klimakanzler
Robert Habeck sagt kurzgefasst: Was wir als Regierung abliefern, reicht
nicht. Darf der das? Er musste. Es war dem Ernst der Lage angemessen.
Staatskonzern mit Milliardenminus: Uniper erwartet lange Durststrecke
Die Bundesregierung hatte 2022 den angeschlagenen Energiekonzern
verstaatlicht. Nun rechnet Uniper auch im laufenden Jahr mit hohen
Einbußen.
Verbände mahnen Energiespargesetz an: Kanzler Scholz soll Wort halten
Der Kanzler hat im Herbst ein ambitioniertes Gesetz zum Energiesparen
versprochen. Nun verschleppe er dieses Vorhaben, kritisieren Verbände.
Leonid Wolkow über Russland und Nawalny: „Ich bin zur Hoffnung verpflichtet�…
Wie stark ist die russische Opposition? Dissident Leonid Wolkow über
Kriegsmüdigkeit und den in Isolationshaft sitzenden Kremlkritiker Alexei
Nawalny.
Grüne Leoparden-Witze: Lauter kleine Raubkätzchen
Sie tragen Leopardenpulli im Bundestag oder posten Raubkatzen-Bildchen:
Woher kommt die Tendenz bei Teilen der Grünen, Kampfpanzer zu
verniedlichen?
Klimabewegung in Russland: Der Kusbass grüßt Lützerath
Russische Kohlegegner:innen haben sich mit dem Klimaprotest in
Lützerath solidarisiert. Ihr Engagement wird in Russland immer
gefährlicher.
Hedwig Richter über die Klimakrise: „Ziviler Ungehorsam gehört dazu“
Die Historikerin Hedwig Richter über die Klimabewegung, ihre Professur an
der Bundeswehr-Uni und die Notwendigkeit von Top-down-Politik.
Co-Chefin des Club of Rome über Europa: „Ich nenne das neokolonial“
Mamphela Ramphele ist die Vorsitzende des Club of Rome. Sie kritisiert,
dass der Green Deal der Europäer koloniale Strukturen nicht aufbricht.
FDP bremst Windkraft mit Autobahnen: Endlich den Turbo zünden
Der Bund muss den Ländern gegenüber forscher auftreten und einen
schnelleren Ausbau der Erneuerbaren verlangen. Bayern und die FDP bremsen.
Neuer Kabinettsbeschluss für Erneuerbare: Mehr Tempo für Windkraftausbau
Veränderte Verfahren sollen den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland
beschleunigen. Unter anderem fallen Umwelt- und Artenschutzprüfungen weg.
Über Politik und Protest: Passt diese Zeit noch zu uns?
Alle wollen das Klima retten – und verschwenden dabei viel Energie. Hier
Protestfolklore, dort grüne Realpolitik. Und dazwischen: eine Menge Zank.
Annalena Baerbocks Rede: Ungeschick zur Unzeit
Im Ausland wird die deutsche Außenministerin für ihre Klarheit geschätzt.
Ihre unglückliche Aussage in Straßburg spielt den Kriegshetzern in die
Hände.
Annalena Baerbock und der Ukraine-Krieg: Ein Satz schlägt Wellen
Die Bundesaußenministerin sagt in einer Parlamentsbefragung, „wir führen
einen Krieg mit Russland“. Zwei Tage später sorgt das für Aufsehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz zu Lützerath: „Da verläuft für mich die Grenze“
Olaf Scholz verteidigt den Lützerath-Kompromiss und wünscht sich Proteste
für Windräder. Ein Gespräch über Kampfpanzer und den Spaß am schnellen
Fahren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.