# taz.de -- Gescheiterte Aufklärung des VW-Skandals: Die Autokratie | |
> Diese Woche enden die Befragungen im VW-Untersuchungsauschuss. | |
> Entscheidende Fragen wurden dort erst gar nicht gestellt. | |
Bild: Was wussten die VW-Chefs in den oberen Etagen über den Abgasbetrug? | |
Am 19. Januar um kurz nach zehn morgens ist klar: Die Revolution fällt mal | |
wieder aus. In Raum 3101 des Bundestags-Bürogebäudes am Spreeufer in Berlin | |
sitzt Herbert Behrens, Sozialist, Gewerkschafter und Linken-Abgeordneter, | |
vor dem Klassenfeind. Vor einem Mann, der einmal Herr über 600.000 | |
Angestellte war, 17 Millionen Euro im Jahr verdiente und auf Wunsch Termine | |
bei Ministern bekam. Martin Winterkorn hat Deutschlands größtes Unternehmen | |
VW an den Rand des Abgrunds geführt. VW hat aus Profitgier Gesetze | |
gebrochen, muss 20 Milliarden Euro Strafe zahlen und hat 30.000 Jobs | |
gestrichen. | |
An diesem Tag sagt Winterkorn im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur | |
Abgasaffäre aus. Herbert Behrens, der Ausschussvorsitzende, kann ihn zur | |
Rede stellen. Und seine erste Frage lautet: „Hatte man sich in Ihrem | |
Konzern vor Aufdeckung des Skandals eine Meinung gebildet zur Reichweite | |
der EU-Verordnung 715/2017?“ | |
Eigentlich sollte es der Tag der Abrechnung sein. Behrens, helles Hemd zum | |
dunklen Wollsakko, als Inquisitor. Fünf Meter vor ihm, geschützt von einem | |
untadeligen Anzug und zwei Anwälten, der ehemalige Gigant des globalen | |
Kapitalismus. Aber was folgt, ist keine Anklage, sondern ein ruhiges | |
Expertengespräch. Winterkorn sagt: „Ich wurde nicht informiert.“ Und die | |
Volksvertreter sind froh, dass er überhaupt zu ihnen spricht. | |
Ulrich Lange, CDU-Obmann: „Wir versuchen mal, wie weit wir hier kommen mit | |
der Aufklärung.“ | |
Winterkorn: „Aber Sie verstehen mich schon, dass mir …“ | |
Lange: „Ich verstehe Sie sehr wohl. Aber Sie verstehen auch unsere Rolle.“ | |
Winterkorn: „Natürlich, natürlich.“ | |
## Enge Verflechtungen | |
Das gegenseitige Verständnis zwischen Fragenden und Befragten in diesem | |
Ausschuss ist oft groß. Seit Herbst verhören 16 Parlamentarier | |
Behördenchefs, Politiker, Techniker und Angestellte aus den Ministerien. | |
Sie sollen klären, was die Bundesregierung vom Abgasbetrug wusste und was | |
sie dagegen tat. Aber die Gespräche und Akten zeigen etwas | |
Darunterliegendes: wie eng in Deutschland Politik, Behörden und | |
Autoindustrie verflochten sind. | |
12. Sitzung, 10. November 2016. | |
Ausschussmitglied Christian Müller, CDU: „Das Problem ist ja: Wir müssen | |
hier etwas aufklären. Wir stehen sehr im Licht der Öffentlichkeit.“ | |
Untersuchungsausschüsse sind die schärfste Waffe des Parlaments. Sie können | |
Akten anfordern, interne Mails lesen, Zeugen vorladen. Sie haben allein in | |
dieser Legislaturperiode ans Licht gebracht, wen der Geheimdienst BND | |
bespitzelt und wie der Verfassungsschutz bei der Suche nach | |
NSU-Rechtsterroristen versagt hat. | |
Der Abgas-Ausschuss zeigt: Deutschland ist eine Autokratie. | |
Zeuge nach Zeuge belegt eine Symbiose von Autobauern, Behörden und Politik. | |
Die Behörden wussten sehr früh, dass die Abgaswerte der Autobauer nicht in | |
Ordnung waren; sie wurden gewarnt und hatten eigene Zweifel. Aber sie | |
wurden nicht selbst aktiv und wimmelten lästige Fragesteller ab. Fast alle | |
