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# taz.de -- Immobilieninvestoren in Großstädten: Warum steht meine Wohnung le…
> Vor anderthalb Jahren musste unser Autor aus seiner Wohnung in einem
> beliebten Berliner Stadtteil. Seitdem steht sie leer. Wie kann das sein?
Bild: …unser Autor kurz vor dem Auszug aus seiner WG im Frühjahr 2017
Sie suchen eine Wohnung in Berlin oder kennen jemanden, der das tut? Dann
wüsste ich was. Fünf Zimmer, Küche, Bad, 142,59 Quadratmeter im zweiten
Obergeschoss. Eine hübsche Altbauwohnung, Parkettboden, Stuck, Balkon. Ich
kenne die Wohnung ziemlich gut, ich habe darin einige Jahre gewohnt.
Doch das Problem ist: Die Wohnung ist gar nicht zu mieten, obwohl sie seit
anderthalb Jahren leer steht. Damals mussten wir mit der WG ausziehen.
Und es ist nicht die einzige Wohnung, die in diesem Haus in Nordneukölln
leer steht, es sind mindestens sechs. Eine davon schon mehr als zweieinhalb
Jahre. Wie kann das sein, wo doch derzeit in Berlin so viel über fehlenden
Wohnraum geklagt wird? Ist das nicht sogar illegal, weil Leerstand
Zweckentfremdung ist, wie das Gesetz sagt?
Kottbusser Damm, Ecke Sanderstraße, in Wohnungsanzeigen wird die Gegend
gern „Kreuzkölln“ genannt, weil das nicht nach dem Problembezirk klingt,
der noch in manchen Köpfen herumspukt. Den Namen mögen nicht alle, weil
sich das reichere Kreuzberg sprachlich in das ärmere Neukölln hineinfrisst.
Gentrifizierung.
Aber am Anfang ist Gentrifizierung ja toll. Altbauwohnungen, die groß sind,
und trotzdem bezahlbar; Cafés, in denen man auch mal einen Tag rumhängen
kann, weil es WLAN gibt zum Arbeiten; der Imbiss mit Burritos, die
schmecken wie in Mexiko, nur vegetarisch. Und trotzdem können auch die noch
hier leben, die hier schon immer lebten, mit ihren Schneidereien,
Bäckereien und Sportbars.
## Das Haus wird aufgewertet
Hier zu wohnen war ziemlich großartig. Der Edeka war gleich nebenan, wenn
man eine Kneipe brauchte, hatte im Zweifel gerade eine neue aufgemacht. Bei
den WG-Partys vibrierte der Boden, und es beschwerte sich niemand. Dass wir
dann ausziehen mussten, war schade, aber immerhin noch formal korrekt.
Die beiden Hauptmieter zogen aus, und eigentlich sollten wir einen neuen
Mietvertrag bekommen. Aber der neue Eigentümer ließ ausrichten: Nein und
tschüss. Schnell war klar: Umziehen ist in Berlin ziemlich schwierig
geworden. Es gibt wenige Wohnungen auf dem Markt, und wenn es sie gibt,
sind sie angeblich immer „umfassend modernisiert“ und damit teuer, weil
eine umfassende Modernisierung die Mietpreisbremse außer Kraft setzt.
In München, Frankfurt oder Düsseldorf mögen die Mieten noch höher sein,
aber nirgendwo steigen sie so rasant wie in Berlin, wo die Menschen zudem
im Schnitt weniger verdienen. Die Wohnungsfrage stellt sich wohl nirgendwo
so dringend wie hier.
Frühjahr 2017. Beim Übergabetermin treffe ich die Frau von der
Hausverwaltung, nennen wir sie Frau Müller, zum ersten Mal persönlich.
Kurze Haare, forsch, aber freundlich, an ihrem Block klemmt ein goldener
Kugelschreiber.
Warum wir jetzt doch keinen neuen Vertrag bekommen? Der neue Eigentümer
wolle die Wohnung leer haben, sagt sie, was dann passiere, wisse sie nicht.
