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# taz.de -- Über 200.000 bei „Unteilbar“-Demo: #Wirsindganzvielmehr
> Sehr viel mehr Menschen als geplant gingen am Samstag in Berlin auf die
> Straße. Die VeranstalterInnen sind überwältigt.
Bild: Blick von der Siegessäule: Mehr als 200.000 Menschen kamen
Berlin taz | Als um 16 Uhr eigentlich die Abschlusskundgebung an der
Siegessäue beginnen soll, sind große Teile der 4,5 Kilometer langen Route
noch voller Menschen. Die Berliner Innenstadt ist den [1][ganzen
Samstagnachmittag über] voll mit den TeilnehmerInnen der #unteilbar-Demo.
Die Resonanz sei „überwältigend“, sagt unteilbar-Sprecherin Theresa
Hartmann am Nachmittag der taz. „Die Menschen tanzen vor der Siegessäule,
ein besseres Zeichen hätten wir gar nicht senden können.“
Das Bündnis hatte 40.000 Menschen zu der Demo erwartet. Um 15 Uhr am
Samstag schätzte es die Zahl dann auf 150.000, um 17.15 korrigiert es die
Schätzung auf 242.000. Eine größere Demo gab es in Berlin seit Jahren
nicht.
Die OrganisatorInnen haben Mühe, die ganze Länge des Zuges zu überblicken,
der sich etwa um 13 Uhr am Alexanderplatz in Bewegung gesetzt hatte. Weil
stundenlang weitere Menschen hinzukamen, konnte ein Großteil der über 50
Lautsprecherwagen erst mit erheblicher Verzögerung starten. Auf Plakaten
ist zu lesen „Seenotrettung ist kein Verbrechen“, auch an die Opfer der
rassistisch motivierten NSU-Morde erinnern Teilnehmer mit Bannern.
Mancherorts wirkt die Veranstaltung wie eine große Party: Technomusik tönt
aus Boxen, mit Glitzer geschmückte Menschen tanzen.
„Das ist jetzt schon der Höhepunkt des Herbstes der Solidarität“, sagt
Hartmann mit Blick auf die Serie von Großdemos gegen Rechts in den letzten
Monaten. Zwar seien weitere Aktionen für die nächste Zeit derzeit nicht
geplant, „wir glauben aber, dass die Menschen diese ganze Dynamik jetzt in
den Alltag mitnehmen und überall neue Initiativen ergreifen.“
## Zwei Stunden warten auf den Beginn
Auf die Straße gegangen ist auch Jeannette Böhme, eine 38-jährige
Berlinerin mit kurzen dunklen Haaren. Sie hat eine Jeansjacke umgeknotet,
die sie im strahlenden Sonnenschein des Tages die überhaupt nicht braucht.
Gegen 13 Uhr hat sie sich mit einer Freundin an der nördlichen Seite des
Alexanderplatzes getroffen, an der sich die Wägen sammeln und sortieren.
Eine andere Freundin hat sie direkt wieder im Getümmel verloren – die
Menschen stehen dicht an dicht, und wer von einer Straßenseite zur anderen
kommen will, braucht Geduld. Seit fast zwei Stunden wartet Böhme nun
darauf, dass die Demo endlich losgeht.
Dass sie bei #unteilbar dabei sein würde, sei klar gewesen, seit sie im
Sommer von der Mobilisierung gehört habe, sagt sie. „So ein breites Bündnis
gibt es nicht oft – und so ein klares Zeichen gegen Rechts und für soziale
Gerechtigkeit auch nicht.“ Sie mache sich große Sorgen über das, was gerade
in Deutschland passiere: „Der wachsende Antifeminismus, der mit dem
Rechtsruck einher geht, ist eine Bedrohung.“ Nun empfinde sie es als „total
stärkend, dass so viele Menschen auf die Straße gegangen sind. Ich bin sehr
erleichtert, dass die Mehrheit der Menschen offenbar nicht ins Jahr 1933
zurück will.“
Am Rand der Strecke steht Barbara Wessel, eine der Organisatorinnen und
Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein. „Ich bin jetzt
schon richtig bewegt“, sagt Wessel. „Ich hatte diese Angst, dass wir viele
Menschen mobilisieren, daraus aber nichts folgt.“ Aber wenn sie sich
anschaue, was hier los sei, sei diese Angst unbegründet: „In dieser Menge
an Menschen steckt unglaubliches Potential“, sagt sie. „[2][Die Demo ist
nur ein Anfang.]“
## Ungewöhnlich wenig Polizei
Weite Teile der Demo laufen ganz ohne offensichtliche Begleitung der
Polizei – für Berlin ein ungewohntes Bild. Als an der Höhe Leipziger Ecke
Mauerstraße einmal zehn PolizistInnen im Laufschritt am Straßenrand entlang
joggen, fallen sie auf.
18 RednerInnen begrüßten die DemonstrantInnen zum Auftakt, unter ihnen
SprecherInnen des DGB, von Amnesty International, der Initiative Schwarze
Menschen in Deutschland, dem Zentralrat der Muslime oder streikende
Ryanair-Beschäftigte. GebärdensprachdolmetscherInnen übersetzten von der
Bühne. „Eine offene Gesellschaft wird uns nicht geschenkt“, sagte Anja
Nordmann vom Deutschen Frauenrat. Weltweit sei „die Rückkehr eines
überwunden geglaubten Patriarchats“ zu beobachten.
