# taz.de -- Digitale Eröffnung des Humboldt Forums: Die Kritiker umarmen und e… | |
> Die Kolonialismusdebatte rund um die Ausstellungsstücke im Humboldt Forum | |
> nimmt zur Eröffnung groteske Züge an. Überraschend ist das nicht. | |
Bild: Raubkunst aus dem Benin in einem Hamburger Museum ausgestellt – Raubkun… | |
In Sachen Kolonialismusdebatte fährt das Humboldt Forum schon länger eine | |
geschickte Strategie. Kritik wird nicht einfach niedergemacht oder | |
ignoriert, sondern als „Stimme der Anderen“ im Sinne zeitgenössisch hipper | |
„Multiperspektivität“ einbezogen. So wirkt man offen und | |
diskussionsfreudig, ohne praktische Konsequenzen, die womöglich schmerzhaft | |
für einen selbst wären, ziehen zu müssen. Dieses Vorgehen war auch bei der | |
digitalen Eröffnung am Mittwochabend zu bewundern. | |
So wurde etwa der Vorwurf, das rekonstruierte Preußenschloss sei Sinnbild | |
des deutschen Kolonialismus, mittels Kunst am Bau ins Gebäude integriert: | |
Eine schwarze, deckenhohe Stange im Rolltreppenhaus trägt eine schwarze | |
Fahne, die halb in der Decke verschwindet. Im Eröffnungsvideo erklärt der | |
Künstler Kang Sunkoo, seine „Statue of limitation“ erinnere an den | |
deutschen Völkermord an den Herero und Nama. Der obere Teil dieser Fahne | |
auf halbmast solle im kommenden Jahr auf dem Nachtigalplatz in Wedding | |
aufgestellt werden – also mitten im Afrikanischen Viertel, einem anderen | |
Relikt aus Deutschlands kolonialen Zeiten. | |
Auch die Kritik, viele der künftigen Ausstellungsstücke der „Weltkulturen“ | |
seien koloniales Raubgut, war bei der Eröffnung vertreten. In einem | |
eingeblendeten Video durfte die britische Künstlerin Priya Basil sagen, | |
dass Deutschland das größte Kulturprojekt des 21. Jahrhunderts eröffne, | |
„das bald zum Teil gefüllt sein wird mit unrechtmäßig erworbenen Stücken, | |
dem Eigentum von Kulturen aus der ganzen Welt“. | |
## Einen Teufel werden wir zurückgeben | |
Dass diese Feststellung, die in den vergangenen Jahren viele prominente und | |
berufene Fürsprecher hatte, absehbar ohne Folgen bleibt, ließ schon das | |
Eingangsstatement von Generalintendant Hartmut Dorgerloh erkennen. Der | |
antwortete auf die Frage, was er zu der Diskussion der letzten Tage über | |
die Forderung Nigerias nach Rückgabe der Benin-Bronzen sage: „Die Menschen | |
werden uns die Bude einrennen.“ Was nichts anders heißt als: Einen Teufel | |
werden wir zurückgeben, schon gar nicht unsere schönsten Stücke! | |
Überraschend ist das nicht, genau das ist die Politik der Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz (SPK) der letzten Jahrzehnte. Seit bald 40 Jahren | |
fordert Nigeria seine geraubten Kunstschätze des alten Königreichs Benin | |
zurück, daran hat diese Woche die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy | |
erneut erinnert. Genauso lange mauert die SPK. | |
Auch wenn man sich heute gesprächsbereit zeigt, etwa im Rahmen des Benin | |
Dialogue mit Nigeria, und „grundsätzlich“ und „im Einzelfall“ Rückgab… | |
nicht ausschließt: Tatsächlich ist bis heute kein einziges von den rund 530 | |
(!) Stücken aus dem historischen Benin zurückgegeben worden, die Berlin | |
„besitzt“. Auch sonst lassen sich die Rückgaben von außereuropäischer Ku… | |
und ethnologischen Objekten an zwei Händen abzählen. Ein Armutszeugnis nach | |
mehr als zehn Jahren Diskussion übers Humboldt Forum. | |
19 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Humboldt Forum | |
Postkolonialismus | |
Raubgut | |
Kolonien | |
Berliner Schloss | |
Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
Deutscher Kolonialismus | |
Deutscher Kolonialismus | |
Restitution | |
Kolonialismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Raubkunst | |
Freie Universität Berlin | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Humboldt Forum | |
Deutscher Kolonialismus | |
Deutscher Kolonialismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kunstwerk zu Kolonialismus: „Der verschwiegene Punkt“ | |
Kang Sunkoo über seine Installation „Statue of Limitations“: Warum eine | |
Hälfte im Humboldt Forum steht und die andere ab diesem Freitag im Wedding. | |
Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus: Mahnmal der Arroganz | |
Der Umgang mit Raubkunst in Museen und die Aufarbeitung des Völkermords in | |
Namibia zeigen die Halbherzigkeit der kolonialen Erinnerungspolitik. | |
Debatte um Benin-Bronzen: Ein wahres Kunststück | |
Sind deutsche Museen bereit, Raubkunst an Nigeria zurückzugeben? Ein | |
Spitzentreffen in Berlin könnte den Durchbruch in der Debatte bringen. | |
Debatte um Benin-Bronzen: „So unverschämt wie früher“ | |
Kommt es bald zu Rückgaben von geraubten Benin-Bronzen an Nigeria? Beim | |
Verein Berlin Postkolonial ist man eher skeptisch. | |
Historiker über Caritas-Gründer Werthmann: „Biografien als historische Sond… | |
Heiko Wegmann erforscht die Befürworter des Kolonialismus. Dabei stieß er | |
auf Lorenz Werthmann. Dem ging es um die Christianisierung der | |
Kolonialisierten. | |
Raubkunst in Berlin: Postkoloniale Leerstellen | |
Das Humboldt Forum lenkt ein: Die Benin-Bronzen werden wohl nicht gezeigt. | |
Der Intendant geht von Rückgaben an Nigeria aus. | |
Menschliche Überreste auf Uni-Gelände: Verschränktes Erinnern | |
Auf dem Gelände des Berliner Otto-Suhr-Instituts werden Knochen untersucht. | |
Die Erkenntnisse daraus weiten den erinnerungspolitischen Blick. | |
Museumsprojekt zur Provenienzforschung: „Nadeln im Heuhaufen“ | |
Das Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven durchforstet seinen Bestand nach | |
Objekten aus der Kolonialzeit. Dieses Projekt wird 20 bis 30 Jahre dauern. | |
Humboldt Forum in Berlin eröffnet: Kritik? Egal! | |
Bei der digitalen Eröffnung des Humboldt Forums im Stadtschloss ging man | |
der Kontroverse aus dem Weg. Die wieder aufgeflammte Kritik war kein Thema. | |
Debatte ums Berliner Humboldt Forum: Kein Ende gut, alles gut | |
Kurz vor der Eröffnung des Humboldt Forums erinnern Kritiker an die | |
verdrängte Frage der Ausstellung von kolonialer Beutekunst. | |
Raubkunst im Humboldt Forum: Blamage mit Ansage | |
Kurz vor der Eröffnung des Humboldt Forums fordert Nigeria ein Prunkstück | |
der Ausstellung, die Benin-Bronzen, zurück. |