Und warum steht die Wohnung unter uns schon seit einem Jahr leer, obwohl
sie frisch renoviert wurde? „Wir hatten mehrere Interessenten da, aber der
Eigentümer hat da andere Vorstellungen“, sagt sie. „Das waren oft WGs. WGs
sind eher schwierig, da gibt es viele Umzüge.“ Es geht also um die
Aufwertung des Hauses? Sie lächelt.
„Die Fenster werden auf jeden Fall gemacht“, sagt sie, „da haben wir schon
Angebote eingeholt.“ Es dauere dann so zwei Monate, bis bei der Renovierung
die Gewerke durch seien. Sanitär, Wände, Boden. Den Boden mache man immer
am Schluss.
In den Monaten danach bin ich ab und an mit dem Fahrrad am Haus
vorbeigefahren. Ein bisschen wehmütig und zunehmend wütend. Die Fenster der
Wohnung wurden nicht gemacht. Auch sonst: nichts. Wurde unsere Wohnung zu
einem Spekulationsobjekt?
Dass sie leer steht, ist auch den Nachbarn aufgefallen. Es sei nicht die
einzige im Haus, erzählt mir einer, es würden immer mehr. Sie haben das dem
Bezirksamt gemeldet, Zweckentfremdung. Passiert ist erst mal: nichts.
Zwei aus einer der WGs im Haus werfen Zettel in alle Briefkästen. „Wir
befürchten Schlechtes“, steht darauf. “ Die Briefkastenfirma „Berlin
Project-4 Property III S.à.r.l.“ dürfte eher nicht als freundlicher
Hauswart auftreten. Wir müssen wohl damit rechnen, dass die neuen
Eigentümer möglichst hohen Profit aus der Immobilie ziehen wollen.“
Über den Mailverteiler, den sie einrichten, schreibt jemand von seiner
Angst, die Wohnung zu verlieren: „Wo soll man sich in diesem Kiez auch
sonst noch was leisten können!??“ Eine andere berichtet von einer
sechsköpfigen Familie, die auf die Frage, ob sie nicht in eine der
größeren, leerstehenden Wohnungen umziehen könnte, nur gehört habe: Nein.
„Wir müssen zusammenstehen“, schreibt einer der Bewohner.
Zusammenstehen, aber gegen wen? Über den neuen Eigentümer wissen sie nicht
viel mehr, als dass er einen seltsamen Namen hat und eine Adresse in
Luxemburg.
Ich muss mich eine Weile durch das Luxemburger Handelsregister klicken, bis
die Firmenkonstruktion klar wird. Es sind mehrere Unternehmen registriert,
die fast so heißen wie der neue Eigentümer, nur mit einer anderen Nummer, 1
bis 5, und jede hat eines oder mehrere Mietshäuser gekauft. Alle fünf
Firmen gehören einer Holding, die wiederum – neben anderen Gesellschaften –
einem Immobilienfonds gehört, der von einer Firma gemanagt wird, die
ihren Sitz ebenso in Luxemburg hat und Büros in mehreren Städten. Eines
befindet sich am Berliner Kurfürstendamm.
Dass Firmen gegründet werden, um Immobilien zu kaufen, ist ein beliebtes
Vorgehen, um bei einem späteren Verkauf die Grundsteuer sparen zu können,
finde ich heraus. In Luxemburg sitzen die Firmen gern, weil dort Fonds
nicht so streng reguliert werden und es zudem viele Möglichkeiten gibt,
weniger Steuern zu zahlen als in anderen Ländern der EU.
## 10 Prozent Rendite im Jahr
Der Immobilienfonds, dem unser Haus nun gehört, heißt „Optimum Evolution
Fund SIF – Property III“, so steht es in den Unterlagen. Es handelt sich um
einen geschlossenen Fonds: Die Kapitalgeber zeichnen einmalig Anteile, er
wird dann einige Jahre bewirtschaftet, bevor die Häuser wieder verkauft
werden. Er richtet sich an Großanleger, an Pensionsfonds,
Versicherungskonzerne, Banken. 173 Millionen Euro Kapital hat Optimum von
den Anlegern eingesammelt und etwa dieselbe Summe noch mal als Bankkredit
aufgenommen. Und mit diesem Geld gingen sie dann einkaufen.
