# taz.de -- Robert Habeck über Klimapolitik und Krieg: „Lassen wir das Rumn�… | |
> Die Räumung von Lützerath sei richtig gewesen. Warum er der | |
> Klimabewegung trotzdem dankbar ist, sagt Vizekanzler Robert Habeck im | |
> taz-Gespräch. | |
Bild: „Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde“, sagt Rob… | |
wochentaz: Luisa Neubauer spricht wegen [1][der Räumung von Lützerath] und | |
angesichts [2][der LNG-Terminals] von einer Re-Fossilisierung deutscher | |
Energiepolitik. Was ist das Gegenargument, Herr Habeck? | |
Robert Habeck: Das Gegenargument ist, dass Putin die Gaslieferungen nach | |
Deutschland gestoppt hat, wir damit die Hälfte des Gases zur Versorgung | |
verloren haben und schmerzhafte Entscheidungen treffen mussten, um eine | |
Notlage zu verhindern. Wir haben aktuell 8,8 Gigawatt Kohlekraftwerke mehr | |
am Netz als ursprünglich vorgesehen. Den Kohlestrom setzen wir ein, um Gas | |
zu sparen. Der klimapolitische Gau wäre, wenn wir nach dem nächsten Winter | |
sagen müssten: Wir müssen diese Kohlekraftwerke doch noch länger laufen | |
lassen, weil wir uns nicht um eine ausreichende Versorgung mit Gas | |
gekümmert haben. Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde. | |
Um die nicht weiter zu begehen, brauchen wir derzeit noch Gas. | |
Man [3][sieht Sie jetzt dauernd bei Einweihungen von LNG-Terminals], wo | |
verflüssigtes fossiles Gas gelagert und weiterverteilt wird. Wäre mehr | |
persönliche Zurückhaltung nicht angebracht? | |
Ohne jemandem zu nahe zu treten: Es spricht ganz schön viel Vergessen aus | |
dieser Haltung. Eine Gasmangellage – und mit ihr schwere Schäden für | |
Wirtschaft und Gesellschaft – ist eine ernsthafte Gefahr. Das, was wir | |
jetzt erreicht haben – Unabhängigkeit von russischem Gas, [4][volle | |
Gasspeicher], wieder gesunkene Preise – ist kein selbstverständlicher | |
Zustand. Die Gasspeicher sind nur voll, weil wir gehandelt haben. Weil wir | |
die Gesetze geschrieben und uns um Ersatz gekümmert haben. Weil wir | |
Gasimporteure vor dem Zusammenbruch bewahrt haben. Und weil viel Geld dafür | |
ausgegeben haben. | |
Wie viel Geld? | |
Viele Milliarden. Die waren notwendig, um eine tiefe Krise abzuwenden. | |
Allein für [5][die Uniper-Rettung] und dann die Übernahme des Konzerns | |
haben wir rund 30 Milliarden bereitgestellt. Ob wir das am Ende alles | |
brauchen, wissen wir nicht, aber sie als Sicherheit bereitzustellen, war | |
nötig. Sonst wären hunderte Stadtwerke in Gefahr geraten und damit die | |
Versorgung der Haushalte. | |
Fühlen Sie sich von Neubauer und der Klimabewegung unverstanden? | |
Nein. Wir brauchen Protest. Die Klimabewegung und gerade [6][Fridays for | |
Future] haben die Klimapolitik ganz oben auf die Agenda in Deutschland | |
gebracht. Das war eine große Leistung. Dafür bin dankbar. | |
Sie sprechen sehr nett über die Klimabewegung. | |
Nett wäre paternalistisch. Es geht mir um das gegenseitige Verständnis der | |
unterschiedlichen Rollen. Eine Protestbewegung darf sich auf das Dagegen | |
konzentrieren und muss mehr fordern, als der Status quo ist. Sie muss | |
kritisieren, antreiben. Und sie muss Aufmerksamkeit schaffen. Das ist | |
sinnvoll. Meine Rolle ist eine andere. Da geht es darum, Entscheidungen und | |
Gesetze in Regierung und Parlament durchzusetzen, Alternativen zu schaffen, | |
ja, auch Kompromisse einzugehen. Und ich muss die Energiesicherheit | |
gewährleisten. | |
[7][Die Kritik an der LNG-Infrastruktur] zielt darauf, dass nach dem Ende | |
des Energiemangels sehr viel fossiles Gas genutzt werden könnte, einfach | |
weil es zur Verfügung steht – und zwar auf Kosten der Erneuerbaren. | |
Die Gefahr sehe ich nicht. Erstens: Unser politisches Handeln zielt ja voll | |
auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Schneller und mehr – daran | |