Aussagen lassen sich so zusammenfassen: Alle haben vermutet, dass betrogen | |
wurde. Aber keiner wollte es so genau wissen. Manchmal bis heute nicht. | |
## „Organisiertes Staatsversagen“ | |
Die Opposition im Ausschuss erkennt man einfach: Sie trägt keinen Schlips. | |
Oliver Krischer, grüner Verkehrsexperte („Ich fahre seit Jahrzehnten VW | |
Passat“) spricht von „organisiertem Staatsversagen“ und schimpft auf die | |
Industrie. Herbert Behrens, ein schlaksiger Mann mit ernstem Gesicht und | |
weißen Haaren, sorgt sich vor allem um die Arbeitsplätze bei VW und Co. Wo | |
sonst gibt es noch so viele gut bezahlte, tariflich abgesicherte Stellen? | |
Die Autobetriebe sind die Machtbasis der IG Metall. Bei VW geht ohne oder | |
gegen den Betriebsrat gar nichts. Deshalb war Behrens’ Fraktion anfangs | |
auch nicht begeistert. Der Ausschuss verursacht viel Arbeit und schadet | |
vielleicht den Kollegen in den Betriebsräten. | |
Die Untersuchung solle „das vorbildliche mitbestimmte Unternehmen VW“ nicht | |
angreifen, versichert Behrens vor Beginn. | |
Trotz dieser Zerrissenheit startet er mit hohen Erwartungen: „Wir wollen | |
hier Beeinflussungsstrukturen offenlegen“, sagt Behrens Anfang September in | |
einem kargen holzgetäfelten Besprechungszimmer des Bundestags, als die | |
Arbeit losgeht. Er hat gerade die ersten paar hundert der insgesamt 2.000 | |
Aktenordner aus den Ministerien bekommen. Viele sind wegen angeblicher | |
Betriebsgeheimnisse geschwärzt. Oft dokumentieren die Akten nur das | |
gewollte Wegsehen. | |
Aktennotiz des Umweltministeriums, 20. März 2008: | |
„Die moderne Fahrzeugelektronik ermöglicht es, die Fahrzeuge mit | |
Einrichtungen auszustatten, die den Betrieb im NEFZ auf dem Rollenprüfstand | |
(die vorgeschriebenen Abgastests in der Garage, Anmerkung der Redaktion) | |
erkennen, so dass auf ein für die Abgas- und/oder Verbrauchsmessung | |
optimiertes Motorkennfeld umgeschaltet wird, das vom normalen Betrieb | |
abweicht (sog. cycle-beating). Die Überprüfung, ob derartige Einrichtungen | |
vorhanden sind, ist bisher (…) nicht vorgesehen.“ | |
Das Umweltministerium ahnte also 2008 konkret, dass und wie der Betrug | |
funktionierte. Sigmar Gabriel war damals SPD-Umweltminister. | |
18. Sitzung, 15. Dezember 2016. | |
Sigmar Gabriel: „Niemand war damals in der Lage, Beweise für diesen | |
Verdacht zu liefern, auch weil es die technischen Möglichkeiten nicht gab.“ | |
## Nur Fragen direkt zur Sache | |
Auf Herbert Behrens’ große Erwartungen folgt bald die Ernüchterung. Der | |
Ausschuss darf nur den Zeitraum 2007 bis 2016 untersuchen, erlaubt sind | |
ausschließlich Fragen direkt zur Sache. Die Arbeit muss nach einem halben | |
Jahr fertig sein. Gegen die Behörden zu klagen, wenn sie Dokumente | |
schwärzen, ist praktisch aussichtslos: Ein Urteil käme viel zu spät. Und: | |
Die Große Koalition hält sechs von acht Sitzen im Ausschuss. Union und SPD | |
sollen also gegen eigene Parteifreunde in Behörden und Ministerien | |
ermitteln. | |
Raum E 700 im Berliner Paul-Löbe-Haus neben dem Reichstag. Der Ausschuss | |
tagt. Die Luft ist stickig, stundenlang sitzen die Abgeordneten über ihren | |
Fragen und Notizen. Manche Treffen dauern 14 Stunden, draußen gibt es | |
Käsebrötchen und Kaffee, unterbrochen wird nur kurz. | |
Untersuchungsausschüsse sind kein Spaß, sie kosten viel Zeit und Nerven. | |
