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# taz.de -- Rassismus am Theater: Keine Bühne für Rassismus
> Maya Alban-Zapata verlässt eine Produktion am Theater an der Parkaue,
> weil sie rassistisch beleidigt wird. Nun macht sie die Vorfälle publik.
Bild: Die Schauspielerin Maya Alban-Zapata wünscht sich Rassismus-Klauseln in …
Maya, mach das bloß nicht, gehe nicht an die Öffentlichkeit. Niemand
arbeitet mehr mit dir.“ Diesen Rat erhielt die afrodeutsche Schauspielerin
Maya Alban-Zapata von einem Kollegen, als sie im April 2018 eine Produktion
am staatlichen Theater an der Parkaue verlassen hatte, weil sie die
rassistischen Diskriminierungen gegen ihre Person nicht mehr aushielt.
Vier Wochen probte sie für das Stück „Die Reise um die Erde in 80 Tagen“
als einzige Person of Color (PoC) und Frau der sonst weißen Männerbesetzung
für eine Inszenierung, die den Kolonialismus und den weißen Mann
thematisieren wollte. Jedoch war schon die Textvorlage des Wiener
Burgtheaters, in der das rassistische Schimpfwort „Neger“* verwendet wird,
problematisch: „In der Diskussionen darüber, ob man das N-Wort sagen darf
oder nicht, positionierte ich mich deutlich, dass das für mich als einzige
Schwarze im Ensemble nicht geht.“
Zunächst schien es, als hätten die meisten verstanden, worum es ihrer
Kollegin ging. Regisseur Volker Metzler, der zudem Schauspieldirektor und
stellvertretende Intendant des Kinder- und Jugendtheaters ist, soll jedoch
im weiteren Verlauf der Proben die Schauspielerin direkt mit
diskriminierenden Sprüchen wie „Singen und Tanzen das könnt ihr doch, ihr
N****“ adressiert haben. Als sich Alban-Zapata telefonisch krankmeldete,
entgegnete er ihr: „Du klingst ja wie ein N**** im Stimmbruch.“
Zügig, führt die gebürtige Pariserin aus, sei die Dynamik im Team
umgeschlagen. Ein Schauspieler habe ihr zugerufen: „Vor der schwarzen Wand
sieht man dich ja gar nicht.“ Eine Produktionsmitarbeiterin habe ihre
Frisur als „Mulattenhaare“ bezeichnet. Als sie sich einem mitwirkenden
Kollegen anvertraute, warf dieser ihr vor, eine Opferrolle einzunehmen. „Da
habe ich gemerkt: Ich bin komplett allein“, erzählt Alban-Zapata in ihrer
Kreuzberger Wohnung. Ein Brief an den Regisseur und mehrere
Gesprächsversuche mit dem Team seien ins Leere gelaufen. Auch sei ihr
Wunsch nach einer gemeinsamen Besprechung mit der Theaterleitung nicht
weitergeleitet worden. Als das Gefühl der Hilflosigkeit zu massiv wurde,
entschied sie, die Produktion vorzeitig zu verlassen.
Seit März 2019 steht die taz mit Alban-Zapata im Kontakt, die sich erst
Mitte Juni für ein offizielles Gespräch entscheiden konnte. „Ich habe Zeit
gebraucht, mich zu überwinden, weil ich mitbekomme, wie es anderen PoC
ergeht, die sich positionieren.“ Auch riskiere sie beruflich viel: „Ich bin
freischaffende Schauspielerin. Manche Theater könnten mich als
Nestbeschmutzerin abstempeln und nicht mehr engagieren.“ Dass sie diesen
Schritt wagt, liegt an ihrer Hoffnung, „dass andere künftig auch wagen,
offen zu sagen: ‚Das lasse ich mir nicht gefallen. Wir wehren uns
endlich.‘“
Volker Metzler äußerte sich – als private Person – schriftlich gegenüber
der taz und verneinte, Alban-Zapata direkt mit dem N-Wort bezeichnet zu
haben. „Zur Verwendung des N-Wortes kam es ausschließlich im Kontext mit
der inhaltlichen Auseinandersetzung des Stückes.“ Er habe aber übersehen,
dass Alban-Zapata Schwierigkeiten mit seinem offenen Probenprozess gehabt
habe. Sie habe „ihre Not als Schauspielerin“ auf die künstlerische Arbeit
im Allgemeinen und auf ihn im Besonderen projiziert und damit begonnen,
„alle schauspielerischen Aufgaben, alle ihre Kostüme, Szenen als
rassistischen Angriff und persönlichen Affront gegen ihre Person zu
empfinden.“ Auch habe es die Aussage der Schauspielerin „nach einem
kategorischen Imperativ bezüglich der Verwendung des N-Wortes ganz klar
nicht gegeben.“
Die damals zuständige Dramaturgin Almut Pape, die sich der taz gegenüber
ebenfalls schriftlich äußerte, schildert jedoch, dass Alban-Zapata sich
offen gegen die Position von Metzler und Teilen des Teams aussprach, das
Wort auf der Bühne zu verwenden. Im Laufe der Proben beobachtete Pape zudem
einen fließenden Übergang vom Theoretisieren über Rassismus in dessen
Praxis: „Allgemein stellte sich in den Proben eine Art
Stammtisch-Atmosphäre ein.
