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# taz.de -- Jahresbericht zu Antidiskriminierung: So viele Anfragen wie nie
> Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman stellt am Dienstagmorgen
> ihren Jahresbericht vor. Die meisten Anfragen gab es zu Rassismus.
Bild: Ferda Ataman stellt den Jahresbericht vor
Berlin taz | Die Beratungsanfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes (ADS) belaufen sich für das Jahr 2022 auf 8.827. Das geht [1][aus
dem Bericht] hervor, den die unabhängige Bundesbeauftragte [2][Ferda
Ataman] am Dienstagmorgen vorstellte. Neben der offensichtlichen
Schattenseite bewerte sie diese Meldung auch positiv: „Die Rekordzahl
zeigt: Immer mehr Menschen informieren sich über ihre Rechte. Jeder
gemeldete Diskriminierungsfall steht für das Vertrauen in unsere
Demokratie.“
Insgesamt betrafen 6.627 Fälle ein im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) geschütztes Merkmal wie Alter und Geschlecht – nicht dazu gehören
Fälle, die einen Bezug haben zur Staatsangehörigkeit, zum sozialen Status
oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Zahl macht deutlich: Es sind so viele Anfragen wie noch nie. Zum
Vergleich: Im Jahr 2019 waren es noch 4.247 Anfragen. Die meisten Fälle
betrafen [3][Rassismus] (43 Prozent), gefolgt von Anfragen zur Behinderung
(27) und des Geschlechts (21).
Ataman hat laut dem Bericht drei wesentliche Ziele: Das AGG sowie die
Antidiskriminierungsstelle sollen bekannter gemacht werden, damit „alle
ihre Rechte kennen“, Beratungsstellen sollen flächendeckend zur Verfügung
stehen und das AGG soll reformiert werden. Laut ADS sei das deutsche eines
der schwächsten Europas. Bei der Reform sollen Diskriminierungsgründe
geweitet werden, Fristen verlängert und ermöglicht werden, dass auch
Antidiskriminierungsverbände klagen können. Letzteres sei sonst überall in
Europa möglich.
## Diskriminierung durch KI
Dem Bericht zufolge gab es über 1.000 Anfragen zu diskriminierendem
Verhalten von Ämtern und Behörden und mehr als 300 durch die Polizei und
die Justiz. Staatliche Stellen können jedoch nicht vom
Diskriminierungsschutz durch das AGG belangt werden. Auch das soll durch
die Reform des AGG geändert werden. Mit 16 Prozent liegt dieser Bereich der
Anfragen auf Platz 3, hinter der Arbeit mit 27 Prozent und „Güter und
Dienstleistungen“ mit 20 Prozent.
In der Vorstellung des Berichts am Dienstagmorgen kündigte Ataman zudem
eine Studie an, die sich mit der Diskriminierung durch Algorithmen und
Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen soll: „Wir wissen, dass schon
heute bei sehr vielen Alltagsgeschäften wie Wohnungsvergaben mit
automatisierten Entscheidungssystemen gearbeitet wird“, so Ataman. „Die
Frage ist: Ist das diskriminierungssensibel? [4][Daten sind nicht
neutral].“
## Ataman setzt sich für pflegende Angehörige ein
Derzeit gäbe es „nicht einmal 100 Vollzeitstellen für
Antidiskriminerungsberatungen“, heißt es im Bericht. Im Durchschnitt sei
damit eine Beratungsperson für fast eine Million Menschen zuständig. Laut
einer Studie des ADS soll künftig ein Schlüssel von maximal einer
Beratungsperson für 200.000 Menschen gelten. Dies soll ermöglicht werden
durch das Programm „respekt*land“, mit dem der Bund insgesamt fünf
Millionen Euro zur Verfügung stellt. Damit sollen ab Ende des Jahres 35
Projekte für drei Jahre mithilfe der Länder gefördert werden.
Zu bereits geltenden Diskriminierungsformen will sich Ataman zudem mehr für
sorgende Angehörige einsetzen – beispielsweise [5][pflegende Töchter] oder
werdende Väter, denen bei Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit
mit negativen Konsequenzen im Job gedroht wird. Nach geltendem Recht seien
das keine Fälle von Diskriminierung, sondern ein Verstoß gegen das
Maßregelungsverbot. Deshalb sollen „Fürsorgeverpflichtungen“ als
Diskriminierungsmerkmal aufgenommen werden. Bislang gibt es Alter,
Behinderung, Geschlecht, sexuelle Identität, Religion und Weltanschauung
sowie ethnische Herkunft.
Die Antidiskriminierungsstelle berät bereits seit 2006, jedoch ist Ferda
Ataman seit Juli 2022 die erste Unabhängige Bundesbeauftragte für
Antidiskriminierung. Ataman arbeitete zuvor als Journalistin und gründete
unter anderem die Neuen Deutschen Medienmacher*innen. Ihre Wahl auf fünf
Jahre wurde begleitet von einer [6][Kampagne von rechts].
Seit ihrer Wahl muss die Bundesregierung sie einbeziehen, wenn sie Gesetze
und Maßnahmen zur Antidiskriminierung plant. Sie selbst hat die
Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. So setzt sich Ataman dafür ein, dass
das Diskriminierungsmerkmal „Alter“ in Artikel 3 des Grundgesetzes
aufgenommen wird, und zuletzt auch immer wieder für das
Selbstbestimmungsgesetz (SBGG).
Beim SBGG kritisiert sie immer wieder den sogenannten
[7][Hausrechtsparagrafen], der es in den Entwurf des SBGG geschafft hat.
Demnach sollen Betreiber_innen von Frauensaunen selbst entscheiden können,
wer Zutritt bekommt. „Es ist sehr beunruhigend, wenn in einem Gesetzestext,
und sei es nur in der Begründung, auf rechtspopulistische Argumente
eingegangen wird“, sagte Ataman dazu am Dienstagmorgen. „Das macht mir
Bauchschmerzen.“
27 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikati…
[2] /Ferda-Ataman-zu-MeToo-am-Arbeitsplatz/!5935308
[3] /Antimuslimischer-Rassismus/!5942941
[4] /Kuenstliche-Intelligenz/!5880554
[5] /Bundesrat-billigt-Pflegereform/!5941295
[6] /Extremismusexpertin-ueber-Ferda-Ataman/!5859792
[7] /Verzoegerung-von-Selbstbestimmungsgesetz/!5904850
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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