| # taz.de -- Hamburger Kolonialismus: „Reparationen nötig“ | |
| > Wie kann die Zivilgesellschaft dem kolonialen Vergessen begegnen? Das | |
| > fragt ab Freitag ein Hamburger Kongress, zu dem auch Herero- und | |
| > Nama-Aktivisten anreisen. | |
| Bild: Vertreter der Herero und Nama im Oktober 2017 beim Verfahren gegen die Bu… | |
| HAMBURG taz | Wenn ab Freitag Delegationen der Herero und Nama beim | |
| Kongress „Koloniales Vergessen: Quo vadis, Hamburg“ weilen, geht es nicht | |
| um Verbitterung. Obwohl die natürlich aufkommen kann, wenn die New Yorker | |
| Abordnung sieht, dass es in Hamburg immer noch ein „Lothar von Trotha“-Haus | |
| gibt. Der Generalleutnant hatte 1904 in der damaligen Kolonie | |
| „Deutsch-Südwestafrika“ – heute Namibia – den Völkermord an den Herer… | |
| Nama befohlen. | |
| Auch in der Woermann-Straße, benannt nach dem Chef jener Reederei, die | |
| deutsche „Schutztruppen“ in die Kolonien transportierte, werden sich die | |
| Aktivisten unbehaglich fühlen. Und der Besuch im Universitätskrankenhaus, | |
| wo noch Schädel der Ermordeten lagern, wird hart. | |
| In erster Linie soll es bei der internationalen Konferenz aber um | |
| Information und Austausch gehen. „Die Herero- und Nama-Nachfahren reisen | |
| mit großer Neugier an und wollen sich erst mal ein Bild machen, um dann mit | |
| offiziellen Stellen ins Gespräch zu kommen“, sagt Mit-Organisator Tom | |
| Gläser. | |
| Es ist – nach einem Vorläufer 2016 in Berlin – die zweite Tagung dieser | |
| Art, und den Ort wählte man mit Bedacht: Die Kaufmannsstadt Hamburg war | |
| Haupt-Profiteur des Kolonialismus. Davon zeugen etliche Spuren, unter | |
| anderem mehrere Straßen, die bis heute nach dem Sklavenhändler Heinrich | |
| Schimmelmann benannt sind. | |
| Darum, wie man Hamburgs Stadtraum dekolonisieren und die – schwarze und | |
| weiße – Zivilgesellschaft beteiligen kann, wird es gehen beim Kongress. | |
| „Zukunft hat ein gesellschaftliches Projekt nur, wenn es Akzeptanz in der | |
| breiten Bevölkerung findet“, sagt Gläser. Deshalb sei es wichtig, die | |
| Öffentlichkeit auf dieser – für alle Interessenten offenen – Tagung für … | |
| Thema zu sensibilisieren. | |
| ## Zivilgesellschaft bislang weitgehend ignoriert | |
| Es sei zum Beispiel ein Mythos, dass es keinen Widerstand gegen den | |
| Kolonialismus gegeben habe. „Kolonialverbrechern gewidmete Straßen sollen | |
| nach schwarzen Widerstandskämpfern und Aktivisten benannt werden“, fordert | |
| Millicent Adjei, Leiterin des afrikanischen Bildungszentrums Arca. „Das | |
| kürzlich nach der afrodeutschen Pädagogin und Aktivistin benannte Berliner | |
| May-Ayin-Ufer ist ein gutes Beispiel.“ | |
| Wobei all dies nicht neu ist. Seit vielen Jahren drängt Hamburgs | |
| Zivilgesellschaft – etwa der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial und die | |
| Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland – auf die Entfernung | |
| kolonialismusfreundlicher Spuren. | |
| Gehört wurden sie wenig. Stattdessen hat Hamburgs Senat 2014 die | |
| universitäre Forschungsstelle Hamburgs (post)koloniales Erbe unter Leitung | |
| des Afrikanisten Jürgen Zimmerer eingerichtet und die Finanzierung kürzlich | |
| für weitere drei Jahre genehmigt. Dem will die Tagung keine Konkurrenz | |
| machen, und Zimmerer sitzt auch auf einem der Podien. | |
| Entstanden sei die Forschungsstelle allerdings ohne Einbezug der schwarzen | |
| Community, sagt der Hamburger Pädagogik-Professor Louis Henri Seukwa: „Da | |
| wurde kein Konzept erstellt, sondern das ist eine Navigation à vue.“ Nötig | |
| sei aber ein interdisziplinärer Sonderforschungsbereich, der auch den | |
| Missbrauch von Religion, Erziehung und Sprache durch Kolonialherren | |
| erforsche. | |
| „Außerdem braucht man ein festes Budget, das auch die Partizipation der | |
| Zivilgesellschaft ermöglicht“, sagt Seukwa. Schließlich gehe es um | |
| Versöhnung und die Heilung von Wunden. Und natürlich sei die aktuelle | |
| Konferenz als Ort des Austauschs ein wichtiger Schritt. „Ob daraus eine | |
| neue aktivistische Bewegung entsteht, wird sich zeigen“, sagt Seukwa. | |
| Herero-Aktivist Israel Kaunatjike ist optimistischer: „Die Dinge laufen in | |
| die richtige Richtung“, findet er. „Immerhin hat die Bundesregierung nach | |
| fast dreijährigem Zögern jetzt erstmals einen Anwalt nach New York | |
| geschickt. Dort haben die Herero dagegen geklagt, dass die deutsche und | |
| namibische Regierung nur mit einer kleinen – als nicht repräsentativ | |
| empfundenen – Herero-Gruppe über Reparationen verhandeln. | |
| ## Hamburger Senatsempfang als wichtiges Signal | |
| Die deutsche Taktik, das Gerichtsverfahren zu ignorieren, sei gescheitert. | |
| „Und natürlich muss es irgendwann Reparationen geben“, sagt Kaunatjike. | |
| „Die können aber viele Gesichter haben. Letztlich wollen die Nachfahren der | |
| enteigneten und vertriebenen Herero und Nama ihr Land zurück, auf dem | |
| immernoch deutsche Siedler sitzen.“ | |
| Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg, „und dass Hamburg der Herero- | |
| und Nama-Delegation anlässlich des Kongresses einen Senatsempfang bietet, | |
| ist ein wichtiges Signal“, sagt er. Berlin hatte das noch verweigert. Und | |
| auch wenn auf der Hamburger Konferenz kein Vertreter der Handelskammer | |
| sprechen wird, weil es nicht mehr ins Programm gequetscht werden konnte: | |
| „Wenn sich Hamburg entschuldigte, wäre es ein wichtiges Signal“, sagt | |
| Gläser. „Eine Entschuldigung der Bundesregierung ersetzt das nicht. | |
| 5 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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