# taz.de -- Repräsentation und Auszeichnungen: Die Last der ersten Person | |
> Wenn eine marginalisierte Person ins Scheinwerferlicht rückt, kann das | |
> eine Community empowern. Doch oft dauert es lange, bis weitere | |
> nachrücken. | |
Bild: Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo bei der Auszeichnung mit dem Ingeborg-… | |
Als [1][Sharon Dodua Otoo] 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, war ich | |
gerade zu Besuch bei meinen Eltern. Mein Telefon vibrierte. Ich bat meine | |
Eltern, die Nachrichten einzuschalten, weil eine Freundin diesen wichtigen | |
Literaturpreis gewonnen hatte. Als sie auf dem Bildschirm erschien, | |
reagierte mein Vater sehr untypisch. Meine Arbeit und meine Freund*innen | |
hatten ihn nie interessiert. Doch als er Sharon sah, richtete er sich auf | |
und rief: „Mais elle est noire!“ Aber sie ist Schwarz. Verwunderung und | |
Erstaunen in seinem Gesicht. | |
Repräsentation bedeutet etwas – denn für diesen einen Moment, in dem eine | |
Person aus einer marginalisierten Gruppe ins Scheinwerferlicht rückt, | |
entsteht eine Irritation: ein feiner Haarriss in der Matrix. Sichtbarkeit | |
und Erfolge einzelner Personen aus marginalisierten Gruppen können | |
Empowerment schaffen, zu Stolz und Selbstvertrauen innerhalb der | |
Communities führen und vielleicht sogar zu mehr Gleichberechtigung | |
innerhalb der entsprechenden Branche oder Struktur. | |
Die Glasdecke wird angeknackst. Es besteht die Chance, dass dieser erste | |
Erfolg es für Nachkommende etwas einfacher macht und andere ermutigt, sich | |
auch auf dieses Feld zu wagen. | |
## Hass und Häme gegen Gewinner_in | |
Wie wichtig Repräsentation ist, wird in solchen Momenten deutlich. Doch es | |
ist ganz schön viel, was hier auf ein einzelnes Ereignis oder gar eine | |
einzelne Person projiziert wird: was ein sichtbarer, das heißt auch in den | |
Medien stattfindender Erfolg alles leisten und bedeuten soll. Auf „der | |
ersten“ Person liegt immer eine große Last. Kim de l’Horizon ist die erste | |
nonbinäre Person, die mit dem [2][Deutschen Buchpreis ausgezeichnet] wurde. | |
Nun gibt es Stimmen, die sagen, dass race und Gender keine Rolle spielen | |
sollten, weil es schließlich um Literatur geht. Letzteres stimmt. Es geht | |
um Literatur. Doch race und Gender sind nicht egal. Das merkt man an den | |
Reaktionen aller, die sich nicht nur durch Kim de l’Horizon als Person | |
repräsentiert sehen, sondern auch mit „Blutbuch“ auf Literatur gestoßen | |
sind, die ihre Lebensrealität und ihre Fragen abbildet. | |
Man merkt es aber auch am Hass, der Häme, den beleidigenden Kommentaren. | |
Eine Person bekommt den Buchpreis und wird daraufhin bedroht. Viele | |
Menschen sind ständig dem Verdacht ausgesetzt, eine Auszeichnung nicht | |
wegen ihrer Leistung oder der Besonderheit ihres Werks erhalten zu haben. | |
Die erste Frau, die erste Person of Color, die erste queere Person werden | |
auf diese Art angegriffen. | |
Und diese vorhersehbare Reaktion führt dazu, dass die Arbeiten von | |
Marginalisierten kritischer betrachtet und härter beurteilt werden. Einer | |
der Gründe, warum es so lange dauert, bis auf die erste Person eine zweite | |
oder dritte folgt. Dies sollte aber bald geschehen. Dann können wir endlich | |
weniger über Repräsentation und mehr über Kunst sprechen. Unabhängig davon: | |
Alle Menschen sollten Erfolge feiern dürfen, ohne dafür bedroht zu werden. | |
23 Oct 2022 | |
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[1] /Kommentar-Bachmann-Preistraegerin/!5318615 | |
[2] /Deutscher-Buchpreis-fuer-Kim-de-lHorizon/!5889249 | |
## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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