Es reichte für 30 Gebäude, die meisten in Berlin, ein bisschen Gewerbe,
viele Wohnungen, 1.904 Einheiten insgesamt, gut 137.000 Quadratmeter.
Optimum wolle „Vermögenswerte erwerben, bei denen wir die Kapitalrendite
maximieren können“ – so heißt es auf der Webseite. Aha. Aber wie?
Dazu steht etwas in einem Geschäftsbericht: Die Miete der bestehenden
Verträge soll erhöht werden und neue Mietverträge würden dazu beitragen,
„den gegenwärtigen Netto-Mieteinnahmen einen Auftrieb zu verpassen und das
Risiko möglicher Mietausstände zu reduzieren“.
Die Miete erhöhen, möglichst neue Mieter, den Wert der Gebäude steigern –
und natürlich den Gewinn. Kapitalgeber des Fonds können eine Rendite von 10
Prozent im Jahr erwarten. Eine solche hat die Firma erreicht, als sie vor
einiger Zeit den ersten Subfonds verkaufte. Optimum will auch für die
eigenen Leute das Optimum herausholen: Die Fondsmanager dürfen sich auf
eine Gewinnbeteiligung von 20 Prozent freuen.
„10 Prozent Rendite im Jahr sind für einen geschlossenen Immobilienfonds
eine sehr hohe Erwartung“, erklärt mir der Fondsexperte Stephan Lopfinger
am Telefon. „Um eine solche Wertsteigerung zu schaffen, muss ich aggressiv
rangehen“, sagt er. „Wenn Sie jemanden rausekeln, der 20 Jahre dort gewohnt
hat, dann haben Sie eine deutliche Wertsteigerung.“ Und aus Investorensicht
mache es durchaus Sinn, ein Gebäude ganz leer zu bekommen. Dann lässt es
sich komplett neu entwickeln, fast wie ein Neubau. Ist das also der Plan?
Einer der Manager der Luxemburger S.à.r.l., der nun meine alte Wohnung
gehört, ist gleichzeitig der Gründer und CEO der Optimum Asset Management
S.A., die den Fonds managt. Ihr Gesamtportfolio hat einen Wert von rund 1,4
Milliarden Euro. Alberto Matta heißt er, gebürtiger Italiener, wohnhaft in
London. Wenn man ihn googelt, blickt einem ein freundlich wirkender Mann
entgegen, mal mit gräulichem Vollbart, mal ohne.
Ich schreibe ihm eine E-Mail, in der ich die leerstehenden Wohnungen
erwähne und mich erkundige, was seine Firma mit dem Haus vorhat. Ich will
wissen, wie sie solch eine hohe Rendite erwirtschaften wollen, und ich
frage ihn: Kümmert es Sie, was den Menschen geschieht, die in den Gebäuden
im Eigentum Ihres Fonds wohnen? Oder kümmern Sie nur die Zahlen und Profit?
Nach ein paar Tagen antwortet er: „Ich bin sehr traurig von Ihren negativen
Erfahrungen zu hören.“ Er verspricht, sich den Fall anzuschauen und weist
darauf hin, dass das Alltagsgeschäft von einer Hausverwaltung erledigt
werde, die dies „in Übereinstimmung mit den lokalen Gesetzen und
Vorschriften“ tue.
Ich verabrede mich mit Frau Beck, sie wohnte genau ein Stockwerk über uns,
und sie wohnt da immer noch. „Ach, damit muss ich mich gerade viel zu viel
beschäftigen“, sagt sie schon am Telefon. „Ich dachte, ich habe einen
gemütlichen Ruhestand. Aber klar, kommen Sie gerne vorbei.“
Inzwischen ist es Anfang Oktober. Frau Becks Wohnung ist fast genauso
geschnitten wie unsere, nur das Bad ist ein bisschen kleiner und alles
voller, Sofa, Sessel, Regale. Frau Beck wohnt hier allein.