Behrens leitet den Ausschuss und muss sich gleichzeitig auch noch auf seine | |
eigenen Fragen konzentrieren. | |
Von den Wänden blicken ernst die Fotos ehemaliger Politiker aus den | |
Ausschüssen für Petitionsrecht und Umweltschutz. Der Abgasskandal hat beide | |
Anliegen ramponiert. Stickoxide aus Automotoren führen in Deutschland nach | |
statistischen Berechnungen jedes Jahr zu 10.000 zusätzlichen Toten. Warum | |
haben die Behörden nicht eingegriffen? | |
23. Sitzung, 13. Februar 2017. | |
Referatsleiter A., Verkehrsministerium: „Wir kamen zu dem Ergebnis, dass | |
eine konkrete Gefahr nicht besteht.“ | |
## Kampf um die Deutungshoheit | |
Je öfter der Ausschuss tagt, desto größer wird die Kluft zwischen | |
Opposition und Koalition. Behrens und sein Kollege von den Grünen sehen | |
immer mehr Belege für das Nichthandeln der Behörden. Unions-Obmann Ulrich | |
Lange nennt den Ausschuss „sehr viel Aufwand mit sehr wenig Ertrag“. | |
SPD-Politikerin Kirsten Lühmann weiß schon „etwa sechs Wochen nach Beginn, | |
dass da nichts mehr kommt“. Alle Zeugen hätten bestätigt, dass die Behörden | |
damals bei VW nichts hätten finden können und dass die | |
Abschalteinrichtungen der anderen Hersteller legal seien. „In einem | |
Rechtsstaat kann eine Behörde nicht einfach auf Zuruf irgendetwas machen“, | |
sagt Lühmann, im Zivilberuf Polizistin. Allerdings wurden in diesem | |
Rechtsstaat die Gesetze zu Umwelt- und Gesundheitsschutz jahrelang | |
gebrochen. Das interessiert im Ausschuss nur am Rande. | |
Welche Abgeordneten hier sitzen, ist kein Zufall. Viele kümmern sich in | |
ihren Fraktionen um Verkehrspolitik. Und damit um die Autokonzerne in ihrer | |
Heimatregion. | |
Rechts vom Vorsitzenden sitzt die Union: Obmann Ulrich Lange kommt aus | |
Nördlingen, wo Hunderte von Leuten jeden Tag nach Ingolstadt pendeln: zum | |
Stammsitz von Audi, 43.000 Jobs. | |
Neben ihm: Carsten Müller, Braunschweig, wo VW mit 6.600 Jobs der größte | |
Industriebetrieb ist. Müller leitet den „Parlamentskreis Automobiles | |
Kulturgut“ für Oldtimer-Fans. | |
Neben ihm: Uwe Lagosky, Salzgitter, wo VW seine Motoren bauen lässt, 6.500 | |
Jobs. | |
Neben ihm: Veronika Bellmann, Wahlkreis Mittelsachsen, wo gleich nebenan in | |
Chemnitz und Zwickau 10.000 Menschen bei VW arbeiten. | |
Links von Behrens: die SPD. Obfrau Kirsten Lühmann kommt aus Celle, 50 | |
Kilometer von Wolfsburg. Im VW-Land hängt jeder dritte Industriejob an VW. | |
Die Stellvertreter: Thomas Viesehon, CDU, stammt aus Kassel, wo das | |
VW-Getriebewerk 13.300 Jobs garantiert. | |
Steffen Bilger, CDU, aus Ludwigsburg. Direkte Nachbarschaft: VW-Tochter | |
Porsche, fast 10.000 Stellen. | |
Johann Saathoff, SPD, Wahlkreis Emden. Im VW-Werk gibt es 9.500 Jobs. | |
SPD-Umweltpolitikerin Ulli Nissen stammt aus Frankfurt. Nebenan in | |
Rüsselsheim beschäftigt Opel mehr als 14.000 Menschen. | |
## Autokonzerne sind wichtige Parteispender | |
Neun von zwölf Abgeordneten und Stellvertretern der Großen Koalition im | |
Ausschuss kommen aus Regionen, wo die Menschen von der Autoindustrie leben. | |
Die Branche gibt an, direkt und indirekt jeden siebten deutschen Job zu | |
sichern. Unabhängige Studien fehlen. | |
Die Autokonzerne sind wichtige Parteispender. Und 2017 ist ein großes | |
Wahljahr. Vor der letzten Bundestagswahl 2013 flossen von den Kfz-Bauern | |
