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# taz.de -- 15 Jahre Savvy Contemporary in Berlin: Eine Institution, die sich a…
> Innerhalb von 15 Jahren ist Savvy Contemporary zur Diskursplattform
> angewachsen. Sie verankert das Thema Dekolonialisierung in Berlins
> Kunstwelt.
Bild: Heben sich blinkend ab vom trüben Berliner Spätherbstwetter: Glitzerbuc…
Nur selten sind Chic und Herzenswärme wohl derart symbiotisch vereint wie
bei Savvy Contemporary. Draußen an der Fassade klebt in großen
Glitzerbuchstaben der Name der Kunstinstitution, hebt sich blinkend ab vom
trüben Berliner Spätherbstwetter. Innen drin hingegen herrscht arbeitsame
Atmosphäre. Große Stellwände – mit prima Stauraum eigens gefertigt für den
Kunstort – werden hin und hergeschoben, um die passenden Raumgrößen für die
nächste Veranstaltung zu schaffen. Künstler und Techniker werkeln an
Rechnern und Projektoren. In den Regalen der Bibliothek warten Werke über
Performancekunst und Kolonialgeschichte nur darauf, herausgezogen und
gelesen zu werden. Und aus der Küche weht aromatischer Duft herüber.
„Das Essen ist unsere Art Währung geworden. Wir sind ein Raum, der nicht
über viel Geld verfügt. Und so haben wir uns gesagt, dann lasst uns
zumindest ein warmes Essen miteinander teilen“, sagt Lynhan
Balatbat-Hellbock, Kuratorin und Co-Leiterin von Savvy, zu taz. Und prompt
geht es auch in die Küche, wo es noch in der Pfanne brutzelt und alle
aufpassen, dass für die, die nebenan die neue Ausstellung aufbauen, auch
noch etwas übrig bleibt.
Essen ist wichtig bei Savvy Contemporary, als Währung, wie es
Balatbat-Hellbock beschreibt, aber auch Basis für ein Zusammenkommen, als
sinnliche Form des Austauschs. Über die Jahre hat Savvy, 2010 als
Projektraum in Neukölln vom [1][jetzigen Leiter des Hauses der Kulturen der
Welt, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung,] aus der Taufe gehoben, damit auch
Berlins Kunstszene verändert.
„In einer der ersten Kritiken, die wir hatten, wurden wir als neu und
frisch und interessant gelobt. In dem Artikel wurde aber auch darüber
geklagt, dass der Geruch des Essens von der Kunst ablenke“, erinnert sich
Anna Jäger, Kuratorin und Pressesprecherin. „Damals war es ein relativ
neues Konzept für Berlin, dass ein Ausstellungsraum nach Essen riechen
kann, und das nicht nur als eine Art Intervention, sondern als Essen, das
dich auch satt macht“, fügt sie lachend hinzu.
## „Wir intervenieren jetzt anders“
[2][Was Savvy Contemporary] in all den Jahren zwischen fröstelnden Abenden
im ehemaligen Umspannwerk in der Neuköllner Richardstraße über die dritte
Station im silent green bis zum Umzug in den jetzigen Standort, ein 1.000
Quadratmeter großes früheres Casino im Wedding, auch gelungen ist, ist das
Bewusstsein über das Thema Dekolonialisierung dauerhaft in Berlin zu
verankern. Dazu gehören das Langzeitprojekt „Colonial Neighbours“, bei dem
Objekte und die mit ihnen verknüpften Geschichten deutscher
Kolonialgeschichte gesammelt werden oder auch Interventionen im
nahegelegenen Afrikanischen Viertel.
Ein ganz aktueller Erfolg: Der Platz gegenüber dem Kunstort wechselte im
Oktober seinen Namen, vom preußischen Seefahrer und Obersteuermann auf
einem Sklavenschiff, Joachim Nettelbeck, zu [3][Martha Ndumbe], einer
Afrodeutschen, die im KZ Ravensbrück umgebracht wurde. „Wir intervenieren
jetzt anders in diesen Platz, mit viel mehr Freude“, sagt Billy Fowo, Autor
und Kurator bei Savvy, der taz.
2014 schon thematisierte Savvy mit der Ausstellung und dem begleitenden
[4][Diskursprogramm „Wir sind alle Berliner“] die langen Schatten der
Gewalt, die von der Aufteilung Afrikas auf der Berliner Afrikakonferenz
1884/85 bis heute ausgehen. Ungewöhnlich war dabei, dass eben nicht nur auf
Afrika als eine Art „Opferkontinent“ geblickt wurde.
„Wir haben vielmehr historische Verbindungen hergestellt zwischen
Gewaltakten, die gewöhnlich nicht zusammen gesehen werden, hatten Arbeiten
zum NSU und zum Genozid an der indigenen Bevölkerung in Nordamerika. Wir
verknüpften diese Dinge, um die langen Echos der Gewalt sichtbar zu machen,
die sich auf ihre Art reimen und über ihre ganz eigene Grammatik verfügen“,
betont Jäger.
## Entwirren der kolonialen Fäden
Jetzt, mehr als zehn Jahre später, eröffnet am 13. November mit „Desacta“
erneut eine Ausstellung, die sich dem Entwirren der Fäden, die bis zur
Afrikakonferenz zurückreichen, widmet. Gemeinsam mit Partner*innen in
Guinea-Bissau wurde der Versuch unternommen, eine Art Gegenfluch zu
erzeugen gegen die Konferenz vor mittlerweile 140 Jahren und deren Folgen,
erzählt Fowo der taz.
Daher nehmen neben Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und
Aktivist*innen auch Heiler*innen und spirituelle Praktiker*innen
an der Ausstellung teil. Auf die Frage, wer da der Patient ist, mit dem
sich die Heiler*innen konfrontieren sollen, meint Fowo nachdenklich:
„Ich denke, wir alle tragen diese Krankheit in der einen oder anderen Form
in uns. Und jenseits der Frage, wer hier wen heilt und was überhaupt
geheilt werden kann, ist es für uns wichtig, Menschen zusammenzubringen und
gemeinsam über Formen von Kuren zu reflektieren.“
Vorher allerdings, am 1. November, wird gefeiert. In der „[5][Savvybration.
15 Years of Becoming]“ wird einer Institution gedacht, die sich als
Anti-Institution versteht. Eine Kinderdisco eröffnet den Abend, in der
Nacht legen DJs auf. Und zwischen den Klängen wird gekocht, gegessen und
geredet – ganz im Savvy Style eben.
31 Oct 2025
## LINKS
[1] /Kurator-ueber-Kunst-als-Heilung/!5780128
[2] /Schau-Indigo-Waves-zu-Afrika-und-Asien/!5928014
[3] /Stolpersteine-fuer-Schwarze-Deutsche/!5791607
[4] /Die-alten-und-die-neuen-Kriege/!255596/
[5] https://savvy-contemporary.com/de/events/2025/15-years/
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Kunst Berlin
Ausstellung
Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus
Postkolonialismus
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
Deutscher Kolonialismus
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