# taz.de -- Afrob über Rassismus und politischen Rap: “Ich bin nichts für s… | |
> Afrob macht seit 20 Jahren Rap. Ein Gespräch über Maulkörbe, schwarze und | |
> weiße Arschlöcher und über das Tape, das für ihn wie eine Erlösung war. | |
Bild: Watch-Dog des Hip-Hop: Der Rapper Afrob | |
taz: Afrob, Sie machen jetzt seit bald 20 Jahren Rap. Ist man dafür nicht | |
irgendwann zu alt? | |
Afrob: Das ist schwierig zu sagen, weil es noch nicht wirkliche Vorbilder | |
in Deutschland oder in Europa dafür gibt. Rap ist eine sehr junge | |
Musikkultur. Aber nehmen wir mich als 40-Jährigen zum Beispiel, wenn ich | |
einen guten Beat höre, kann man mir nicht sagen, ich bin zu alt, um mit dem | |
Kopf mitzunicken. Es ist alles intuitiv. Man wird noch lernen, mit Rap | |
älter zu werden. Aber es gibt auf jeden Fall einen kritischen Punkt und | |
jeder sollte für sich wissen, wo seiner ist. Meiner ist noch nicht | |
erreicht. | |
Können Sie sich Ihr Leben ohne Rap vorstellen? | |
Auch wenn ich eines Tages nicht mehr aktiv Rap mache, kann ich noch passiv | |
zuhören. Wenn ich mit 65 Jahren einen Song höre, der einfach geil ist, kann | |
ich noch voll dabei sein. Warum sollte das nicht passieren? Aber um es mal | |
zu sagen: Ich denke nicht, dass ich mit 55 Jahren auf der Bühne stehe und | |
rappe „Yo yo, get up“. I don’t think so. | |
Als nächstes stehen bei Ihnen im März mehrere Shows mit Ihrem Best-Of-Album | |
an. | |
Ja, in Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Stuttgart, München. Es sind | |
Akustik-Version von meinen Klassikern. Ein einfaches Best-Of braucht kein | |
Mensch mehr. Mit iTunes und Spotify kann ich mir selbst meine | |
Lieblingssongs zusammenstellen. Ich muss dafür kein Geld ausgeben. | |
Erwartet Ihr Publikum eigentlich nichts Neues mehr von Ihnen? | |
Nach einer bestimmten Zeit muss man den Leuten zeigen, die mit dir | |
gewachsen sind, was deine Prioritätssongs sind. Und ich finde, ich habe ein | |
gutes Publikum, sie müssen überdurchschnittlich intelligent sein, weil ich | |
nichts für schwache Nerven bin, Afrob ist nichts für schwache Nerven. Aber | |
ein Best-Of macht man nicht einfach so, es ist eine Zäsur. | |
Was kommt danach? | |
Es wird ein Mixtape geben und dann mache ich 2019 schon 20 Jahre Musik, | |
seit ich aus der Schule bin. Ich habe nichts anderes gemacht. Mein ganzes | |
Leben dreht sich darum: Wie könnte X oder Y in Fulda diesen Song geil | |
finden? Wie mache ich das? Ich weiß nicht, ob ich so viel über meine Kinder | |
nachgedacht habe wie über meine Musik. Das ist akribische Arbeit und ich | |
tue mir keinen Gefallen, weil das manchmal Züge annimmt, die nicht ganz | |
gesund sind. Ich fange es als Mixtape an und es endet mit den Ansprüchen | |
von einem Album. | |
Wie sind Sie zum Rap gekommen? | |
Wie viele Leute: über einen Freund. Er hatte ein Tape mit Rap-Songs: 2 Live | |
Crew, Run-D.M.C., richtig old school und mir hat das direkt gefallen. Dann | |
habe ich ein Tape bekommen, wo noch eine Gruppe darauf war: Public Enemy – | |
viele eurer taz-Leser kennen das wahrscheinlich, sie sind PE-Fanatiker, so | |
ich mal einer war. Es war für mich eine Erlösung. Ich habe mit 13 zum | |
ersten Mal gehört: „Junge, du bist schwarz und es ist voll okay so.“ Für | |
mich war das mehr als nur Musik, es war die Legitimation, ich sein zu | |