arbeiten wir. Wir haben durchgesetzt, dass die Erneuerbaren europaweit im | |
überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Zweitens: Der Energiemangel | |
geht nur vorbei durch Infrastruktur, die wir bauen. Wir kommen durch diesen | |
Winter, weil wir anfangs noch russisches Gas hatten, weil wir jetzt | |
LNG-Terminals in Betrieb nehmen und weil wir aus Norwegen und den | |
Benelux-Staaten mehr Gas bekommen haben. | |
Andersrum gilt, dass die Versorgung der südöstlichen Nachbarn auch durch | |
Deutschland erfolgt, inklusive eines Teils der Ukraine. Aktuell sind wir | |
Transitland, künftig können wir über die schwimmenden Terminals aber auch | |
Lieferungen für unsere Nachbarn ermöglichen. Wenn wir nur den nationalen | |
Blick haben, machen wir also einen doppelten Fehler. Wir dürfen nicht | |
verkennen, dass die anderen Länder uns versorgen, und nicht verkennen, dass | |
durch uns auch andere Länder versorgt werden müssen. | |
Sie sagen es: EU-Länder waren in der Energienot solidarisch mit | |
Deutschland, haben aber den Eindruck, dass Deutschland nicht so solidarisch | |
ist – etwa wie es sein Gas in der Welt zusammengekauft hat. Ist es naiv, | |
dass man das zusammen macht? | |
Das geht und das ist vereinbart worden. Richtig ist aber, dass Deutschland | |
in der Vergangenheit sehr viele seiner Gaseinkäufe in Russland getätigt | |
hat. Deutschland hat [8][Nord Stream 1 und dann auch noch 2] gebaut. Die | |
deutsche Energiepolitik hat lange die Warnungen – gerade von Polen und den | |
baltischen Ländern – komplett ignoriert. Hauptsache, Gas aus Russland war | |
billig. | |
Die Vorgängerregierungen haben es trotzdem gemacht. | |
Ja, und es ist schiefgegangen. Das war ein Grund für die hohen Gaspreise, | |
auch in Ländern, die gar kein Gas oder nicht viel aus Russland bekommen | |
haben. Dass andere europäische Länder deshalb zornig sind, kann ich | |
verstehen. | |
Was folgt daraus für Sie? | |
Ich sehe die Fehler des letzten Jahrzehnts und bin deshalb der Meinung, | |
Deutschland muss im Zweifelsfall immer ein Stückchen mehr geben. Es ist | |
jetzt unsere Aufgabe, dienend Europa zusammenzuführen. | |
Gilt dieses Motto „immer ein Stückchen mehr“ auch in der Frage deutscher | |
Waffenlieferungen an die Ukraine? [9][Oder ist mit dem Kampfpanzer Leopard | |
2 nun Schluss?] | |
Putin hat mit der europäischen Nachkriegsordnung gebrochen und einen | |
souveränen Staat überfallen – hier, in Europa. Ich halte es für notwendig, | |
die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Putin und sein | |
Imperialismus dürfen nicht siegen. Wir haben deshalb die Unterstützung | |
immer wieder angepasst und werden sie sicher immer wieder überprüfen. Es | |
gilt aber weiter: Deutschland ist keine Kriegspartei und wird es nicht | |
werden. Das ist die Grenze. | |
Grüne und FDP mussten den Kanzler wochenlang drängen. Warum handeln Scholz | |
und die SPD immer erst nach langem Zögern? | |
Wir haben mit der Lieferung von Kampfpanzern jetzt eine große Entscheidung | |
getroffen, die der Ukraine helfen wird. Aber das ist kein Grund zum Jubeln. | |
Es ist eine Entscheidung, die man gut abwägen musste. Jede Leichtigkeit ist | |
fehl am Platz. | |
Als Alternative zur militärischen Verteidigung der Ukraine gegen den | |
Aggressor Russland werden gern „Verhandlungen“ beschworen. Unter welchen | |
Umständen könnte es aus ihrer Sicht dazu kommen? | |
Mit Verlaub, Russland hat die Ukraine angegriffen, mit Panzern, Raketen. Es | |
hat Städte und Dörfer besetzt, Männer, Frauen und Kinder werden getötet, | |
gefoltert, verschleppt. Die russische Armee zerstört gezielt | |
Wasserversorgung und Stromversorgung. Wer eine Alternative zur | |
militärischen Verteidigung der Ukraine will, verlangt, dass sie sich von | |
Putins Russland niederrennen lässt. Das gesagt: Glauben Sie mir, es vergeht | |