und ihren Zulieferern laut Lobbycontrol 3,5 Millionen Euro an die Parteien: | |
1,9 Millionen an die CDU, 870.000 an die CSU, 270.000 an die SPD und | |
180.000 an die Grünen. Das waren etwa 2 Prozent aller Spenden bei der SPD, | |
4 Prozent bei den Grünen, 6 Prozent bei der Union. Nur die Linke ging leer | |
aus. | |
Herbert Behrens sitzt in seinem Büro hinter dem Reichstag. Auf dem Tisch | |
ein Kaffeeservice „125 Jahre Arbeiter-Samariter-Bund“, an den Wänden Karten | |
vom Fernstraßennetz und Nachtzuglinien. Behrens ist Arbeiterkind aus dem | |
Bremer Umland, Schriftsetzer, Sozialwissenschaftler auf dem zweiten | |
Bildungsweg, Gewerkschafter. Auch bei ihm zu Hause steht ein großes | |
Mercedes-Werk mit 12.000 Jobs. Im Studium hat Behrens dort in den neunziger | |
Jahren zwei Jahre lang am Band gearbeitet, „Wir haben im | |
drei-Schichten-Betrieb die C-Klasse gebaut, nach der Nachtschicht war dir | |
alles egal.“ | |
Auf dem Flur vor seinem Büro hängt eine Comic-Grafik. Da wird „Kommunismus�… | |
mit vielen Pfeilen erklärt, von „klassenloser Gesellschaft“ bis | |
„Machtfrage“. Behrens war bis 1989 in der DKP. Heute tut er sich schwer mit | |
der Bezeichnung Kommunist. „Sozialist trifft es besser.“ In der | |
marxistischen Theorie gibt es den Begriff „Stamokap“ – | |
„Staatsmonopolkapitalismus“, in dem Wirtschaft und Staat verschmelzen. | |
Trifft das für ihn bei der Autoindustrie in Deutschland zu? „Ja, durchaus“, | |
sagt Behrens, „das muss man so sehen.“ | |
## Es geht um den Standort | |
In seinem Ausschuss sind scharfe Debatten nicht gefragt. Die stundenlangen | |
Fragerunden schläfern Frager und Beobachter ein. Man muss nicht an die | |
Stamokap-These glauben, aber der Abgas-Ausschuss zeigt: Unternehmen | |
schließen mit Behörden und Politik die Reihen, wenn es um den Standort | |
geht. Die Deutschland AG auf Rädern. | |
Greenpeace hat 2016 ein „Schwarzbuch Autolobby“ veröffentlicht. Inhalt: 33 | |
Porträts von Politikern und Lobbyisten. „Mitunter verwischt die Grenze | |
zwischen Lobbyist und Politiker“, schreibt der Umweltverband. Es sind | |
bekannte Namen, die als Kanzler, Minister oder Ministerpräsident die | |
Industrie fördern – aber auch frühere Abgeordnete, die noch im Staatsdienst | |
von ihrem früheren Auto-Arbeitgeber ein Gehalt bezogen oder schlicht die | |
Seiten wechselten. | |
Für den VW-Ausschuss bedeutet das, dass die meisten Beamten und Politiker | |
derselben Erzählung folgen, „ihr Drehbuch“, nennt Herbert Behrens es. Es | |
geht so: Die Behörden hatten keinerlei Verdacht. Und haben sich nur an die | |
Regeln gehalten. | |
24. Sitzung, 16. Februar 2017. | |
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU): „Ohne Erkenntnis über illegale | |
Abschalteinrichtungen gibt es auch keinen Grund, sie zu suchen.“ | |
22. Sitzung, 26. Januar 2017. | |
Referatsleiter A., Verkehrministerium: „Es gab keinen Zweifel, es gab keine | |
Hinweise auf Betrug. Als ich das von VW gehört habe, bin ich fast vom Stuhl | |
gefallen.“ | |
## Erst war es nur ein Verdacht | |
Schon Jahre zuvor war allerdings im Verkehrs- und Umweltministerium die | |
Deutsche Umwelthilfe, kurz: DUH, aufgetaucht, um vom Verdacht zu berichten, | |
die Autobauer nutzten illegale Abschalteinrichtungen. Immer wieder wies der | |
Geschäftsführer Jürgen Resch öffentlich auf die Messergebnisse und ihren | |
