# taz.de -- Forderungen von Beauftragter Ataman: Antidiskriminierung neu regeln | |
> Ferda Ataman pocht darauf, das Gleichstellungsgesetz zu überarbeiten. Die | |
> Bundesbeauftragte fordert etwa mehr Klagemöglichkeiten für Betroffene. | |
Bild: Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung | |
Berlin taz | [1][Ferda Ataman], die unabhängige | |
Antidiskriminierungsbeauftragte, hat Vorschläge für eine Reform des | |
Gleichbehandlungsgesetzes präsentiert. Kern des Papiers sind Forderungen | |
nach einer Ausweitung des Geltungsbereichs auf staatliches Handeln und | |
weitere Gründe für Diskriminierung. Auch die Möglichkeiten für Betroffene, | |
ihr Recht durchzusetzen, sollen verbessert werden. Ataman, die auch die | |
Antidiskriminierungsstelle des Bundes leitet, warnte am Dienstag in Berlin: | |
„Wir haben bisher eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in | |
Europa“. | |
Das 2006 beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet | |
derzeit Diskriminierung aufgrund von „Rasse oder wegen der ethnischen | |
Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer | |
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Die Ampelkoalition | |
hat sich in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 vorgenommen, das Gesetz zu | |
überarbeiten. Zwar wurde mit der Berufung Atamans auf den neuen Posten der | |
Unabhängigen Beauftragten der Kampf gegen Diskriminierung bereits gestärkt, | |
die versprochene Reform der gesetzlichen Grundlage blieb bisher aber aus. | |
Nun macht Ataman Druck. | |
Sie fordert nicht nur den veralteten Begriff „Rasse“ im Gesetzestext zu | |
ersetzen, sondern auch weitere Merkmale mit aufzunehmen. Verboten werden | |
soll auch eine Benachteiligung aufgrund von sozialem Status, | |
Pflegetätigkeiten sowie der Staatsbürgerschaft. Studien zeigen immer | |
wieder, dass in der Gesellschaft massive Vorurteile gegen arme Personen | |
bestehen, [2][etwa Bezieher*innen von Bürgergeld]. Auf dem Arbeitsmarkt | |
werden zudem Eltern oft benachteiligt, genauso wie Personen, die Angehörige | |
pflegen. Ataman sagte dazu am Dienstag: „Es geht hier nicht um Einzelfälle, | |
sondern um sehr viele Menschen.“ | |
Nach Atamans Willen soll auch staatliches Handeln künftig unter den | |
Einflussbereich des Gesetzes fallen. Sie nannte es „unlogisch“, dass bisher | |
etwa Diskriminierung durch Arbeitgeber geahndet werden kann, | |
Benachteiligung durch Mitarbeitende in Behörden oder Lehrer*innen an | |
öffentlichen Schulen aber nicht. „Der Staat hat hier eine Vorbildfunktion“, | |
so Ataman. | |
## Rechtliche Durchsetzung bisher „Achillesferse“ | |
Außerdem fordert Ataman bessere Klagemöglichkeiten, um die im Gesetz | |
festgeschriebenen Regeln auch durchzusetzen. Im Moment müssen Betroffene | |
innerhalb von nur zwei Monaten nach einem Vorfall ihre Klage einreichen, | |
damit das Gesetz greift. Ataman fordert, diese Frist auf ein Jahr zu | |
erhöhen. Ebenso sollen künftig nicht mehr nur Privatpersonen einzeln klagen | |
dürfen, sondern auch Verbände und Atamans Antidiskriminierungsstelle | |
selbst, wenn es um Fälle allgemeiner Bedeutung geht, die potentiell viele | |
Menschen betreffen. | |
Rechtsexperte Bernhard Franke, der die Antidiskriminierungsstelle vor | |
Ataman jahrelang kommissarisch leitete, nannte die rechtlichen | |
Durchsetzungsmöglichkeiten die „Achillesferse“ des derzeitigen Gesetzes. Er | |
forderte nicht nur weitere Klagemöglichkeiten, sondern auch Strafen, „die | |
ein bisschen mehr Wumms haben“. Bisher würden oft nur Strafzahlungen über | |
wenige hundert Euro verhängt. Er forderte zudem, Auskunftspflichten für | |
Arbeitgeber und Vermieter*innen einzuführen, die es abgelehnten | |
Bewerber*innen erleichtern, Beweise für mögliche Diskriminierung zu | |
sammeln. | |
Derzeit landet nur ein sehr geringer Teil aller Diskriminierungsvorfälle in | |
Deutschland vor Gericht. Die Zahl der Beratungen, die die | |
Antidiskriminierungsstelle durchführt, [3][steigt derweil seit Jahren]. | |
Studien zeigen zudem, dass in der Gesellschaft ein hohes Problembewusstsein | |
besteht. Rund 90 Prozent der Befragten sprechen sich in Umfragen dafür aus, | |
den Kampf gegen Diskriminierung zu stärken. Auch in der Wirtschaft gibt es | |
immer mehr Bewusstsein dafür, wobei solche Diversitätsbemühungen oft als | |
Augenwischerei kritisiert werden. Viele Unternehmen bleiben tief in globale | |
und nationale Ungerechtigkeiten verstrickt. | |
Ataman sagte am Dienstag: „Die Gesellschaft ist schon viel weiter als die | |
gesetzliche Lage“. Das sei nicht verwunderlich, wenn man bedenke, wie | |
„erschreckend“ veraltet das AGG inzwischen sei. „Die Bundesregierung wäre | |
gut beraten, das möglichst schnell anzugehen“, so Ataman. | |
18 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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