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# taz.de -- Neues HipHop-Album von Neonschwarz: Bass im Ananasland
> Feine Sahne Fischfilet spielt nun doch in Dessau – Neonschwarz ist ihre
> Vorgruppe. Die Bands zeigen die politische Wirkungskraft von linker
> Musik.
Bild: Politisch und partytauglich: Neonschwarz machen HipHop fernab von Klische…
Ein Dienstagmorgen in einer Bar in Hamburg-Ottensen. Alle vier Mitglieder
der Hamburger [1][HipHop-Crew Neonschwarz] haben sich zum Interview
eingefunden: Marie Curry, Johnny Mauser, Captain Gips und Spion Y.
Gesprochen wird über ihr neues Album. „Clash“ heißt es, und es ist ein
fulminantes Werk geworden. Bei manchen Songs bläst einen der kraftvolle
Sound geradezu um, dazu sind eingängige Hooks, coole Scratches und Samples
zu hören. HipHop-Profis wie Ulliversal, Nvie Motho und Riffsn haben
Neonschwarz brillante Beats geschmiedet.
Und noch eine Neuerung: Neugierig wie nie zuvor verlässt das Quartett nun
gelegentlich seine vertraute Rap-Basis für Ausflüge in die weiten Welten
des Pop. „Großen Anteil an den Songs hat Produzent Magnus Wichmann“, sagt
Marie Curry. „Er ist kein HipHop-Nerd, sondern in vielen Stilen zuhause.
Das tat uns gut, er brachte seine Ideen mit ein. Wir haben die Songs über
einen langen Zeitraum entwickelt und uns dann eine Woche in seinem Studio
in Leipzig eingenistet, um alles Material fertigzustellen.“
Spätestens nach der [2][Absage des Bauhaus-Konzerts der Band Feine Sahne
Fischfilet], die jetzt [3][doch in Dessau auftreten] dürfen, mit
Neonschwarz als Vorband, zeigt sich, wie viel politisches Wirkungspotenzial
in aktueller Musik stecken kann – sie bietet eine gute Möglichkeit, Haltung
zu beziehen. Mit der linken Punkbank aus dem Nordosten Deutschlands sind
Neonschwarz schon zusammen aufgetreten. Und auch sonst gibt es eine Nähe.
Seit ihrer Gründung 2012 gelingt es den linken Rappern fernab von
Szene-Nischen ein größeres Publikum für fortschrittliche Positionen
jenseits aller Parteilinien zu begeistern. Das neue Album „Clash“ lockt mit
partytauglichen Tracks und überrascht dann mit Texten gegen Nazis,
Homophobie, Kapitalismus. Dabei treten Neonschwarz nicht wie verbissene
Prediger in Erscheinung, sie packen ihre Haltung stets in lässige Reime.
Früher gehörten dazu auch Schilderungen von Utopien, vom wünschenswerten
Zusammenleben.
## Nazis sind scheiße
Auf „Clash“ ist von Utopien allerdings nicht so viel übrig: „Wir entwick…
diesmal weniger Visionen, sondern setzen uns mehr mit gegenwärtigen
Zuständen auseinander“, sagt Johnny Mauser. „Vor allem mit dem Rechtsruck.…
Der beschäftigt Neonschwarz schon länger. „Wenn die AfD im Osten
zweitstärkste Kraft ist, haben wir als politisch denkende Menschen und
Rapper automatisch den Drang, darüber einen Text zu schreiben“, sagt Johnny
Mauser. „Sollten sich deshalb Grundaussagen bei uns wiederholen, ist das
nicht schlimm. Man kann nicht oft genug sagen, dass Nazis scheiße sind.“
In den neuen Songs klingt hier und da zwar an, dass der Rechtstrend
ermüdet, aber Kampfeslust und Hoffnung gewinnen letztlich die Oberhand.
„Jeder von uns ist mal verzweifelt, wenn irgendwo Nazis marschieren“, sagt
Johnny Mauser. „Und ein paar Tage später läuft man mit 16.000 Menschen
[4][auf einer Demo für die Seenotrettung von Geflüchteten durch Hamburg]
und schöpft wieder Hoffnung. Es geht hin und her, das spiegelt sich auf dem
Album wider.“
Besonders am Herzen liegt der Band der Track „Der Opi aus dem 2. Stock“. Er
handelt von einem Schoah-Überlebenden, der zurückgezogen in Deutschland
lebt. „Das ist der Song, über den wir am meisten diskutiert haben“, sagt
Captain Gips. „Uns ist klar, dass wir die [5][Gefühlswelt eines
Schoah-Überlebenden] nicht annähernd nachempfinden können. Trotzdem wollen
wir mit unseren bescheidenen Mitteln an diese Menschen erinnern und die
Kontinuität des Antisemitismus thematisieren.“
## Tolle Basslaufs und Old-School-Vibes
Als Erstes war die jazzige Hookline gesetzt, die Neonschwarz-DJ Spion Y
für den Song ins Spiel brachte. Sie basiert auf dem Eins-Zwo-Klassiker „Die
Omi aus dem 1. Stock“ von 1999. Dann kam der Text. „Wir haben für den Song
nochmal ausführlich recherchiert, uns vor allem mit Zeitzeugenberichten
beschäftigt“, sagt Marie Curry. Für Neonschwarz-Verhältnisse ist das Stück
auffällig düster. Der Text berührt, Anmaßung kann man der Band nicht
vorwerfen: „Immer bereit zur Flucht, weil er Vertrauen niemals hatte /
Neben seinem Bett steht die gepackte Tasche“.
Auf dem Album findet sich aber auch Leichteres. Zum Beispiel der
Dicke-Hose-Rap „Gleis 13“, die Erinnerung an den schönsten Sommer des
Lebens in „Maradona“ sowie „Verrückt“, ein Dancefloor-Filler mit
Soul-Schlagseite für alle, die als durchgeknallt gelten. Ein Highlight ist
„Ananasland“. Nicht nur wegen seines tollen Basslaufs und den
Old-School-Vibes, sondern auch, weil die Band treffsicher und humorvoll das
ach so alternative Leben in hippen Stadtteilen aufs Korn nimmt.
Sie selbst wohnen auf St. Pauli, wissen genau, wovon sie rappen – und
meinen sich vermutlich in mancher Zeile auch selbst: „Altbau-Attitüde,
locker leben nur mit Mühe/Kinderfinger nähen auch für deine Kids im
Biodiscounter die Jutetüte/18 Euro pro Quadratmeter / Mama, Papa, Oma,
bitte darf ich das? / Diesen Lifestyle musst du dir dann leisten können/
Doch die Modekette nebenan scheiße finden.“
29 Oct 2018
## LINKS
[1] /Hamburger-Hip-Hop-Alben-gegen-Rechts/!5468258
[2] /Bauhaus-sagt-Feine-Sahne-Fischfilet-ab/!5539600
[3] /Nach-Konzertabsage-von-Bauhaus/!5541244
[4] /Unteilbar-und-andere-Grossdemos/!5540031
[5] /Lesung-und-Konzert-von-Esther-Bejarano/!5480870
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
HipHop
Anti-Rassismus
Politische Musik
Hamburg
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Dessau
Schwerpunkt Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern
Schwerpunkt Rassismus
Doris von Sayn-Wittgenstein
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Schwerpunkt AfD
Politische Kunst
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