| # taz.de -- Raubkunst in Berlin: Postkoloniale Leerstellen | |
| > Das Humboldt Forum lenkt ein: Die Benin-Bronzen werden wohl nicht | |
| > gezeigt. Der Intendant geht von Rückgaben an Nigeria aus. | |
| Bild: Tausende Benin-Bronzen wurden geraubt und an Museen verkauft. Die hier ge… | |
| Berlin taz | Hartmut Dorgerloh, der Intendant des Humboldt Forums, verliert | |
| gerade einige seiner prominentesten Ausstellungsstücke. In einem | |
| Pressegespräch am Montag sagte er, dass es zu Rückgaben der Benin-Bronzen | |
| aus Berlins Ethnologischem Museum kommen wird – eine Entscheidung darüber | |
| werde wahrscheinlich bis Herbst fallen. Ursprünglich sollten die Stücke im | |
| rund 680 Millionen Euro teuren Prestigeprojekt Humboldt Forum gezeigt | |
| werden, das je nach Coronasituation nach und nach in den nächsten Monaten | |
| öffnen wird. | |
| Noch zur digitalen [1][Eröffnung des Humboldt Forums Mitte Dezember] hatte | |
| Dorgerloh auf die Frage nach kritischen Stimmen im Allgemeinen und | |
| [2][Nigerias jüngst erneut geäußerten Anspruch] auf die Benin-Bronzen im | |
| Besonderen frech erwidert, dass „uns die Leute die Bude einrennen werden“. | |
| Nun scheint er zurückzurudern – sehr zur Freude langjähriger | |
| Anti-Humboldt-AktivistInnen. „Es ist ein großer Tag im jahrzehntelangen | |
| Kampf um die Restitution von Kulturschätzen aus kolonialen Zusammenhängen“, | |
| sagen Mnyaka Sururu Mboro und Christian Kopp von Berlin Postkolonial der | |
| taz. „Doch wir dürfen nicht bei den Benin-Bronzen stehen bleiben: Noch | |
| lagern Zehntausende geraubte Kunstwerke und Tausende Gebeine Kolonisierter | |
| in deutschen Sammlungen.“ | |
| In den letzten Monaten ist einfach zu viel passiert, das kann auch das | |
| Humboldt Forum nicht beiseitelassen. Erst am vergangenen Freitag hat sich | |
| die Kunsthistorikern Bénédicte Savoy, die zu den schärfsten Kritikerinnen | |
| des Humboldt Forums gehört, wieder gegen eine Präsentation der | |
| Benin-Bronzen in Berlin ausgesprochen. „Eigentlich sollte das Schloss 2019 | |
| eröffnet werden, und damals wäre eine Präsentation gerade noch denkbar | |
| gewesen“, sagte Savoy. „Aber mit jedem Monat, mit jedem Tag sinkt die | |
| Wahrscheinlichkeit, dass die Bronzen gezeigt werden können, ohne sich zu | |
| blamieren“, so die in Berlin und Paris lehrende Professorin, die 2018 mit | |
| Felwine Sarr einen Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter | |
| für den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron erarbeitet hatte. | |
| Hinzu kommt, dass in den letzten Tagen Andreas Görgen, der im Auswärtigen | |
| Amt für Kultur zuständig ist, in Nigeria war, um dort über die Rückgabe der | |
| Bronzen zu verhandeln. Einem [3][Bericht in der nigerianischen Presse] | |
| zufolge ist die Gründung einer regierungsunabhängigen Stiftung geplant, an | |
| welche die Bronzen zurückgegeben werden sollen. In Benin-Stadt soll ein | |
| Museum entstehen, das die Bronzen zeigen wird. | |
| „Zu einem aufrichtigen Umgang mit der Kolonialgeschichte gehört auch die | |
| Frage der Rückgabe von Kulturgütern. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, | |
| sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zum Austausch des Auswärtigen | |
| Amtes mit Nigeria zum Zwecke einer Museumskooperation. Dafür habe das Amt | |
| sich mit Bund, Ländern und Gemeinden in den Eckpunkten klare Ziele gesetzt | |
| und man stelle sich der Aufgabe, mit den internationalen Partnern dafür | |
| notwendige Voraussetzungen zu schaffen. „Im Fall der Benin-Bronzen arbeiten | |
| wir mit den Beteiligten in Nigeria und in Deutschland daran, einen | |
| gemeinsamen Rahmen aufzubauen, vor allem in der Museumskooperation mit dem | |
| geplanten Museum of West African Art EMOWAA in Benin-City“, sagte Maas. | |
| ## Leerstellen oder Leihgaben | |