dürfen, auf der Straße, in der Schule, im Verein, überall, wo ich war. | |
Und dann haben Sie auch selbst gerappt? | |
Ich musste erst noch viel lernen, es war nur eine Gruppe mit 18 Songs. Ich | |
musste die Essenz und die Dramaturgie verstehen, sowie den Aufbau der | |
Musik. Es geht auch darum, wer was wie sagt. Ich musste lernen und in der | |
Bibel nachschauen. I had to educate myself, um diese Musik zu verstehen. | |
Dann habe ich aktiv gerappt, Public-Enemy-Texte und alles, was so politisch | |
stigmatisiert war, auch black racist music. Das habe ich alles gehört, um | |
mich zu powern, um mich nicht kleiner zu machen. Und dabei habe ich | |
angefangen, die Welt Schwarz-Weiß zu sehen, immer radikaler. | |
War das Ihre Art, sich zu verteidigen? | |
Ich war 13 Jahre alt, ich war allein, ich war in Stuttgart überall der | |
einzige Schwarze. Ich hatte keinen gesehen, der so aussieht wie ich, außer | |
den anderen Männern, die nicht politisch waren und eritreische Lieder | |
gesungen haben. Wenn ich nach Bologna fahre, sind es hin und zurück elf | |
Stunden Zug. Ich werde elf Mal angehalten, zwei Mal muss ich mich komplett | |
ausziehen. Das ist für mich Standard. Ich werde kontrolliert, | |
verdachtsunabhängig, es ist Willkür, Repression vom Staat. Diese Musik | |
gehört zu meiner Emanzipation von dieser Behandlung mit dazu. Es ist nicht | |
nur Rap, es ist mein life. | |
Wie sind Sie aus dieser Schwarz-Weiß-Sichtweise herausgekommen? | |
Durch Kontakte mit den anderen habe ich bemerkt: So kann man nicht durch | |
die Welt gehen. Ich sehe nicht jeden Weißen als Rassist, auch wenn er etwas | |
Blödes sagt. „Did you heard what Trump said about you? He does’nt like you | |
blabla.“ Ich habe keine Lust, mich von anderen instrumentalisieren zu | |
lassen. Es gibt viele schwarze Arschlöcher, es gibt viele weiße | |
Arschlöcher. Das ist das Lieblingsargument von vielen, aber es ist auch nur | |
die halbe Wahrheit. Wenn man die conditions von vielen Afrikanern anguckt, | |
ist das ein Problem mit Imperialismus, Kolonialismus und leider immer noch | |
white supremacy bei wenigen Leuten ganz oben. | |
Wie finden Sie Deutschland als Schwarzer derzeit? | |
Ich lebe in Deutschland seit 1977, ich habe hier viele Phasen erlebt, auch | |
die gegen Ausländer nach 1989. Aber ich denke, dass kein Land eine so große | |
Entwicklung gemacht wie die Bundesrepublik Deutschland mit seinen | |
Mitbürgern und seinen Institutionen. | |
Was stört Sie in Deutschland? | |
Es gibt keine Debattenkultur mehr und dadurch entstehen diese Ventile wie | |
die AfD oder Pegida. Aber wenn du keine Argumente hast, brauchst du Gesetze | |
und da ist die Demokratie verloren. Ich hätte auch gerne diversity, was | |
Meinungen angeht, in Medien, Print, Radio und Fernsehen. So wüsste man, | |
dass es solche Strömungen überhaupt gibt und man würde verstehen, warum die | |
AfD 13 Prozent kriegt und Trump wird nicht gewählt. Es sind eure Babies. | |
You must have done something to make it happen. | |
Sie haben gesagt, Obamas Wahl wäre ohne Hip-Hop nicht möglich gewesen. | |
Haben die positiven Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland auch was | |
mit dieser Musik zu tun? | |
In den USA und in der Welt hat Hip-Hop auf jeden Fall eine sehr große Rolle | |
gespielt. Aber in Deutschland ist es eine andere Dynamik, glaube ich. Die | |
