| # taz.de -- Simone Dede Ayivi über Denkmäler: „Weg vom Blick auf die Täter… | |
| > Eine Onlinekarte listet Orte mit Kolonialvergangenheit auf. Es brauche | |
| > eine antirassistische Perspektive, sagt Simone Dede Ayivi von der | |
| > Initiative Schwarze Menschen. | |
| Bild: „Der Anspruch ist höher, als nur die Scheiße aufzulisten“, sagt Sim… | |
| taz: Frau Ayivi, Sie haben als [1][Initiative Schwarze Menschen in | |
| Deutschland] zusammen mit dem Peng-Kollektiv [2][eine Karte] | |
| veröffentlicht, auf der Orte, Straßen und Denkmäler verzeichnet sind, die | |
| an Kolonialverbrechen erinnern. Was wollen Sie damit erreichen? | |
| Simone Dede Ayivi: Schon lange arbeiten viele Organisationen am Thema der | |
| kolonialen Spuren im Stadtraum, es gibt künstlerische Projekte genauso wie | |
| Sammlungen über solche Orte in einzelnen Städten. Im Zuge der aktuellen | |
| [3][Denkmalstürze] haben wir beobachtet, wie jetzt immer mehr gefragt wird, | |
| wo stehen diese Dinger in Deutschland. Wir wollen also das Wissen | |
| zusammentragen, ohne vorzugeben, wer die größten Kolonialverbrecher sind. | |
| Und dazu einladen, Orte selbst zu finden und einzutragen. Nach wem ist | |
| meine Straße benannt, was sind das für Männer mit und ohne Pferd, die in | |
| den Innenstädten stehen? Was haben die getan, wofür stehen die? Wir wollen | |
| die Kolonialvergangenheit offenlegen. Der Anspruch ist höher, als nur die | |
| Scheiße aufzulisten. | |
| ## Wie viel haben Sie gefunden? Was sind die häufigsten Namen? | |
| Es sind jetzt schon einige hundert Straßen, Plätze, Denkmäler und Häuser | |
| verzeichnet. Die häufigsten Namen sind Lüderitz und Wissmann. In sehr | |
| vielen Städten gibt es eine Peters-Straße, benannt nach Carl Peters, | |
| Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Das hat mich verwundert, da in | |
| vielen Städten entsprechende Straßen schon umbenannt wurden. Und | |
| Bismarck-Türme sind fast schon eine Denkmalkategorie für sich. | |
| Sollen alle Peters-Straßen umbenannt und Bismarck-Türme abgebaut werden? | |
| Wir fordern, dass sich die Perspektive ändert. Aus der M-Straße soll nicht | |
| einfach nur die Schönste-Berliner-Straße werden, [4][sondern die | |
| Anton-Wilhelm-Amo-Straße] – das war der erste Gelehrte afrikanischer | |
| Herkunft an einer preußischen Universität. Umbenennungen sollen dazu | |
| führen, dass der Widerstand geehrt wird. Wir müssen weg vom Blick auf die | |
| Täter und Kolonialverbrecher hin zu einer antikolonialen und | |
| antirassistischen Perspektive. | |
| Wenn wir eine antirassistische Gesellschaft wollen, müssen wir fragen, wer | |
| sind die Opfer, die wir ehren wollen? Ein leerer Sockel ist ein guter | |
| Schritt, um das herauszufinden. Über diese Leerstellen sollen breite | |
| Diskussionen geführt werden. Dann kann man etwa Künstler*innen vom | |
| afrikanischen Kontinent einladen, die Plätze, auf denen bislang | |
| Kolonialisten gedacht wurde, neu zu gestalten. | |
| Ist die Gesellschaft in der Aufarbeitung von Kolonialverbrechen weiter, als | |
| es die Fülle der Straßennamen und Denkmäler anzeigen? | |
| Nein, das geht ganz gut zusammen. Es gab etwa einen enormen Widerstand im | |
| afrikanischen Viertel in Berlin-Wedding gegen die Straßenumbenennungen. Es | |
| gibt überhaupt kein Bewusstsein für die Gräueltaten, selbst dann nicht, | |
| wenn jemand wie Carl Peters den Beinamen Hänge-Peters hat. Dabei ist die | |
| Ehrung dieser Mörder vor allem für Schwarze Menschen eine Gewalterfahrung | |
| im öffentlichen Raum. Wenn aber selbst so etwas nicht ausreicht, dann ist | |
| der Diskurs einfach noch nicht angekommen. Anderseits ist es aber auch so, | |
| dass uns die sehr harte Arbeit von vielen Organisationen in den vergangenen | |
| 20 Jahren an den Punkt gebracht hat, an dem wir jetzt sind – wo wir laut | |
| und öffentlich unsere Perspektive einfordern und mit so einer Website an | |
| den Start gehen. | |
| Ist jetzt der Moment gekommen, um wirklich die Politik zum Handeln zu | |
| bewegen? | |
| Es ist gerade ein politischer Moment, aber auch ein emotionaler. „Enough | |
| is enough“ muss hier genauso gehört werden wie in den USA. Mit der | |
| Ermordung von George Floyd ist die Stimmung gekippt: Wir wollen nicht mehr | |
| aushandeln, ob die Perspektive von Menschen, die von Rassismus betroffen | |
| sind, wichtig ist. Es muss jetzt gehandelt werden. | |
| Fordern Sie zur Militanz, zum Stürzen von Denkmälern auch hierzulande auf? | |
| Das kommt darauf an, was man unter Militanz versteht. Die Karte ist auf | |
| jeden Fall dafür gedacht, nicht mehr mit geschlossenen Augen vorbeizugehen, | |
| sondern natürlich ein Aufruf zum Handeln. Das kann eine E-Mail an die | |
| Bezirksverordneten sein oder eine Demonstration. Das bleibt alles selbst | |
| überlassen. Und ja, es ist ein wohltuendes Bild, diese Statuen überall | |
| fallen zu sehen. | |
| Die Deutschlandkarte gibt es unter [5][www.tearthisdown.com]. | |
| 25 Jun 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Initiative-Schwarze-Menschen-in-Deutschland/!t5581002/ | |
| [2] https://www.tearthisdown.com/ | |
| [3] /Hamburgs-Proteste-gegen-Bueste-halfen/!5691778 | |
| [4] https://www.change.org/p/der-regierende-b%C3%BCrgermeister-der-stadt-berlin… | |
| [5] http://www.tearthisdown.com | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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