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# taz.de -- Jürgen Zimmerer über Kolonialismus: „Wir suchen die Handelswege…
> Die Hintergründe der im Kolonialismus geraubten Benin-Bronzen der
> Hamburger Museen erforscht jetzt die Forschungsstelle „Hamburgs
> (post)koloniales Erbe“
Bild: Den Kontext zum Raub u. a. dieser Benin-Bronze wird Jürgen Zimmerers Tea…
taz: Herr Zimmerer, woher stammen die „Benin-Bronzen“; deren Herkunft Sie
mit frisch bewilligten 274.000 Euro erforschen?
Jürgen Zimmerer: Es sind bronzene Köpfe, Reliefs und Tiermotive aus dem
einstigen Königreich Benin – dem heutigen „Benin City“ in Nigeria –,
entstanden in der vorkolonialen Zeit ab dem 16. Jahrhundert. Benin City
wurde 1897 in einer britischen Strafexpedition erobert und dem britischen
Empire einverleibt. Damals wurden Tausende dieser Bronzen geraubt und in
den europäischen Kunsthandel eingespeist.
Wie ist deren Qualität?
Sie sind ästhetisch extrem hochwertig, weswegen sie – sei es im British
Museum, sei es im geplanten Berliner Humboldt-Forum – stets zu den
Kernstücken der Sammlung gehören. Damals lösten sie allerdings eine heftige
Debatte darüber aus, ob sie überhaupt von Afrikanern stammen könnten, die
man bis dato als „geschichts- und kulturlos“ diffamiert hatte. Manche
behaupteten sogar, die frühen portugiesischen Kolonisatoren hätten diese
Bronzen geschaffen.
Kann das sein?
Nein. Es ist ein Hinweis auf kulturelle Höchstleistungen in Afrika, die man
im Zuge des Kolonialismus nicht wahrhaben wollte. Diese Bronzen sind
kulturell enorm wertvoll und auch deshalb interessant, weil sie für
koloniale Raubkunst stehen. In Museen des Globalen Nordens liegen rund
4.000 dieser Skulpturen. Davon befanden sich über 100 zumindest in der
Vergangenheit auch in Hamburg. Drei hatte und hat das Museum für Kunst und
Gewerbe, die übrigen das Museum für Völkerkunde.
Wurden schon Stücke zurückgegeben?
Es gibt Forderungen und Verhandlungen, und Einzelnes wurde zurückgegeben.
Aber generell haben Europas Museen bislang wenig restituiert.
Das Museum für Kunst und Gewerbe hat die Provenienz seiner Benin-Bronzen
bereits erforscht. Was will Ihre Forschungsstelle da noch tun?
Das Museum hat den Weg der Einzelstücke erforscht, die Gründungsdirektor
Justus Brinckmann erwarb und teils weiterverkaufte. Unser Ansatz reicht
aber weiter. Denn niemand weiß bislang genau, wie die Bronzen von
Benin-Stadt über die Küste nach Europa kamen, welche Handelswege es gab und
welche weiter reichenden Netzwerke in Europa.
Sie konzentrieren sich also auf den historischen Kontext.
Ja. Ausgehend von den Bronzen in den Hamburger Museen wollen wir ergründen,
wie dieser Kunsthandel funktionierte. Wie arbeitete Brinckmann mit Berlin
und London zusammen – und spielte er eine große oder kleine Rolle? Welche
Hamburger Reeder waren am Transport beteiligt, welche Auktionshäuser am
Verkauf? Hatten die Akteure ein Unrechtsbewusstsein? All diese Fragen
gehören zu einer erweiterten postkolonialen Provenienzforschung dazu.
Wie genau kooperieren Sie mit den beiden Museen?
Wir sind mit den Häusern im Gespräch, planen eine gemeinsame
Auftaktveranstaltung und werden eng zusammenarbeiten. Das Problem ist ja:
Die Museen haben die Archive und Objekte, aber kein Personal für deren
Aufarbeitung. Deshalb haben die DirektorInnen den Wissenschaftsteil quasi
ausgelagert und gesagt, wir brauchen Kontextforschung. Also haben wir bei
der Gerda-Henkel-Stiftung dieses Projekt mit drei DoktorandInnen beantragt,
von denen zumindest eine(r) aus Nigeria stammt. So wollen wir vermeiden,
einfach den kolonialen Blick zu perpetuieren.
Allerdings läuft die dreijährige Anschubfinanzierung des Hamburger Senats
für Ihre Forschungsstelle im März 2018 aus. Wie geht es dann weiter?
In der Tat hat der Senat noch nicht über den Fortbestand der
Forschungsstelle entschieden. Ich hoffe nicht, dass die Stadt sich in exakt
dem Moment herauszieht, wo wir über Großprojekte wie im Bremer
Überseemuseum oder die Benin-Bronzen zu einem internationalen
Leuchtturmprojekt werden könnten. Diese deutschlandweit einzigartige
Forschungsstelle ausgerechnet in dem Moment zu schließen, wo die Debatte
über das koloniale Erbe des Berliner Humboldt-Forums entbrannt ist und der
Genozid an den Herero und Nama verhandelt wird, wäre ein fatales Signal.
31 Aug 2017
## AUTOREN
Petra Schellen
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Hamburg
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