Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dekoloniale Praxis im Kulturbetrieb: Manches muss einfach weg
> Deutsche Museen beschäftigen sich neuerdings mit ihrer kolonialen
> Geschichte. Weil sie es müssen. Doch kann man wirklich alles
> dekolonisieren?
Bild: Die Schloss-Attrappe mitten in Berlin ist befüllt mit Raubkunst
Kultureinrichtungen springen schnell auf aktuelle Themen auf. Egal ob diese
aus der Uni oder von der Straße kommen. Sie sagen, sie wollen Inhalten mehr
Öffentlichkeit verschaffen, holen sich Wissenschaftler*innen und
Aktivist*innen ins Boot. Doch brechen sie dabei häufig die Komplexität
einer sozialen Bewegung auf etwas wie ein oberflächliches Spielzeitmotto
herunter. Besonders nachhaltig ist das nicht.
Hier schnell mal was zum Thema Flucht, danach irgendwas mit Queerness und
dann schnell Themensprung zu Klima. Für Menschen, die über Jahre und
Jahrzehnte Expertise aufgebaut haben, ist das extrem ermüdend. Hier wird
nach Relevanz gesucht – doch die Institutionen bauen keine langfristigen
Bündnisse auf und ändern selten etwas an den Strukturen im Betrieb. Es
bleibt das alte Phänomen von Machtkritik auf der Bühne und Machtmissbrauch
hinter den Kulissen.
Eine angenehme Ausnahme bildet das Thema Dekolonisierung. Hier gibt es seit
mehreren Jahren langfristige Kooperationen zwischen Kunst, Wissenschaft,
Politik und Aktivismus. Künstler*innen of Color werden präsenter in
Theater, Film, und Literatur und die deutsche Kolonialgeschichte wird in
verschiedenen Medien thematisiert. Einzelne Kunstwerke finden den Weg
[1][zurück zu ihren Eigentümern].
In immer mehr Städten gründen sich Decolonize-Initiativen. Vor acht Jahren,
als ich in Berlin das Panel „Decolonize Everything“ besuchte, klang der
Titel noch zukünftig. Inzwischen setzen sich größere und kleinere Museen
und sogar Zoos mit ihrer kolonialen Geschichte und Kontinuitäten
auseinander. Ich bin umgeben von Veranstaltungen mit Titeln wie „Decolonize
Yogo“ oder „Decolonize your Mind“.
## Schlossattrappe mit Raubkunst
Inzwischen denke ich, wir kommen langfristig zu einer angemessenen
Erinnerung und Aufarbeitung von Kolonialismus und seinem Fortwirken.
Besonders durch das ständige Bemühen Schwarzer Communities. Expert*innen
arbeiten sehr hart und begeben sich in anstrengende Auseinandersetzungen
innerhalb der Institutionen: Gespräche, Workshops, künstlerische Beiträge
oder Projekte rauben Energie und führen manchmal dazu, dass
Künstler*innen of Color weniger Kunst und mehr antirassistische
Bildungsarbeit machen.
Ich habe Respekt vor diesen Prozessen. Trotzdem widerspreche ich der These,
man könne alles dekolonisieren. Wenn eine rechtskonservative Bubble auf die
Idee kommt, mitten in Berlin eine [2][Schloss-Attrappe] aufzubauen und den
Schuppen mit Raubkunst zu befüllen? Und sich dann denkt, Proteste ließen
sich ersticken, in dem man die Kritik vereinnahmt?
Diesen Leuten ist nicht mehr zu helfen. Dekoloniale, antirassistische
Praxis ist dort komplett verloren. Das Humboldtforum kauft sich kritische
Kunst, um das Programm aufzuhübschen. Wir sollten dieses Woke-Washing nicht
unterstützen, und jegliche Kooperation ablehnen. Manches kann man nicht
dekolonisieren. Es muss einfach weg.
11 Sep 2022
## LINKS
[1] /Rueckgabe-von-Benin-Bronzen/!5873748
[2] /Humboldt-Forum/!5797821
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
IG
Humboldt Forum
Antirassismus
Museum
Neokolonialismus
Kolonialismus
Kolumne Diskurspogo
Stadtmuseum Berlin
Berliner Stadtschloss
Postkolonialismus
Kolumne Diskurspogo
Kolumne Diskurspogo
Deutscher Kolonialismus
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Modellprojekt Dekoloniale: Die Mitte dekolonialisieren
Mit ihrer Abschlussausstellung richtet die Dekoloniale ihren Blick auf
Berlins Mitte. Ihre Arbeit würden sie gern fortführen – am liebsten
bundesweit.
Memoiren eines Schloss-Bauers: Der Biss eines Terriers
Der Erfinder des rekonstruierten Berliner Stadtschlosses, Wilhelm von
Boddien, hat seine Memoiren veröffentlicht. Sie sind ein wenig zäh geraten.
Projekt Dekoloniale in Berlin: Der Kampf um Selbstbestimmung
Die Ausstellung „Totz allem“ erzählt die widerständigen Geschichten von
Migranten. Es ist der zweite Kiez-Besuch des Dekoloniale-Projekts.
Repräsentation und Auszeichnungen: Die Last der ersten Person
Wenn eine marginalisierte Person ins Scheinwerferlicht rückt, kann das eine
Community empowern. Doch oft dauert es lange, bis weitere nachrücken.
Kritik an Antidiskriminierungs-Workshops: Ab mit dir zum Workshop
Unsere Autorin ist im Theaterkosmos zu Hause. Das Wort
„Antidiskriminierungs-Workshop“ ist dort schon fast eine Drohung. Das ist
ein Problem, findet sie.
Dekolonisierung in Berlin: Die Aufarbeitung geht weiter
Decolonize Berlin und Grüne ziehen ein Zwischenfazit zur Aufarbeitung der
Kolonialzeit. Dazu brauche es ein gesellschaftliches Umdenken.
Simone Dede Ayivi über Denkmäler: „Weg vom Blick auf die Täter“
Eine Onlinekarte listet Orte mit Kolonialvergangenheit auf. Es brauche eine
antirassistische Perspektive, sagt Simone Dede Ayivi von der Initiative
Schwarze Menschen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.