| # taz.de -- Grüne gegen Ampel-Partner: Wir brauchen einen Klimakanzler | |
| > Robert Habeck sagt kurzgefasst: Was wir als Regierung abliefern, reicht | |
| > nicht. Darf der das? Er musste. Es war dem Ernst der Lage angemessen. | |
| Bild: Sieht die Zukunft davonschwimmen: Wirtschaftminister Habeck am Freitag zu… | |
| Bei allen Errungenschaften haben wir Deutschen eines bisher nicht | |
| hingekriegt: eine Klimakanzlerin oder einen Klimakanzler, die/der | |
| zeitgemäße Wirtschafts- und Klimapolitik von der Spitze der Regierung aus | |
| vorantreibt und erklärt. Immerhin gibt es seit der letzten Wahl erstmals | |
| einen Vizekanzler, der das im Rahmen dessen macht, was die Weltlage und die | |
| Koalition von SPD, Grünen und FDP zulässt. | |
| Letzteres ist aus seiner Sicht eindeutig nicht genug, wie man Robert | |
| Habecks spontaner Rede an die Nation entnehmen konnte, die er diese Woche | |
| im Rahmen eines längeren [1][Fernsehinterviews] gehalten hat. | |
| Kurzzusammenfassung: Was wir als Regierung abliefern, reicht nicht. Wir | |
| müssen uns ändern. Nun gibt es allerlei Ablenkungsdiskurse, etwa | |
| Stilfragen. Darf der das? Ich würde sagen: Er musste. Es war dem Ernst der | |
| Lage angemessen. | |
| Habeck hat [2][vor dem Koalitionsausschuss] am Sonntag den Vorhang | |
| weggezogen und offengelegt, wie es in der Koalition läuft und warum es aus | |
| seiner Sicht derzeit nicht mehr läuft. Weil jeder sein Süppchen kocht. Und | |
| dass er das sooo nicht mehr mitmachen will. Das richtete sich sowohl an die | |
| in der Regierung, denen alles zu viel ist, als auch an die in der eigenen | |
| Fraktion, denen alles zu wenig ist. Vermutlich auch an sich selbst, der er | |
| ansonsten als geduldiger Ausbalancierer der heterogenen | |
| Koalitionsinteressen agiert. | |
| Vor allem aber, meine Deutung, richtete es sich an die Leute, also an uns. | |
| Die Frage, die der Vizekanzler unausgesprochen in den Raum gestellt hat: | |
| Worum geht es der Mehrheitsgesellschaft: Um Zukunftssicherung des | |
| Verbrenners und der Ölheizung? | |
| ## Realität ist kein Schimpfwort | |
| Nun ist in der medialen Öffentlichkeit der Eindruck vorherrschend, es | |
| handele sich bei Klimapolitik um ein Duell zwischen den Grünen (die wollen | |
| was ändern) und der FDP (die wollen davor bewahren). Da muss man die SPD | |
| loben (uns Medien eher weniger), dass sie es strategisch-kommunikativ | |
| geschafft hat, Christian Lindner und Volker Wissing für ihre Zwecke zu | |
| instrumentalisieren. | |
| Die SPD ist – wie man diese Woche hören konnte – eine ultrakonservative Ö… | |
| und Gasheizungseinbau-Partei, der Kanzler will von seinen Rentnern | |
| wiedergewählt werden, in dem er eben keine neue Wirtschafts- und | |
| Klimapolitik zulässt. Und diese Apathie gegenüber der Zukunft, den | |
| eskalierenden Krisen und dem Pariser Klimaabkommen soll als „soziale | |
| Gerechtigkeit“ verkauft werden. | |
| Die entscheidende Frage wird also sein, wie viele Leute es der SPD hoch | |
| anrechnen, dass sie Zukunft als „Gedöns“ einstuft und wir – wie im Land | |
| Berlin – auf eine große Anti-Klima-Koalition zutaumeln. Oder ob es nach dem | |
| brutalen Scheitern der fossilen Abhängigkeitsstrategie von Union und SPD | |
| gelingt, den 20. Jahrhundert-Spin zu beenden, „Klima“ sei parteipolitisch | |
| ein Hobby der Grünen und nicht die Grundlage für Wohlstand und | |
| Sozialstaat. | |
| Realpolitik im Sinne von Politik auf Höhe der Realität ist kein | |
| Schimpfwort, sondern State of the Art. Dafür braucht es eine verlässliche | |
| parlamentarische Mehrheit, also am besten demnächst zwei mittelgroße | |
| Parteien, die sich darauf verständigen und dafür gewählt werden. Die sich, | |
| wegen mir, in der Gesellschaftspolitik streiten, dass es scheppert, aber | |
| die essenzielle Zukunftshardware (EU-, Geo-, Wirtschafts- und Klimapolitik) | |
| zusammen entwickeln. | |
| Nun wird man zischen: Welche zwei Parteien sollten das denn sein? Tja: | |
| Dafür kann man sich jetzt bewerben. In der Regierung. Oder in der | |
| Opposition. | |
| Ob Grüne, CDU oder SPD: Der nächste Kanzler muss ein Wirtschafts- und | |
| Klimakanzler sein. | |
| 26 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1172145.html | |
| [2] /Streit-in-der-Ampel/!5923953 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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