| # taz.de -- Hamburgs Proteste gegen Büste halfen: Sklavenhändler abgeräumt | |
| > Hamburgs Schimmelmann-Büste musste 2008, nach nur zwei Jahren, massiven | |
| > Protesten weichen. Als Wohltäter gilt der Sklavenhändler teils bis heute. | |
| Bild: Aus Protest blutrot besprüht: Die Hamburger Schimmelmann-Büste stand nu… | |
| Hamburg taz | Die Löwen sind nur der Anfang. Bullig und sehr weiß liegen | |
| die Skulpturen am Zugang des Hamburg-Wandsbeker Markts, leicht deplatziert | |
| zwischen Busbahnhof und Menschenmassen. Sie sollen Kraft ausstrahlen, dabei | |
| wirken sie wie ein müder Mix aus Hund und Bär. Aber das gibt es öfter in | |
| Europas damaliger Kunst; Maler und Bildhauer hatten ja nie einen Löwen | |
| gesehen. | |
| Auch [1][Heinrich Carl von Schimmelmann] (1724–1782), dem die Vorbilder | |
| dieser Repliken gehörten, war nie in Afrika. Dabei besaß er zeitweilig | |
| 1.000 Versklavte. Wie schwarze Menschen aussehen, wusste er allerdings | |
| schon, hat er sich doch einige Gefangene mitbringen lassen, um sie als | |
| Diener zu beschäftigen oder zu verkaufen. Schließlich galten schwarze | |
| DienerInnen damals als Visitenkarte der Hautevolee. Gern ließ man sich auch | |
| mit ihnen malen – ein zynisches Spiel mit dem Kontrast zwischen Schwarz und | |
| Weiß. | |
| Von Schimmelmann gibt es auch so ein Bild. Seinen Ruf als „Wohltäter von | |
| Wandsbeck“ – das „c“ im Namen ging im 19. Jahrhundert verloren – hat … | |
| nicht geschmälert. Die bis zur [2][Eingemeindung durch die Nazis im Jahr | |
| 1937] selbständige Stadt sei durch ihn reich geworden, lautet eine beliebte | |
| Erzählung: Er habe Armenfürsorge betrieben und niedrige Mieten genommen. | |
| Über die Qualität dieser Wohnräume schweigt die Legende. Jene Löwen, die | |
| die Auffahrt zum längst abgerissenen Schimmelmann-Schloss säumten, reichen | |
| wohl als Beleg für seinen erlesenen Geschmack. | |
| Dabei ehren die Tiere selbst auf dieser lauten Verkehrsinsel noch ihren | |
| einstigen Gebieter: Blendet man den Busbahnhof aus, führt eine gerade Linie | |
| von den Löwen zum [3][Schimmelmann-Mausoleum] gleich gegenüber. Diesen | |
| klassizistisch weißen Kubus mit Kuppel hatte er sich schon zu Lebzeiten | |
| bauen lassen, mit Marmorsarkophagen für sich und seine Frau. | |
| ## Wandsbeks graue Eminenz | |
| Weithin sichtbar, dominiert das Gebäude den Marktplatz bis heute, als sei | |
| die Graue Eminenz noch da, assistiert vom nahbei bestatteten Dichter | |
| Matthias Claudius, Redakteur des [4][Wandsbecker Bothen]. Herausgeber des | |
| literarisch hochkarätigen Blatts war der damals längst reiche Schimmelmann, | |
| Schatzmeister des dänischen Königs. | |
| Dabei war der pommersche Kaufmann zunächst als Kriegsgewinnler zu Geld | |
| gekommen: Im Siebenjährigen Krieg hatte er dem Preußenkönig Friedrich II. | |
| Getreide geliefert und dafür konfisziertes Meißner Porzellan erhalten – | |
| heute würde man es „Raubkunst“ nennen. Dessen Versteigerung war so | |
| einträglich, dass Schimmelmann unter anderem das Ahrensburger Schloss, eine | |
| Zuckerraffinerie, Baumwollwebereien, eine Branntweinbrennerei sowie die | |
| einzige Waffenproduktion Dänemarks kaufen konnte. Dazu vier | |
| [5][Zuckerplantagen auf den „Dänisch-Westindischen Inseln“]. | |
| Jetzt konnte Schimmelmann groß in den „Transatlantischen Dreieckshandel“ | |
| einstiegen: Kattun, Branntwein, Schießpulver und Gewehre tauschte er an | |
| Afrikas Guineaküste gegen Sklaven. Die brachte er – auf martialisch | |
| gesicherten Schiffen – in die Kolonien in Nordamerika und in der Karibik. | |
| Etliche Menschen verkaufte er weiter, andere mussten auf seinen Plantagen | |
| Baumwolle und Zuckerrohr anbauen. Manufakturen in Altona und [6][Flensburg] | |
| verarbeiteten sie später zu Kattun und Rum – für Afrika und den Rest der | |
| Welt. Und fertig war der „Wirtschaftskreislauf“ des größten privaten | |
| Sklavenhändlers seiner Zeit. | |
| Über all dies liest man wenig auf der Schrifttafel am Wandsbeker Mausoleum. | |
