# taz.de -- Raubkunst im Humboldt Forum: Blamage mit Ansage | |
> Kurz vor der Eröffnung des Humboldt Forums fordert Nigeria ein Prunkstück | |
> der Ausstellung, die Benin-Bronzen, zurück. | |
Bild: Drei Raubkunst-Bronzen sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe au… | |
Berlin taz | Es war zu erwarten und dennoch ist die Nachricht eine | |
Sensation: Wenige Tage vor der – wegen Corona zunächst digitalen – | |
Eröffnung des Humboldt Forums im rekonstruierten Schloss fordert die | |
Regierung von Nigeria offiziell die Rückgabe der weltberühmten | |
Benin-Bronzen. Die Nigerianische Botschaft in Deutschland habe eine formale | |
Restitutionsforderung an Bundeskanzlerin Angela Merkel und | |
Kulturstaatssekretärin Monika Grütters gestellt und warte auf Antwort, | |
[1][schrieb Botschafter Yusuf Tuggar vorigen Mittwoch auf Twitter]. Hinter | |
der Forderung stehe die gesamte nigerianische Regierung, Nigerias Bürger | |
und Körperschaften, ergänzte er. Der Tagesspiegel hatte am Wochenende | |
zuerst berichtet. | |
Zu den berühmten Benin-Bronzen zählen an die 5.000 Artefakte aus dem | |
früheren Königreich Benin in Westafrika, die heute in die halbe Welt | |
verstreut sind. Einige davon waren schon im Ethnologischen Museum Dahlem | |
Prunkstücke der Sammlung und sollen auch im Humbolt Forum einen wichtigen | |
Platz bekommen. Allerdings ist ihr Weg nach Berlin hoch problematisch: Die | |
jahrhunderte alten Skulpturen aus Bronze, Terrakotta, Elfenbein- und | |
Holzschnitzereien wurden zum Großteil 1897 von britischen Soldaten geraubt, | |
die in einer kolonialen „Strafexpedition“ die alte Königsstadt weitgehend | |
zerstörten. Später kamen europäische Händler und „kauften“ weitere Stü… | |
auf. | |
Die meisten Benin-Bronzen kamen in Auktionen in Europa unter den Hammer. | |
Für Berlin kaufte Felix Luschan, Direktorialassistent am Völkerkundemuseum, | |
mehrere hundert Objekte. Laut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) | |
[2][befinden sich heute rund 530 historische Objekte aus dem Königreich | |
Benin in der hiesigen ethnologischen Sammlung], im Humboldt Forum soll rund | |
die Hälfte davon ausgestellt werden, hatte eine Sprecherin der taz im | |
vorigen Jahr erklärt. | |
Allerdings mehren sich seit Jahren Stimmen, die eine Rückgabe dieser | |
Raubkunst an Nigeria verlangen. Das Land selbst hatte bereits Ende der 60er | |
Jahre zum ersten Mal die Rückgabe gefordert. [3][Vor zwei Jahren beschloss | |
Frankreich, „seine“ Benin-Statuen, die 1892 von französischen Soldaten | |
gestohlen wurden, an das heutige Benin, den Nachbarstaat von Nigeria, | |
zurückzugeben]. Präsident Emmanual Macron folgte damit den Ergebnissen | |
einer Studie der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und des Ethnoligen | |
Felwine Sarr zu afrikanischer Raubkunst in Europa. In der Studie wird auch | |
am Humboldt Forum das „koloniale Vergessen“ im Umgang mit Kunst und | |
Objekten aus Afrika kritisiert. Savoy trat deswegen 2017 aus dem Beirat des | |
Humboldt Forums aus. Auch Gruppen wie Berlin Postkolonial oder Afrika | |
avenir protestieren seit Jahren gegen die Ausstellung von Raubkunst im | |
künftigen Humboldt Forum und fordern deren Rückgabe an die Herkunftsländer. | |
Bei der SPK wiederum beruft man sich seit jeher darauf, es gebe kein | |
„offizielles“ Rückgabegesuch aus Nigeria oder Benin. Die genaue Herkunft | |
aller ausgestellten Sammlungsstücke werde aber sorgfältig recherchiert und | |
in der Ausstellung offen gelegt. Das Ethnologische Museum sei zudem Teil | |
der „Benin Dialogue Group“ und bereit, für das geplante Museum in Benin | |
City, das im kommenden Jahr eröffnen soll, Objekte als Leihgabe zur | |
Verfügung zu stellen. | |
Laut Tagesspiegel sagte das Auswärtige Amt, das Schreiben der | |
nigerianischen Botschaft sei bereits im August 2019 eingegangen. Im | |
Anschluss habe es diplomatische Gespräche dazu gegeben. Die Bundesregierung | |
sehe das Schreiben aber nicht als „offizielle“ Rückgabeforderung an. Dass | |
sich Botschafter Tuggar ausgerechnet jetzt – am Mittwoch soll Eröffnung | |
sein – an die Öffentlichkeit wendet, kann als Versuch gelesen werden den | |
Druck auf Deutschland zu erhöhen. | |
Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer, einer der führenden Experten auf | |
dem Gebiet, [4][schrieb auf Twitter], die Nachricht sei eine „Bombe“ und | |
eine Blamage für Deutschland. „Ich hatte vor Monaten die Politik, auch | |
#Bundeskanzlerin schon darauf hingewiesen, dass die ungelöste Frage der | |
#BeninBronzen die Eröffnung #HumboldtForum zu überschatten drohe. Nun | |
scheint es so zu kommen.“ Das Thema weiter auszusitzen sei eine „schlechte | |
Idee. Es braucht den großen Wurf“. | |
Ähnlich sieht das offenbar Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Er sagte | |
dem Tagesspiegel: „Wenn die Benin-Bronzen zurückgefordert werden, dann | |
müssen sie zurückgegeben werden.“ | |
13 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/YusufTuggar/status/1336764262912569344 | |
[2] /250-Jahre-Alexander-von-Humboldt/!5625776 | |
[3] /Koloniale-Beute/!5642144 | |
[4] https://twitter.com/juergenzimmerer/status/1336943990453587968 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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