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# taz.de -- Kritik an Antidiskriminierungs-Workshops: Ab mit dir zum Workshop
> Unsere Autorin ist im Theaterkosmos zu Hause. Das Wort
> „Antidiskriminierungs-Workshop“ ist dort schon fast eine Drohung. Das ist
> ein Problem, findet sie.
Bild: Ab in den Workshop?
Es gibt einen neuen Running Gag an Theatern, den eigentlich niemand lustig
findet. Der Witz geht so: Eine Gruppe von Theaterleuten steht zusammen. In
einer Zigarettenpause oder beim Feierabendbier. Sie unterhalten sich über
dies und das, machen Bemerkungen über die Welt und das Theater, drücken
sich gegenseitig den einen oder anderen Spruch rein, und in die ganze
Frotzelei hinein sagt plötzlich wer: „Pass auf, was du sagst. Sonst ab mit
dir zum Workshop.“
Der Workshop-Witz führt in manchen Fällen noch zu einem letzten Lacher,
aber spätestens danach ist over mit der Ausgelassenheit.
Antidiskriminierungs-Workshops sollen Menschen für verschiedene Formen von
Diskriminierung sensibilisieren. Im Antirassismus-Training zum Beispiel
geht es darum, in welchen Formen Rassismus unseren Alltag beeinflusst und
welche Gegenstrategien wir brauchen, um alle gut zusammenarbeiten zu
können. Wenn diese Schulungen gut gemacht sind, haben am Ende alle
Beteiligten mehr Verständnis für das Thema und füreinander. Sie wissen, wie
sie in Zukunft ins Gespräch kommen. Workshops sollen uns Mittel an die Hand
geben. Sie waren nie dazu bestimmt, im Strafenrepertoire irgendwo zwischen
Eckestehen und Sozialstunden eingeordnet zu werden.
Von der Prävention zur Konsequenz wurden sie auch durch die Diskussion um
die [1][Antirassimus-Klausel] an deutschen Theatern. Ein erster und
sinnvoller Versuch, Künstler*innen ein Instrument an die Hand zu geben,
um sich im extrem hierarchischen Betrieb vor Diskriminierung zu schützen.
Mit der Klausel verpflichten sich Theater – sollte es zu rassistischen
Vorfällen kommen –, [2][eine Schulung durchzuführen], die zur Aufklärung
über rassistische Strukturen beiträgt.
## „Lernen“ und „Strafe“ werden miteinander verknüpft
Das ist eine sehr wohlwollende Idee. Sie geht davon aus, dass die Person,
die beispielsweise etwas Unangemessenes gesagt hat, kein unverbesserlicher
Rassist ist, und das Theater kein Scheißverein, sondern dass es schlicht an
Verständnis bei einem durchaus komplexen Themenfeld fehlt. In der Praxis
wird aber kaum wer die Größe haben zu sagen: „Oha! Meine Äußerung wurde
als diskriminierend aufgefasst. Ich muss dringend an mir arbeiten und freue
mich auf das Workshop-Angebot durch meinen Arbeitgeber.“ Das Ganze fühlt
sich eher an wie Nachsitzen. Und nur deshalb funktioniert der Witz: „Ab zum
Workshop!“ heißt so viel wie: Klassenziel nicht erreicht. Autsch. Davon hat
niemand was.
Der Person, die von Diskriminierung betroffen ist, mag es kurz das Gefühl
geben, dass etwas passiert. Es wird gesehen, dass ihr Unrecht getan
wurde. Und das ist schon viel mehr, [3][als in den Jahrzehnten ohne die
Klausel möglich war]. Aber langfristig schadet es, wenn wir „lernen“ und
„Strafe“ miteinander verknüpfen. Es gehört Mut dazu, über den eigenen
Schatten zu springen, Privilegien zu erkennen oder Fehler und Wissenslücken
zuzugeben. Und es ist eigentlich gar nicht so witzig.
29 Aug 2022
## LINKS
[1] /Theaterkollektiv-ueber-Rassismusklausel/!5568765
[2] /Streit-um-Anti-Rassismus-Klausel/!5573354
[3] /Rassismus-am-Theater/!5603768
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
Kolumne Diskurspogo
Theater
Schwerpunkt Rassismus
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