| Seinen Reichtum habe Schimmelmann „unter anderem durch Handel mit Kattun, | |
| Gewehren, Zuckerrohr, aber auch mit Menschen als Sklaven“ erlangt, steht da | |
| nur. Wie brutal es auf seinen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. John | |
| zuging, zeigt indes das Strafreglement des „St. John’s Slave Code“: | |
| „Rädern, Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, das Herausreißen von | |
| Fleischstücken mit glühenden Zangen oder die Amputation eines Beins drohten | |
| – ein Repertoire mittelalterlicher Strafen“, sagt die Hamburger Künstlerin | |
| und [7][Aktivistin Hannimari Jokinen.] | |
| ## Waisenkinder webten Baumwolle | |
| Und was die „harmlosere“, da in Altona angesiedelte Kattun-Produktion | |
| betraf: „Dafür mussten Waisenkinder aus Schimmelmanns | |
| Armenfürsorge-Einrichtungen an langen Arbeitstagen Baumwolle und Wolle | |
| weben“, schreibt Hannimari Jokinen in den [8][„Hamburg-Biographien“ der | |
| Landeszentrale für politische Bildung]. | |
| Da irritiert es schon, dass Schimmelmann den Sozialreformer Johann | |
| Friedrich Struensee ebenso schätzte wie die Aufklärer Voltaire und | |
| Montesquieu. Doch auch sie befürworteten die Sklaverei. Aufklärung galt nur | |
| für Europäer. | |
| Aber selbst dort scheint sie nie ganz angekommen zu sein. Hätten sonst | |
| Wandsbeks Bezirksamts-Chef Gerhard Fuchs (CDU) und Kultursenatorin Karin | |
| von Welck (parteilos) 2006 die Installation einer [9][Schimmelmann-Büste] | |
| auf dem Wandsbeker Markt initiiert? Gesponsert von der (inzwischen | |
| insolventen) Hamburger Firma Imtech, stellte man die Bronzebüste der | |
| Fürther Künstlerin Antje Jakob in einen Park direkt vorm Bezirksamt. | |
| Der Protest begann sofort: Monatelang demonstrierten Künstler und Hamburgs | |
| Black Community, bemalten die Büste (blut-)rot, forderten in | |
| Bezirksversammlungen den Abbau. Hannimari Jokinen kuratierte das | |
| Kunstprojekt „wandsbektransformance. Die Gegenwart des Kolonialen“ und lud | |
| KollegInnen ein, in der nahen Schimmelmann-Straße zu arbeiten. | |
| ## Gesprühte „Sklavenschiffe“ | |
| Unter anderem wurden Passanten eingeladen, sich auf die Straße zu legen. | |
| Man umsprayte ihre dicht nebeneinander liegenden Körper, deren Silhouetten | |
| zusammen den Grundriss eines „Sklavenschiffs“ ergaben. „Einige Anwohner | |
| waren interessiert“, berichtet Jokinen. Andere seien aggressiv gewesen und | |
| hätten gesagt, das alles sei doch lange her. | |
| Aber nicht lange genug, um den Protest zu knebeln. Und siehe da, in einer | |
| Augustnacht 2008 verschwand die Büste. Laut Aktenvermerk, so ein | |
| Bezirksamtssprecher, sei die Büste „vom Eigentümer Fa. Imtech | |
| zurückgenommen und an den Künstler zurückgegeben“ worden. Künstlerin Antje | |
| Jakob indes sagt auf taz-Anfrage, sie habe die Büste nicht und wisse nichts | |
| über ihren Verbleib. | |
| Fast könnte man denken, es habe diese Skulptur nie gegeben. Selbst ihren | |
| einstigen Standort wird man zwischen Parkbank und Baumwurzeln vergebens | |
| suchen. | |
| Mehr zu den bis heute prominent in Ehren gehaltenen Profiteuren und | |
| Vorreitern des Kolonialismus lesen Sie in der taz nord an diesem Wochenende | |
| – [10][oder hier]. | |
| 19 Jun 2020 | |
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| [1] /Norddeutsche-Kolonialgeschichte/!5416050 | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9F-Hamburg-Gesetz | |
| [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schimmelmann-Mausoleum.jpg | |
| [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Wandsbecker_Bothe | |
| [5] /Hamburgs-Kolonialgeschichte/!5031841 | |
| [6] /Kuratorin-Tafari-Ama-ueber-Sklaverei/!5416099 | |
| [7] http://www.hamburg-postkolonial.de/rundgaenge18.html | |
| [8] https://www.hamburg.de/kolonialakteure/ | |
| [9] https://www.alwert-film.de/alwert-film-work-politik/36-kontroverse-zum-schi… | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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