## Bananen-Witze
Wenn der Regie-Assistent (ein Schwede) zu spät kam, wurde gerufen ‚Der
Ausländer kommt zu spät‘. Auch Frau Alban-Zapata wurde als ‚Ausländer‘…
‚Peruanerin‘ bezeichnet, und es wurden wiederholt Bananen-Witze in ihrer
Anwesenheit gemacht. Dass sie direkt mit dem N-Wort bezeichnet wurde, habe
ich einmal im Rahmen der Proben für eine Szene miterlebt.“
Das anschließende Vorgehen des Theaters sieht die Dramaturgin kritisch: „Es
wäre angemessen gewesen, die Premiere nicht stattfinden zu lassen, sich bei
Frau Alban-Zapata zu entschuldigen und mit dem ganzen Betrieb
aufzuarbeiten, was passiert ist.“ Jedoch habe die Leitung „aus dem
strukturellen Rassismus am Theater an der Parkaue, den der Vorfall deutlich
gemacht hat, keine Konsequenzen gezogen.“
Ein Brief an Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der auch einigen Medien
zugespielt wurde, wertet die Aufarbeitung des Vorfalls seitens der Leitung
ebenfalls als mangelhaft. Die VerfasserInnen, die „aus Angst vor
beruflichen Nachteilen in der eng vernetzten Theaterszene“ anonym bleiben,
kritisieren den Parkaue-Intendanten Kay Wuschek, zu spät Konsequenzen aus
dem Vorfall gezogen zu haben. So habe sich die Nachbereitung im Jahr nach
dem Vorfall „auf zwei Aushänge bzw. Emails und ein einziges Treffen mit den
Produktions-Beteiligten beschränkt, in dem sich jedoch weder Kay Wuschek
noch Volker Metzler äußerten.“
## Personalrechtliche Konsequenzen
Der Intendant Kay Wuschek und der neue Geschäftsführer Florian Stiehler
sprachen mit der taz schon Ende März über die Ereignisse des Vorjahres. Auf
die Frage, ob Alban-Zapata geglaubt wurde, äußerte Stiehler, der damals
noch eingearbeitet wurde: „Es wurde zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen,
dass die Gastschauspielerin verletzt wurde.
Der Prozess der Aufarbeitung und die Auswertung der verschiedenen
Stellungnahmen, die zu personalrechtlichen Konsequenzen geführt haben, hat
einige Zeit in Anspruch genommen.“ Anschließend sei Volker Metzler im Juli
2018 eine fünfseitige Abmahnung erteilt worden, in der das Wesen von
Alltagsrassismen aufgeschlüsselt wurde.
Mittlerweile wurde die Inszenierung Metzlers, die bis April 2019 noch zum
Repertoire gehörte, aufgrund einer „Neubewertung der künstlerischen Arbeit
sowie eine Auswertung der Probenprozesse“ aus dem Programm genommen, wie
die Leitung durch ihren Sprecher der taz mitteilte. Seit dieser Woche ist
auch bekannt, dass Volker Metzlers Arbeitsverhältnis „in beidseitigem
Verständnis“ im August enden wird.
## Aufarbeitung am Theater
Im Gespräch wiesen Wuschek und Stiehler auf die Wandlungsprozesse am Haus
hin. Seit einem guten Jahr finden am Haus die Förderprogramme für
Diversitätsentwicklung „Diversity Arts Culture“ und „360°“ statt – …
unabhängig von den Vorfällen beantragt wurden. Auch wurde eine Stelle für
eine Diversitätsagentin geschaffen.
Die Theaterleitung hat eine zweitägige Fortbildung zu Diversität am Theater
absolviert, während die Belegschaft bei Sensibilisierungsworkshops für
Alltagsrassismen mitmachte. „Wir haben die sich damit ergebenen Themen
stärker in den Fokus unserer innerbetrieblichen Diskurse aufgenommen“,
erläuterte Wuschek der taz. Das Haus sei also laut Geschäftsführer Stiehler
„mittlerweile auf einem guten Weg.“
Aus dem Brief an den Kultursenator geht allerdings hervor, Wuschek habe
wenig Interesse für die Förderprogramme aufgebracht. So habe der Intendant
bei der letzten Spielzeiteröffnung anstatt die Diversitätsprogramme samt
Diversitätsagentin am Haus vorzustellen, eine oberflächliche Bemerkung vor
der Belegschaft gemacht mit dem Wortlaut: „Wir leben in schweren Zeiten, in
denen es nicht mehr möglich ist, dass ein Schwarzer einen Indianer spielt,
ohne dass man als Rassist diffamiert wird, oder dass ein nicht-Schwuler
einen Schwulen spielt.“ Auch habe er keine Zeit im Betriebsalltag
eingeräumt, „um überhaupt an dem Prozess zu arbeiten.“
## Anti-Rassismus-Klausel
Im April erhielt Alban-Zapata einen Brief von Wuschek, in dem er sich für
die Vorfälle entschuldigte. Die Schauspielerin sagt allerdings dazu: „Das
Schreiben ist meines Erachtens eher eine Schadensbegrenzung, da es erst
kam, nachdem ich anfing, mit der Presse zu sprechen. An mich wurde
herangetragen, dass Wuschek sich ursprünglich gegen eine Entschuldigung
entschieden habe, weil sie ein Schuldeingeständnis sei.“
Wenn das Theater an der Parkaue tatsächlich etwas ändern wolle, „sollten
sie die Anti-Rassismus-Klausel in ihren Verträgen aufnehmen.“ Der von der
designierten Dortmunder Intendantin Julia Wissert und Anwältin Sonja Laaser
entwickelte Vorschlag für einen Vertragspassus sieht vor, dass bei solchen
Vorfällen Schulungen auf Kosten des Hauses anzuberaumen sind. Vor allem
aber legt die Klausel fest, dass die Deutungshoheit darüber, was
rassistisch diskriminierend ist, allein bei den Betroffenen liegt.
*In Zitaten wird das ausgesprochene Wort mit Sternchen gekennzeichnet
30 Jun 2019
## AUTOREN
Katharina Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Theater an der Parkaue
People of Color
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Oberhausen
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