## Mit 69 muss sie um die Wohnung kämpfen
Sie ist in diesem Haus aufgewachsen, auf der anderen Seite des Innenhofs
hat sie die ersten 20 Jahre ihres Lebens verbracht. Später, 1983,
inzwischen hatte sie sich entschieden Grundschullehrerin zu werden, zog sie
wieder ins Haus, für eine Monatsmiete von 522 Mark. In der Wohnung waren
damals nicht einmal Türen.
Zuletzt ist ihre Miete auf 683 Euro gestiegen. Wir haben für unsere Wohnung
fast doppelt so viel bezahlt. Dann bekam sie vom neuen Eigentümer Post: Sie
muss jetzt rund 100 Euro mehr bezahlen. Und dann ist da noch das Problem
mit den Nebenkosten, die auch plötzlich deutlich erhöht wurden. Da kümmert
sich der junge Nachbar drum, er hat für viele Mieter gemeinsam Einspruch
eingelegt.
„Jetzt habe ich schon Angst, dass es so eine Firma ist“, sagt sie. Eine
Firma, die Mieter raus haben will. Allein der Lärm aus der Wohnung unter
ihr hat sie schon genervt. Seit einer Weile sind dort Handwerker zugange,
erfahre ich jetzt. Beim Mieterverein habe man ihr geraten, schon mal was
anderes zu suchen. „Aber ich wüsste gar nicht, wo ich hinziehen sollte“,
sagt Frau Beck leise, und man sieht ihr an, wie sie im Kopf gerade
ernsthaft ein paar Möglichkeiten durchgeht.
Im Kiez gibt es nichts Vergleichbares, selbst eine deutlich kleinere
Wohnung wäre teurer. Charlottenburg: wäre auch zu teuer. Spandau: keine
Lust drauf. Das weitere Umland: zu provinziell. Umziehen: unmöglich. Dass
sie mit 69 Jahren noch mal um ihre Wohnung kämpfen muss, hätte Frau Beck
nicht gedacht.
„Angst? Ja, natürlich habe ich Angst“, sagt ein anderer Nachbar, der seit
mehr als 40 Jahren im Haus wohnt. „Die sind ja kreativ.“ Aber er kennt
seine Rechte.
Gern denkt er daran zurück, als es noch einen Hausmeister gab, der im Haus
wohnte und zum Beispiel die Heizung gleich reparierte, wenn sie kaputt
ging. Die funktioniert im Moment nämlich nicht, der Druck reicht nicht fürs
oberste Stockwerk, wo die Kälte durchs schlecht isolierte Dach reinzieht.
Er überlegt, ob es vielleicht Absicht ist. Mieter rausekeln. Wahrscheinlich
aber liegt es schlicht daran, „dass in all den Jahren nichts investiert
wurde“.
## Nicht alle Investoren sind böse
Und trotzdem hat der alte Eigentümer mit dem Verkauf des Hauses richtig
viel Geld gemacht, wie ich im Amtsgericht Neukölln in den Grundbuchakten
nachlese. 2006 kaufte die Harel Grundstücks GmbH & Co. KG, die zu einer
israelischen Immobiliengesellschaft gehört, das Gebäude für 3,3 Millionen
Euro. Beim Verkauf an den Luxemburger Fonds bekam sie gut 13 Millionen Euro
dafür. Der Wert hat sich in zehn Jahren vervierfacht.
Jochen Biedermann findet so etwas absurd. In seinem Büro im dritten Stock
des Rathauses Neukölln gießt er sich Früchtetee ein. Um das Thema Wohnen
und Mieten hatte er sich schon vorher als Bezirksverordneter der Grünen
gekümmert. Seit zwei Jahren ist Biedermann als Bezirksstadtrat dafür
zuständig.