Nachkriegsgenerationen wollen nicht mehr hören, dass sie die Juden-Killer | |
oder die Kriegstreiber sind, auch nicht, dass in Deutschland nur Rassisten | |
leben und dafür haben sie sich eingesetzt. So viel Migration wie in den | |
letzten 20 oder 30 Jahren muss man anerkennen, auch dass die Gesellschaft | |
das begleitet – das ist besonders. | |
Sie haben mal in einem Interview gesagt: Ein Afrob-Album ist immer ein | |
Politikum. | |
Nicht schlecht, oder? | |
Muss Hip-Hop denn immer politisch sein? | |
Nein, aber ich bin ein Politikum. Alles, was ich sage, ist politisch. Ich | |
habe zu allem eine Meinung. Wir haben aber nur leider verlernt, uns | |
zuzuhören. Wir reden nur übereinander. Rassismus ist eine Meinung, kein | |
Verbrechen. Ich bin dafür, dass jemand mit einer anderen Kultur in diesem | |
Land lebt und seinen Beitrag leistet. Aber es muss möglich sein, darüber zu | |
reden. | |
Wie hat sich Hip-Hop in den vergangenen 20 Jahren verändert? | |
Alles muss mir nicht gefallen. Rap hat sich schon immer entwickelt, in | |
manchen Situationen habe ich davon profitiert, manchmal auch nicht. Aber im | |
Kern bleibt etwas vom Underdog. Egal ob neu oder alt, Hauptsache, es ist | |
eine Musik, die mir gefällt. | |
Was ist Ihre Rolle in der Hip-Hop-Szene? | |
Ich habe schon ein bisschen eine Watch-Dog-Rolle, aber ich bin kein | |
Dogmatiker. Ich zeige auf niemanden mit dem Finger und sage, das ist kein | |
richtiger Rap. Das gibt es nämlich nicht. Wir hatten damals die Chance, Rap | |
zu interpretieren, wie wir es gesehen haben. So erlaube ich es auch | |
anderen, diesen 2006-Geborenen. Für die ist es natürlich ganz anders und 50 | |
Cent ist schon zu alt. Das ist voll okay so und ich liebe Rap dafür. Ich | |
hoffe nur, man scheißt nicht darauf, was es vorher gab. | |
Welche Tipps würden Sie jemanden geben, der mit Rap anfangen will? | |
Erstmal zur Schule gehen. Unterhaltungsbranche, was soll das? Von dir gibt | |
es vielleicht 100, du bist nicht alleine. Nur mit Talent allein ist es | |
wirklich schwierig. Mit Persönlichkeit geht es leichter. Ich will nicht | |
sagen, hör auf, deinen Traum zu leben. Aber 18-Jährige sollten nicht | |
denken, ihr Leben ist schon vorbei. Das habe ich auch gedacht aber du hast | |
so viel Zeit, du kannst in die Schule gehen und was lernen. | |
Ist es für Sie wichtig, dass viele Frauen auf Ihre Platte rappen? | |
Es ist nicht nur wichtig, dass Frauen auf meiner aktuellen Platte sind. Du | |
wirst in ganz Deutschland keinen finden, der wie ich eine Frau auf jeder | |
Platte hat, die rappt und nicht la-la-la singt. | |
Warum gibt es in der Hip-Hop-Szene eigentlich so wenig Frauen? | |
Es ist eine sexistische, männerdominierte, faschistoide Domäne. Ich mache | |
mir damit keine Freunde, aber ihr könnt mich am Arsch lecken. Keine Frau, | |
keine Gesellschaft. Ich glaube, es ist das größte Problem der | |
Hip-Hop-Szene, dass wir zu wenig Frauen haben, die rappen. Das kann ich | |
nicht verstehen, denn das ist noch schlimmer, als nicht genug | |
Schwarz-Afrikaner zu haben. Frauen sollten aber machen können, was sie | |
wollen und auch einfach rappen. Sie müssen nicht die bitch sein. | |
26 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Adèle Cailleteau | |
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