kein Tag, an dem ich mir nicht wünsche, dass der Krieg ein Ende hat. Aber | |
für Verhandlungen muss die Ukraine in eine militärische Situation kommen, | |
die ihr erlaubt, ihre territoriale Integrität wiederherzustellen. | |
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wo steht die Energiewende in Deutschland | |
heute? | |
Bei vier. | |
Wo steht Deutschland, wenn die Legislaturperiode zu Ende ist? | |
Bei sechs. Acht ist 2030 und 9,5 ist 2040 erreicht. 2045 soll Deutschland | |
klimaneutral sein. Die Vorgaben sehen vor, dass wir bis 2040 die | |
CO2-Emissionen um 88 Prozent reduziert haben müssen. Die letzten 10 oder 12 | |
Prozent sind sicherlich die schwersten. Aber die entscheidende Frage ist: | |
Schaffen wir 90 und 95 und bleiben nicht bei 40 oder 45 stehen? Damit wären | |
die großen Bereiche Verkehr, Gebäude und Energie umgestellt. | |
Wie kommt die Energiewende jetzt tatsächlich voran, werden wirklich | |
plötzlich schnell viele Windräder gebaut? | |
Da bin ich zuversichtlich. Mir ist aber noch etwas wichtig, nämlich, dass | |
wir bei der Energieeffizienz vorankommen. Energieverbräuche runterbringen | |
ist genauso Teil der Energiewende. Das bringt Unternehmen große | |
Effizienzgewinne, sprich: wirtschaftliche Vorteile. | |
Mit der [10][Atom-Entscheidung des Bundeskanzlers] ist ja das | |
Energieeffizienzgesetz versprochen worden. Warum ist es noch nicht da? | |
Wir haben das Gesetz geschrieben, noch mal überarbeitet, was ich selbst | |
wichtig fand, jetzt liegt es in der Ressortabstimmung. | |
Muss der Kanzler dafür gegenüber der FDP noch ein sogenanntes Machtwort | |
sprechen? | |
Es ist klar, dass das Gesetz zeitnah kommen muss. | |
Was heißt zeitnah? | |
Von unserer Seite aus sind wir fertig. | |
Ist die Atomdebatte wirklich erledigt? | |
Die Atomdebatte spielt keine Rolle mehr. | |
Die FDP hat es immer wieder probiert. | |
Ende des Winters werden die drei letzten AKWs abgeschaltet. Punkt. | |
Haben Sie schon Pläne für den 15. April, Mitternacht, wenn die letzten AKWs | |
vom Netz gehen sollen? | |
Um Mitternacht werde ich hoffentlich schlafen. | |
[11][Sie behaupten immer, Lützerath sei das „falsche Symbol“] für die | |
Forderung nach Klimapolitik, die das Paris-Abkommen einhält. Welches wäre | |
denn das richtige? | |
Lützerath ist per Gesetz das Ende des Braunkohleabbaus, nicht das Weiter | |
so. Welches Symbol das richtige ist – nun, das wird die Klimabewegung | |
selbst finden. Es kann nur schiefgehen, wenn ein Energieminister ihr sagen | |
würde, wo sie demonstrieren soll. | |
Nach den Erfahrungen der letzten Wochen: Würden Sie mit Blick auf Lützerath | |
etwas anders machen? | |
Wir beenden die Braunkohleverstromung im Westen acht Jahre früher als | |
vorgesehen. Wir halbieren die Menge des erlaubten Braunkohleabbaus. Wir | |
retten fünf Orte und drei bewirtschaftete Höfe. Wir schaffen | |
Planungssicherheit, damit in Wasserstoffkraftwerke investiert wird. | |
Deshalb: Nein. Die Lösung konnte nur so gefunden werden, wie wir sie | |
gefunden haben. Sie war energiepolitisch nötig und klimapolitisch richtig. | |
Erwarten Sie eine zunehmende Verhärtung zwischen Aktivismus und Staat? | |
Es ist nicht akzeptabel, wie Polizistinnen und Polizisten pauschal | |
verunglimpft werden und wie ein Teil der Aktivisten nach einer „Welt ohne | |
Polizei“ ruft. Polizistinnen und Polizisten setzen jeden Tag ihre eigene | |
Sicherheit für die Sicherheit anderer aufs Spiel. Die Polizei ist Teil | |
unseres demokratischen Rechtsstaats. Wenn es Vorwürfe gegen Polizisten | |
gibt, werden sie aufgeklärt, wie es [12][Nordrhein-Westfalens Innenminister | |
Reul] [13][gesagt hat]. | |
Umgekehrt erwarte ich, dass sich die Klimabewegung glasklar von Gewalt | |
distanziert. Ohne Hintertür. Gerade Klimaschutz handelt davon, Freiheit und | |