| Die Bronzen gehören derzeit formal der Stiftung Preußischer Kulturbesitz | |
| (SPK). Sie hätte deshalb über ihre Rückgabe zu entscheiden, hat sich aber | |
| lang mit dem Thema schwergetan. Inzwischen geht auch die Stiftung von | |
| Rückgaben aus. Hermann Parzinger, Präsident der SPK, sagte zuletzt der dpa, | |
| es müsse „zu Rückgaben kommen, da bin ich ganz sicher“. Auf Nachfrage sag… | |
| SPK-Sprecherin Stefanie Heinlein zur taz: „Die Stiftung Preußischer | |
| Kulturbesitz führt aktive Gespräche mit den zuständigen Akteuren in | |
| Nigeria, um eine Lösung für die Benin-Bronzen in der Sammlung des | |
| Ethnologischen Museums zu finden.“ Dies geschehe etwa in der Benin Dialogue | |
| Group, in der europäische und afrikanischen Partner über diese Fragen | |
| sprechen. Im Mai komme das Gremium erneut zusammen. | |
| Auf den Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in der | |
| Zeit, dass „in den Ausstellungsräumen im Humboldt Forum Leerstellen | |
| bleiben“ könnten, sagt Heinlein allerdings: „Zu keinem Zeitpunkt war die | |
| Rede davon, dass im Humboldt Forum nur noch Repliken gezeigt werden | |
| sollen.“ | |
| Noch sind keine Rückgaben beschlossen, betont Humboldt-Intendant Dorgerloh. | |
| Dennoch würden „die Konsequenzen für die Ausstellung“ aktuell mit den | |
| „Partnern in Nigeria“ diskutiert. In Rücksprache mit Letzteren sei auch | |
| denkbar, vor Rückgabe der Originale mithilfe moderner Technik exakte Kopien | |
| von Bronzen für das Humboldt Forum anzufertigen. Auf jeden Fall würden die | |
| Konzepte für die bisher geplante Ausstellung der Bronzen weiter | |
| überarbeitet. Sicher sei, dass auch die Unrechtskontexte kolonialer Zeiten | |
| thematisiert werden. | |
| Auf [4][Twitter wird die Entwicklung am Dienstag] teils enthusiastisch | |
| kommentiert. „What a day!“, schreibt die in Berlin lebende | |
| deutsch-englische Schriftstellerin und Antirassismus-Aktivistin Sharon | |
| Dodua Otoo unter dem Hashtag #Beninbronzen. Der Grünen-Abgeordnete | |
| Sebastian Walter findet: „Endlich – der zivilgesellschaftliche Druck hat | |
| gewirkt! An den #BeninBronzen klebt Blut. Sie im #HumboldtForum | |
| auszustellen, wäre ein fatales Zeichen für eine geschichtsvergessene | |
| Fortschreibung kolonialer Kontinuitäten gewesen.“ | |
| ## Vorbild für andere Museen | |
| Die Ethnologin Viola König, ehemalige Direktorin des Ethnologischen Museums | |
| in Dahlem, fängt schon an zu träumen: „Best case scenario: Restitution | |
| Benin Bronzen und Eröffnung ethnologischer Ausstellungen im #HumboldtForum | |
| und Durchimpfung gegen Corona fallen zusammen.“ Einige AktivistInnen | |
| fordern bereits Konsequenzen für andere Museen, etwa das | |
| Rautenstrauch-Joest in Köln. Insgesamt soll es in mindestens zehn deutschen | |
| Museen Benin-Bronzen geben. | |
| Sollte Berlin tatsächlich Bronzen zurückgeben, hätte das enorme | |
| Konsequenzen für diese Museen. Denn die Bronzen, von denen sich in | |
| Deutschland mehr als 1.000 – davon rund 530 im Ethnologischen Museum Berlin | |
| – befinden, gehören zu den bekanntesten und wertvollsten afrikanischen | |
| Kunstwerken. Sie sind in den letzten Jahren zu Symbolen im Streit um | |
| Rückgaben von kolonialer Raubkunst geworden. Die meisten von ihnen wurden | |
| 1897 bei einem militärischen Rache-Feldzug der Briten aus Benin-Stadt im | |
| heutigen Nigeria geraubt, bei dem Soldaten weite Teile der Stadt | |
| verwüsteten. | |
| 23 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Humboldt-Forum-in-Berlin-eroeffnet/!5733910 | |
| [2] /Raubkunst-im-Humboldt-Forum/!5733565 | |
| [3] https://punchng.com/obaseki-german-govt-discuss-return-of-stolen-benin-arte… | |
| [4] https://twitter.com/search?q=%23beninbronzen&src=typed_query&f=live | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
| Susanne Memarnia | |
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