Die Veranstalter hatten sich bemüht, nicht nur Rassismus und Migration zu
thematisieren. „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration
gegeneinander ausgespielt werden“ hieß es im Aufruf. Urich Schneider vom
Paritätischen wandte sich gegen eine nationalistische Sozialpolitik, wie
sie von RechtspopulistInnen teils propagiert wird. „Alle Menschen haben den
gleichen Anspruch auf Unterstützung“, sagte er. „Worauf die Rassistinnen
abzielen, ist nicht nur Ausgrenzung, sondern eine Gesellschaft, die unfrei
ist, in der man nicht mehr atmen kann.“
## Ryanair-Streikende sind mit dabei
„Ryanair Must Change“, steht gelb auf blau auf einem großen Banner, das
einige junge Frauen und Männer tragen. Sie sind Angestellte der irischen
Billigfluggesellschaft, die für ihre besonders schlechten
Arbeitsbedingungen bekannt ist. Seit August führen die Mitglieder des
Kabinenpersonals gemeinsam mit der Gewerkschaft verdi einen Arbeitskampf,
und gemeinsam mit verdi sind sie heute auch hier auf der Demonstration.
„[3][Es gibt sehr viel Kraft], gemeinsam mit so vielen Menschen auf der
Straße zu sein und zu sehen, dass uns die Deutschen unterstützen“, sagt die
27-jährige Laura, die von ihren KollegInnen zu einer der SprecherInnen des
Protests gewählt wurde. Seit die Konzernleitung Anfang Oktober angekündigt
hat, Ryanair werde seine Basis in Bremen kurzfristig schließen, sei die
Stimmung in der Belegschaft noch angespannter als zuvor. „Aber das hat auch
sein Gutes“, sagt sie: „Es gibt in der Belegschaft eine große Einigkeit und
vor allem einen sehr großen Willen zu kämpfen.“
Um besser zu sehen, hat sich Nammyoung Hong auf eine Mauer gestellt. Die
25-Jährige kommt aus Südkorea, seit einem Jahr studiert sie in Berlin. Es
ist ihre erste Demonstration in Deutschland, und ihre Begeisterung ist ihr
deutlich anzumerken. „Für mich ist es sehr bewegend, so viele Menschen für
Freiheit und gegen Ausgrenzung auf der Straße zu sehen.“ Sie will später
ihren Freunden in Südkorea davon erzählen, sagt sie, weil sie glaube, dass
diese Demonstration eine Inspiration für junge Menschen dort sein könne.
## Regierungspartei gegen Regierung
Am Vormittag hatten auch SPD-Chefin Andrea Nahes und Außenminister Heiko
Maas ihre Unterstützung für die Demo bekundet. Maas sagte, die Mehrheit in
Deutschland stehe für „Toleranz und Weltoffenheit“. Neuer Nationalismus
löse kein einziges Problem. SPD, Grüne und Linke hatten ganze Blöcke
innerhalb des Demozugs gebildet.
„Wir sehen diesen Widerspruch schon, mit Regierungsparteien gegen eine
Politik zu demonstrieren, die teils von der Regierung selbst betrieben
wird“, sagte Hartmann dazu. Das Bündnis sei aber der Meinung gewesen, dass
es einen sehr breiten Schulterschluss gegen den Rechtsruck brauche. Die
Kundgebung sei auch keine Parteiveranstaltung gewesen. „Die Leute haben
sich mit unseren Inhalten identifiziert und dann sind sie willkommen.“
Die Berliner CDU hingegen nannte die Unterstützung von unteilbar durch die
SPD „unverantwortlich“. Die Demo war von dem Berliner Rechtsanwalt Theune
angemeldet worden, der Mitglied der Roten Hilfe ist. Für den Berliner
CDU-Generalsekretär Stefan Evers ist dies eine Organisation, die
„linksextremistische Verbrecher“ unterstütze. Zudem werde die Aktion
mitgetragen „von vielen anderen dubiosen Organisationen“.
## Von der Kirche bis zur MLPD
Zur Demo hatten im Internet etwa 9.000 Einzelpersonen und Organisationen
aufgerufen. Unter ihnen waren etliche kirchliche Organisationen,
Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Parteien.
Die Demonstration war dementsprechend bunt: Hilfsorganisationen wie Brot
für die Welt und Amnesty International waren vertreten; aber auch Parteien
wie die Linke, die Grünen und die Marxistisch-Leninistische Partei
Deutschlands sowie feministische und von Migranten organisierte Gruppen.
Unterstützt wird das Bündnis außerdem von Künstlern, Wissenschaftlern wie
dem Satiriker Jan Böhmermann und der Band „Die Ärzte“.
13 Oct 2018
## LINKS
[1] /Unteilbar-Demo-in-Berlin/!5542690
[2] /Unteilbar-Demo-in-Berlin/!5539922
[3] /Unteilbar-und-andere-Grossdemos/!5540031
## AUTOREN
Malene Gürgen
Christian Jakob
Patricia Hecht
## TAGS
#Unteilbar
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Herbert Grönemeyer
Paritätischer Wohlfahrtsverband
Heiko Maas
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