Leben in einer Demokratie zu schützen. Und Gewalt ist kein legitimes Mittel | |
der politischen Auseinandersetzung. Diese Frage finde ich viel relevanter | |
als die, wie die Klimabewegung und die Grünen klarkommen. Für eine | |
Regierungspartei ist es die logische Konsequenz, in einem | |
Spannungsverhältnis zu einer Bürgerbewegung zu stehen. | |
Die Spannung haben Sie aber auch innerhalb der Partei. Grüne Beschlüsse in | |
der Regierung, grüner Polizeipräsident setzt sie durch – gegen Grüne Jugend | |
im Widerstand? | |
Das zeigt nur, wie weit wir gesellschaftlich verankert sind. | |
Die romantische Illusion gibt es bei manchen immer noch, in der Opposition | |
moralisch unantastbar zu bleiben und dabei den größeren Unterschied machen | |
zu können? | |
Nein. Die Partei will regieren. Das ist ganz anders als in einer Zeit, die | |
ich noch eher aus der Halbdistanz beobachtet habe. Damals hieß es: In der | |
Regierung muss man so schwierige Entscheidungen treffen. Gehen wir lieber | |
raus. Heute heißt es: Geht es nicht schneller? Kann man nicht mehr | |
umsetzen? Gibt es nicht machtpolitische Hebel, die wir noch nicht gezogen | |
haben? Ich finde das gut. | |
Einige Grüne finden, Sie sollten in der Regierung mehr Konfrontation wagen, | |
härter verhandeln. | |
Wenn ich an den Verkehrsbereich und das Klimaschutz-Sofortprogramm denke: | |
Weil wir so hart verhandeln, gibt es noch keine Lösung. Das | |
Planungsbeschleunigungsgesetz ist im Koalitionsausschuss, weil auf dem | |
Verhandlungswege keine Einigung erzielt werden konnte. | |
[14][Im Koalitionsausschuss gab es bisher keine Einigung mit den | |
FDP-Ministern Lindner und Wissing.] Letzterer will in ein | |
Planungsbeschleunigungsgesetz auch den Bau von Autobahnen reinnehmen. Sie | |
werden nicht klein beigeben? | |
Es ist enorm wichtig, bestimmte Dinge schneller zu planen, zu bauen und zu | |
genehmigen – bei der Bahn, beim Ersatz von maroden Brücken. Es dauert | |
vieles schon sehr lange in Deutschland. Aber was nicht geht, ist, im | |
Verkehr, wo wir eine riesige Klimaschutzlücke haben, jetzt erst mal alle | |
Autobahnen schneller zu bauen. Und wir müssen priorisieren, allein schon | |
wegen der Kapazitäten. | |
Warum haben die Grünen bei der Regierungsbildung auf das | |
Verkehrsministerium verzichtet? | |
Wir haben nicht verzichtet, wir haben es nicht bekommen. | |
Und mehr Druck auf Wissing soll wirklich nicht möglich sein? | |
Es liegt nicht am mangelnden Druck. Wir brauchen in der Regierung halt | |
Einstimmigkeit. Es gibt keine Kampfabstimmung im Kabinett. Die Dinge werden | |
vorher geeint oder sie werden nicht beschlossen. Insofern braucht man | |
Beharrlichkeit in der Überzeugungsarbeit. Und man spürt ja, dass sich auch | |
gesellschaftlich die Vorstellung, wie Mobilität aussieht, verändert. | |
Jetzt kriegt die Gesellschaft wieder den Ball zurückgespielt? | |
Es ist es ja längst nicht mehr so, dass bei jungen Menschen der Wunsch nach | |
dem eigenen Auto ganz oben steht. Carsharing ist nichts Exotisches mehr. In | |
der Gesellschaft gibt es Bewegung, politisch arbeiten wir dran. | |
Von uns Bürgerinnen und Bürger sind Sie ja schwer begeistert. Was wir in | |
der Krise für tolle Sachen machen und „dass wir zusammen Großes erreichen | |
können, wenn wir uns anstrengen“… | |
… Das Land hat im vierten Quartal des letzten Jahres 22 Prozent Energie | |
eingespart. Ich weiß von vielen Leuten, die die Heizung runtergedreht, auf | |
Komfort verzichtet haben. Natürlich weiß ich auch von sehr vielen, die im | |
letzten Herbst gelitten haben, die schiere Existenzangst hatten, vor der | |
Höhe der Heiz- und Stromkosten, vor der Pleite ihres Unternehmens. Und | |
trotzdem steht die demokratische Mitte, und wir sind hier in Deutschland | |
bereit, bis auf wenige Trolle von Putin, die Ukraine weiter zu unterstützen | |
