| # taz.de -- „Unteilbar“ und andere Großdemos: Nötig wie Brot | |
| > Demos wie #unteilbar bieten keine politischen Lösungen. Aber sie geben | |
| > Kraft, zeigen Macht und können die öffentliche Meinung kippen. | |
| Bild: Brot ist gut. Ein Aufstrich macht es noch besser. Also auch: Her mit dem … | |
| Es ist einfacher, die Demokratie zu verteidigen, solange es sie noch gibt. | |
| Und es ist auch leichter, Rechtsradikalismus und Populismus zu bekämpfen, | |
| solange sie nicht an der Macht sind. Denn sind sie es erst, dann etablieren | |
| sie ein Klima der Einschüchterung und der Polarisierung, sie trumpfen dann | |
| auf, und ihre Antipoden sind, umgekehrt, demoralisiert. Man blicke nur nach | |
| Ungarn, nach Polen, nach Italien oder auch nach Österreich. | |
| Deshalb ist die [1][#unteilbar-Demonstration] am Samstag in Berlin, zu der | |
| mehrere Zehntausend Menschen erwartet werden, wichtig. Weil damit | |
| Zigtausende ein deutliches Zeichen senden, dass sie sich gegen eine Politik | |
| des Ressentiments, der gesellschaftlichen Spaltung und des Antipluralismus | |
| stellen. | |
| Nörgler mögen einwenden, dass Demonstrationen nichts erreichen, nur die | |
| ohnehin Überzeugten anziehen und die anderen bestenfalls kaltlassen. Aber | |
| das ist nicht wahr. Große Demonstrationen haben eine Botschaft, nicht | |
| zufällig spricht man gerne davon, dass sie „ein unübersehbares Zeichen“ | |
| setzen. Sie sind eine Botschaft an jene, die teilnehmen oder mit ihren | |
| Zielen sympathisieren: Wir sind viele. Du fühlst dich gerade vielleicht | |
| etwas ohnmächtig, aber dafür gibt es keinen Grund. | |
| Kurzum: Sie geben Kraft. Und Demonstrationen wirken auf die öffentliche | |
| Meinung. Diskursiv wird gegenwärtig ein Klima hergestellt, das den Eindruck | |
| erweckt, die Themen der AfD beherrschten alles, Xenophobie und Rassismus | |
| seien hegemonial. Diese öffentliche Meinung kann aber auch in eine andere | |
| Richtung kippen. Und die „unübersehbaren Zeichen“ können dazu einen | |
| wichtigen Beitrag leisten. | |
| Eine dritte Funktion, die Demonstrationen haben können: Sie können die | |
| Mächtigen unter Druck setzen – oder politische Gegner insofern | |
| einschüchtern, als sie ihnen zeigen, dass sie sehr viele Gegner haben. | |
| [2][Der Rechtspopulismus] ist nicht an der Macht, nicht in der Regierung. | |
| Natürlich wird eine mächtige Demo die ureigene populistische Fantasie | |
| bestätigen, eine verfolgte Minderheit zu sein; stets bedroht, dass man ihr | |
| das Wort verbietet. | |
| Der Rechtspopulist fühlt sich gerne verfolgt und zieht daraus Kraft. Er | |
| leidet nicht an Paranoia, er genießt sie. Eine herrschende Elite, so seine | |
| Behauptung, stelle ihm nach. Wetten, er wird auch behaupten, das | |
| Establishment demonstriere gegen ihn? | |
| ## Klare Kante gegen die Verrohung | |
| Man muss diese Ambivalenz aushalten, aber man soll vor ihr auch nicht die | |
| Augen verschließen: Demonstrationen wie die heutige sind im Grunde keine | |
| Protestakte gegen die Regierung, sie sind Protestakte gegen ein | |
| gesellschaftliches Klima und Protestakte gegen die Opposition. Sie sind in | |
| gewissem Sinne sogar Manifestationen für das Bestehende: für die | |
| Verteidigung der pluralistischen Demokratie, die Verteidigung von | |
| Menschenrechten, von zivilisatorischen Standards. Für den Geist eines | |
| Europas der offenen Gesellschaften, das unter Druck geraten ist. | |
| Eine solche Manifestation ist heute so nötig wie ein Bissen Brot, aber | |
| zugleich würde sie zu kurz greifen, wenn es bei ihr bliebe. Der | |
| Rechtsradikalismus findet seinen Humus in dem Gefühl bestimmter sozialer | |
| Milieus (manche nennen sie „die Abgehängten“, aber es betrifft genauso die | |
| Teile der unteren wie der klassischen Mittelschicht), dass ihnen die Felle | |
| davonschwimmen: dass sie keine Stimme haben, dass sie keine politische | |
| Vertretung haben, dass eine Kaste des Politestablishments alles | |
| untereinander ausmacht. | |
| Der rechte Populismus ist eine Revolte gegen ein reales Problem, aber eine | |
| Revolte in perversen Formen, wie das Pierre Bourdieu einmal nannte. | |
| Wirklich besiegen wird man ihn nur können, wenn sich die Minderheiten, die | |
| er umgarnt, nicht mehr als Vergessene vorkommen. | |
| Es braucht eben zweierlei: politische Alternativen, die auch den | |
| Verbitterten wieder Hoffnung anbieten; und eine Revolte gegen die perverse | |
| Revolte, klare Kante gegen die Verrohung. | |
| 13 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Robert Misik | |
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