Berlin-Neukölln will jetzt alle Regeln ausnutzen, die es gibt. In den so
genannten Milieuschutzgebieten versucht das Bezirksamt bei jedem Verkauf zu
prüfen, ob der Bezirk sein Vorkaufsrecht wahrnimmt. Die Leute, die im Kiez
wohnen, sollen wohnen bleiben. Ein Kampf gegen die Gentrifizierung.
Nicht alle Investoren seien böse, sagt Biedermann. Aber kann ein Investor
gut sein, der 10 Prozent Rendite machen will? Der Stadtrat lacht kurz auf.
„Nein, aus meiner Sicht nein“, sagt er. „Da liegt der Verdacht nahe, dass
sie nichts Gutes im Schilde führen.“
Da hat Neuköllns Mieter jetzt also einen Robin Hood im Amt, und trotzdem
ist es möglich, dass Wohnungen so lange leer stehen? Die Dauer, ab wann
Leerstand als Zweckentfremdung gilt, hat die rot-rot-grüne Koalition gerade
erst von sechs auf drei Monate verkürzt.
Im konkreten Fall wurde ein Verfahren eingeleitet, bestätigt Biedermann.
Der Eigentümer habe daraufhin Anträge auf Leerstandsgenehmigung gestellt,
die abgelehnt worden. Warum hat der Prozess so lange gedauert? Zu wenig
Personal, sagt Biedermann, kein Außendienst: „Es ist mühsam.“ Im April 20…
hat der Eigentümer einen Antrag auf Sanierung gestellt, der wurde zunächst
abgelehnt, weil zu unkonkret.
## Keine Waffengleichheit
Es sei gar nicht das Entscheidende, dass am Ende ein Bußgeld verhängt wird,
sagt Biedermann. Wichtiger sei, dass die Wohnung schnellstmöglich dem Markt
wieder zur Verfügung stehe. „Der Verfolgungsdruck muss so hoch werden,
damit Investoren merken, sie können nicht auf Zeit spielen.“
Und wer sitzt bisher am längeren Hebel, frage ich. „Ich finde es schon oft
frustrierend, weil es keine Waffengleichheit gibt“, antwortet er. Und
trotzdem: Die Investoren hätten langsam verstanden, dass der Bezirk
inzwischen genau hinschaut. So war es offenbar am Ende auch in meiner alten
Wohnung. „Die wurden ja vom Amt angetrieben, überhaupt was zu machen“, sagt
ein Handwerker, den ich zufällig treffe.
Ich erkenne sie kaum wieder. Das Parkett ist rausgerissen, auf Wänden und
Türen glänzt teilweise frische Farbe, neue Stromkabel wurden verlegt. Dort,
wo unser Bad war, ist jetzt nur noch Schutt und ein Abwasserfallrohr mitten
im Raum. Die Wände zur Küche und zum Flur wurden eingerissen, Holzbalken
ausgetauscht.
„Die vermieten die Wohnung dann bestimmt für 1.800 Euro“, sagt der
Handwerker. Das wären mehr als 12 Euro pro Quadratmeter, das Doppelte der
ortsüblichen Vergleichsmiete. „Das können sich doch nur so zugezogene
Yuppie-Paare leisten.“ Es sieht ganz danach aus, als läute meine alte
Wohnung die Phase der Gentrifizierung ein, die nicht mehr so schön ist.
Aber es dauert alles noch ein bisschen, denn der Eigentümer und das
Bezirksamt streiten darüber, in welcher Größe das Bad wiederaufgebaut
werden darf. Im exakt selben Grundriss, wie es der Milieuschutz eigentlich
vorsieht oder doch ein bisschen größer.
Auch in der Wohnung im ersten Stock sind gerade Handwerker beschäftigt.