und haben nicht vergessen, dass Putin uns diese Gemengelage eingebrockt | |
hat. Ich finde, das ist eine große gesellschaftliche Leistung. | |
Na ja. | |
Wenn jemand meint, er kann auch mehr tun: Go for it. Aber insgesamt? Sind | |
viele Dinge gut gelaufen. | |
Ein Grund, warum die große Krise ausbleibt, sind die hohen Temperaturen im | |
Winter. Die Erderwärmung sei für die Weltwirtschaft 2023 eine gute Sache, | |
sagt der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. | |
So zynisch will ich nicht denken, und es ist auch nicht richtig. Aber es | |
wird erkennbar wärmer, global, überall. Die Bilder von Skiliften in den | |
Alpen mit grünen Wiesen sind ja ikonisch bitter, und alles spricht dafür, | |
dass die Erderwärmung schneller voranschreitet, als es bisher | |
wissenschaftlich angenommen wurde. Das ist ein schlimmer Befund. Und ein | |
Grund mehr, in der Regierung dagegen anzuarbeiten. Und da komme ich wieder | |
zum Anfang: Entscheidend ist Entschlossenheit im Handeln und so etwas | |
altmodisches wie Disziplin. | |
Sie haben gerade den [15][Jahreswirtschaftsbericht für 2023] vorgestellt. | |
Die Notwendigkeit von Wachstum zum Erhalt von Wohlstand, Sozialstaat und so | |
weiter und die planetarische Zerstörung durch fossiles Wachstum laufen | |
weiter nebeneinander her. | |
Nein. Wir vollziehen gerade eine Kursänderung. Es geht nicht mehr um ein | |
blindes Wachstum. Sondern darum, gezielt Investitionen – private und | |
staatliche – in den Aufbau einer grünen Wirtschaft zu lenken. In | |
klimafreundliche Innovationen. Wir nennen das transformative | |
Angebotspolitik. | |
Im Moment ist nicht mal ein Tempolimit durchsetzbar. Wie soll in der | |
Realität der große Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft vorankommen? | |
Als Erstes sollten wir mal das Rumnölen sein lassen, das Lamento, was alles | |
nicht geht. Sondern sehen, was alles möglich werden kann. Wir sind | |
mittendrin im Umbau. Unternehmen sind bereit, in den Aufbau von | |
Wasserstoffkraftwerken zu investieren, in klimafreundliche Produktion, | |
überall wird geforscht und getüftelt. Zigtausende bauen Wärmepumpen ein, | |
setzen Solaranlagen aufs Dach. Es gibt Dynamik, Deutschland kann was. Das | |
ist der Geist, den wir brauchen. | |
Ein Teil der Wissenschaft sieht den einzigen Weg in eine ordentliche | |
Zukunft in weniger Wachstum, Fachausdruck Degrowth. Wir haben mal im | |
Organigramm Ihres Ministeriums geschaut: Es gibt keine Degrowth-Abteilung. | |
Nein, die gibt es nicht. | |
Es gibt als Zukunftspfad nur den Green New Deal, also die Hoffnung auf eine | |
gelingende Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum? | |
Ein nicht qualifizierter Wachstumsindikator ist blind für die eigentliche | |
Realität der Gesellschaft. Das Bruttoinlandsprodukt BIP setzt sich zusammen | |
aus allen verkauften Gütern und Dienstleistungen des Landes. Mehr Bildung, | |
mehr Bildungsausgaben, mehr Gesundheit, mehr Kultur: Das würde ich als | |
gutes Wachstum bezeichnen. Wenn Leute ihr Haus sanieren und damit die | |
CO2-Emissionen senken, also Baustoffe verwenden und Handwerker dort | |
arbeiten, ist das eine gute Form von Wachstum. Produzieren wir | |
Einwegplastik, als gäbe es kein Morgen, und schmeißen das in die Welt, dann | |
sind das die falschen Güter. Von Ersteren brauchen wir mehr, von Zweiteren | |
weniger. | |
Und nun die V-Frage: Geht der Wandel ohne Verzicht? | |
Die pauschale Frage trifft es nicht. Wir brauchen eine qualitative | |
Veränderung. Die Märkte müssen bessere und ökologisch werthaltigere | |
Produkte nach vorne bringen. Das ist sozialökologische Transformation. | |
Daran arbeiten wir. | |
Also kein Degrowth in Deutschland? | |
Kein Degrowth, aber jede Menge Transformation. | |
27 Jan 2023 | |
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