# taz.de -- Historisches Berlin am Humboldt Forum: So viel Schinkel wie nötig | |
> Karl Friedrich Schinkels Bauakademie soll wieder aufgebaut werden. Die | |
> Frage nach dem Wie und dem Wann bleibt am Mittwoch ungeklärt. | |
Bild: Quadratisch, praktisch, modern: Die Bauakademie 1935 | |
Die Schaufassade aus Gerüst und Plane hängt schon längst nicht mehr hier. | |
Sie ist einem hölzernen Bauzaun gewichen. Dahinter tut sich bei einem | |
Presserundgang am sonnigen Mittwochvormittag eine große Grube voller | |
Mauerreste auf. Seit April findet unter der Leitung des Landesdenkmalamts | |
Berlin eine Grabung nach im Boden erhaltenen Mauerresten der Berliner | |
Bauakademie statt, die hier, gleich gegenüber dem [1][Humboldt Forum] an | |
der Museumsinsel, einmal stand. „Mit der Gründung der Bundesstiftung | |
Bauakademie und der geplanten Bebauung am historischen Ort rückt die Frage | |
nach dem Umgang mit ihren letzten authentischen Spuren näher“, so Gunnar | |
Nath vom Landesdenkmalamt. | |
Die 1832 bis 1836 errichtete Berliner [2][Bauakademie] war Karl Friedrich | |
Schinkels letztes Werk, es gilt als Ikone der Moderne, war ein schöner, | |
schnörkelloser Kasten, ein angenehmes Kontrastprogramm auch direkt neben | |
dem ungleich protzigeren Berliner Schloss. Im Zweiten Weltkrieg wurde die | |
Bauakademie stark beschädigt und 1962 per Hand Stück für Stück abgebrochen, | |
um für den Bau des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR | |
Platz zu schaffen. | |
Bereits 2016 hat der Bundestag 62 Millionen Euro lockergemacht, um die | |
Bauakademie zu rekonstruieren. Ursprünglich war der Baubeginn bereits 2020 | |
geplant, aber dann gab es einen Streit um den Leiter der neu gegründeten | |
Bundesstiftung und der Baubeginn ist in weite Ferne gerückt. Im Herbst wird | |
der Wuppertaler Architekturprofessor Guido Spars seine Stelle antreten und | |
dann wird es wohl erst einmal ums Programm gehen. Erst danach soll ein | |
Architekturwettbewerb folgen. | |
Die Sonne brennt heiß auf die 200 Quadratmeter große Grabungsstelle und die | |
Köpfe der etwa 20 Journalist*innen. Die massiven Pfeilerreste, die hier | |
ausgegraben wurden und vielleicht einmal eine eigene Ausstellung im Keller | |
des neuen Gebäudes wert wären, sind beeindruckend wuchtig. Sie verweisen | |
darauf, dass das Haus auch bautechnisch zukunftsweisend war. Jede Fassade, | |
so führt Nath vom Landesdenkmal anschaulich aus, hatte acht Achsen, der Bau | |
insgesamt 64. | |
## Ein ungewöhnliches Haus | |
So konnte Schinkel nicht nur ein solides Fundament auf dem Sumpf neben der | |
Spree schaffen, sondern laut Nath auch ein für Zeitgenoss*innen | |
ungewohntes Haus ohne zentralen Eingang, ohne Aula, ohne von außen | |
erkennbare Direktorenwohnung. Folgt man Nath, dann könnte Schinkels | |
Bauakademie wirklich ganz anders werden als das Schloss, das im Juli | |
eröffnen wird und über das sich die Berliner*innen nicht aufhören zu | |
zanken, gilt es doch vielen als Ausdruck einer skandalösen Retro-Sehnsucht, | |
als Disney World, die sich niemals mit zeitgemäßen | |
[3][Ausstellungsinhalten] wird füllen lassen. | |
Doch gibt es auch Zweifel, ob bei der Bauakademie wirklich alte Fehler | |
vermieden werden können. Es geht schon einmal damit los, dass wie beim | |
Schloss von Anfang an keiner so richtig zu wissen schien, wozu diese Stadt | |
dieses Gebäude eigentlich braucht – wie es denn mit Inhalten zu bespielen | |
wäre. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann | |
Parzinger, hat sich wiederholt für ein Architekturmuseum ausgesprochen. Ein | |
Programmwettbewerb brachte eher wolkige Ideen von elastischen | |
Raumnutzungskonzepten bis hin zu flexiblen Veranstaltungsorten und | |
Coworking Spaces hervor. Zuletzt war von einem Ausstellungs- und | |
Forschungszentrum die Rede. | |
Das andere Problem ist, dass selbst die Bauakademie nicht ausschließlich | |
modern war, sondern auch konventionelle Seiten hatte. So zeigt sie nicht | |
etwa offen ihre Konstruktion wie manche Industriebauten ihrer Zeit, sondern | |
sie war beispielsweise um die Fenster und Portale mit feinsten, | |
hochwertigsten und aufwendig nachbearbeiteten Ziegeln verkleidet, mit | |
kunstvoll produzierten und eingefügten Terrakottareliefs. | |
## Die bestrickende Schönheit der Götter | |
Auch von diesen Tonarbeiten haben die Studierenden und Archäolog*innen | |
bei der Grabung zahlreiche Reste gefunden. Man kann es ihnen nicht | |
verübeln, dass sie die geborgenen Köpfe der Athene, des Poseidon und der | |
Amphitrite, die einmal die Bauakademie zierten, mit großem Stolz | |
präsentieren. Trotzdem werden ungute Erinnerungen ans Schloss wach, wo nach | |
den Grabungen mit großem Kostenaufwand und höchst fragwürdiger Symbolik so | |
viele von den Hohenzollern-Accessoires nachgebildet wurden. | |
Die Frage, ob die Berliner*innen wirklich so viel Schinkel wie möglich | |
wollen und damit auch für die prunkvolle Verkleidung der Bauakademie einen | |
Ersatz – oder ob sie sich vielleicht auch etwas Neues vorstellen könnten: | |
Diese Frage ist noch lange nicht beantwortet. Vielleicht wäre es schon ein | |
Anfang, wenn sie sich jetzt nicht so schnell von der bestrickenden | |
Schönheit der Köpfe von Athene, Poseidon und Amphitrite becircen lassen | |
würden. | |
16 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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