Seltsam. 2016 war sie doch kurzzeitig auf dem Markt, für 1.368 Euro pro
Monat. Ich rufe Frau Müller von der Hausverwaltung an. „Ja, die Wohnung im
ersten Stock wird jetzt auch modernisiert“, sagt sie. Aber sie war doch
schon renoviert worden, vor zweieinhalb Jahren? – „Die konnten wir so nicht
vermieten.“ Das ist schwer vorstellbar bei der Nachfrage. Außer: Der
Mietpreis wurde noch mal deutlich erhöht. Oder die Menschen, die die
Wohnung gern mieten wollten, passten dem Eigentümer nicht.
## 15 Euro pro Quadratmeter
Aber wen will dieser Immobilienfonds haben? Und wollen solche Menschen hier
überhaupt einziehen? Es ist hier ja nicht alles wie Bullerbü. Der Autolärm,
der Dreck auf dem Gehweg, die Junkie-Frau, die sich im Winter manchmal ins
Treppenhaus schleppte, die jungen Männer, die sich hin und wieder vor dem
Spätkauf unten in Haus zofften, einmal so heftig, dass sich der Streit zu
einer Massenschlägerei entwickelte, die von der Polizei beendet werden
musste. Das Loch in der Fensterscheibe, weil jemand eine Katzenfutterdose
dagegen geworfen hatte.
Ich fand das alles nicht so tragisch und dachte mir immer, das hilft, damit
es mit der Gentrifizierung nicht zu weit geht. Aber wer 12 Euro Miete pro
Quadratmeter zahlt, will womöglich nicht, dass sein Fenster mit einer
Katzenfutterdose eingeworfen wird.
Der Investor müsse eher eine Durchschnittsmiete von 15 Euro ansetzen, um
die gewünschte Rendite zu erzielen, rechnet Christoph Trautvetter vom
Netzwerk Steuergerechtigkeit vor. Andernfalls sei sie höchstens zu
schaffen, wenn die Verkaufspreise für Mietimmobilien weiter nach oben
schnellen. „Wenn in zehn Jahren Häuser für 4.500 Euro pro Quadratmeter
verkauft werden, dann klappt das mit den 10 Prozent Rendite schon eher.“
Die Gebäude, die der Optimum-Fonds aufgekauft hat, sind bis Ende 2017 schon
deutlich im Wert gestiegen: um 13,8 Prozent. Diese Bewertung hat der Fonds
selbst veröffentlicht. Aber ist sie realistisch?
Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten sind Immobilien in Berlin
noch günstig. Bisher werden Mietwohnungen hier selten für mehr als 3.500
Euro pro Quadratmeter verkauft, sagt Trautvetter. Sollen sie teurer werden,
muss der neue Eigentümer die Miete noch mehr erhöhen, um seine Rendite zu
bekommen. Die Frage ist, ob es dann genügend Leute gibt, die das zahlen
können. Trautvetter sieht drei Möglichkeiten: Die Löhne in Berlin steigen
rapide. Es ziehen ganz viele Leute mit Geld in die Stadt. Oder: Die
Investoren verlieren.
Während meine ehemaligen Nachbarn die Sorge nicht loswerden, dass am Ende
doch sie die Verlierer sind und aus dem Haus gedrängt werden, hat sich CEO
Alberto Matta nicht mehr gemeldet. Er hat nicht verraten, was der Fonds
konkret vorhat. Für zwei der leerstehenden Wohnungen wurde bisher noch gar
kein Bauantrag gestellt. Er hat auch die Frage nicht beantwortet, ob er die
Menschen im Blick habe, die in seinen Häusern wohnen, oder nur den Profit.
Seine Firma Optimum Asset Management legt gerade einen neuen
Immobilienfonds auf, „Optimum Evolution Fund SIF – Property IV“. 300
Millionen Euro wollen die Manager einsammeln und sich dieses Mal nicht nur
in Berlin, sondern auch in Köln, Düsseldorf und Hamburg nach Gebäuden
umschauen. Sie seien optimistisch, so haben sie es der Immobilien Zeitung
gesagt, dass sie genügend geeignete Objekte finden werden.
14 Oct 2018
## AUTOREN
Sebastian Erb
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