Verdacht hin. | |
Notiz Umweltministerium, 24/25. April 2012: | |
„Resch warf der Industrie (…) planmäßige ‚Cycle Beating‘-Maßnahmen v… | |
zweiter konkreter Vorwurf war, dass die Hersteller NEFZ-Erkennungsprogramme | |
(Programme, die erkennen, dass das Auto gerade getestet wird, Anmerkung der | |
Redaktion) eingebaut habe, die die Motorsteuerung ändern, wenn ein NEFZ | |
gefahren wird.“ | |
Was hätten die Behörden gebraucht, um selbst zu prüfen? Am besten | |
rechtskräftige Beweise der Kritiker, sagen die Zeugen. Messergebnisse und | |
Vermutungen haben nicht gereicht, damit das Kraftfahrtbundesamt ermittelte. | |
18. Sitzung, 15. Dezember 2016. | |
Peter Altmaier, CDU, ehemaliger Umweltminister: „Es gab keinerlei rechtlich | |
verwertbare Hinweise von der DUH, keinerlei konkrete Unterlagen, keinerlei | |
Beweismittel von Herrn Resch.“ | |
16. Sitzung, 1. Dezember 2016. | |
Jürgen Resch, DUH-Geschäftsführer: „Das ist die Linie, die durchgehalten | |
wird. Man sagt: Alle Hinweise, alle Abweichungen, so klar die auch illegal | |
sind, blieben irrelevant, solange der Beweis nicht da ist. Wir haben an | |
Deutlichkeit eigentlich nichts ausgelassen. Aber danach wollte man es | |
meines Erachtens eben nicht mehr hören.“ | |
In dieser Sitzung geht CDU-Obmann Lange den Zeugen DUH-Chef Resch so | |
frontal an, wie kein Behördenmitarbeiter oder Politiker im Ausschuss sonst | |
angegriffen wird. | |
Lange: „Wenn Sie vorsätzlich rechtswidriges, kriminelles Verhalten | |
vorwerfen, dann müssen Sie das Ganze der Staatsanwaltschaft melden und zur | |
Anzeige bringen. Bei welcher Staatsanwaltschaft haben Sie konkret welches | |
Mitglied der Bundesregierung zur Anzeige gebracht?“ | |
Resch: „Bei keiner.“ | |
Lange: „Dann frage ich Sie nochmal: Halten Sie an der Aussage ‚vorsätzlich | |
rechtswidriges kriminelles Verhalten‘ fest? (…)„ | |
Resch: „Nach meinem Rechtsverständnis ist das ein strafbares Verhalten (…). | |
Ich bleibe bei meiner Aussage.“ | |
Lange: „(…) Wenn Sie solche Dinge in den Raum stellen und sie dann nicht | |
zur Anzeige bringen, dann habe ich schon ein gewisses Problem mit Ihrer | |
Aussage. (…) ich glaube nicht, dass (…) das der Beweisführung hier in | |
diesem Untersuchungsausschuss in irgendeiner Form dienlich ist. Ich kann | |
nämlich nicht erkennen, welchen Beweiswert Ihre Ausführung haben soll, | |
außer einer polemischen Bewertung und dem in einem Rechtsstaat nicht | |
nachvollziehbaren Hinweis auf eine, ich sage das ganz offen – unserem | |
Grundgesetz widersprechende Beweislastumkehr.“ | |
Stephan Kühn (Grüne): „Das hat meines Erachtens nichts mit dem | |
Untersuchungsausschuss zu tun, diese Frage.“ | |
Lange: „War ja keine Frage!“ | |
## Der Skandal bleibt aus | |
Für die Abgeordneten der Großen Koalition ist also bald klar: Hier gibt es | |
keinen Skandal. | |
18. Sitzung, 15. Dezember 2016. | |
Frage des Grünen-Abgeordneten Krischer an Bundesumweltministerin Barbara | |
Hendricks, SPD: „Sie kennen doch sicher das Handbuch für Emissionsfaktoren | |
aus dem Umweltbundesamt, Ihrer nachgeordneten Behörde. Da kann man | |
nachlesen, (…) dass die Emissionen steigen, obwohl eigentlich die | |
Grenzwerte immer niedriger sind. Stellt man sich da nicht die Frage: Da | |
stimmt doch irgendwas nicht?“ | |
Hendricks: „Ehrlich gesagt, ich kenne das Handbuch nicht.“ | |
Krischer: „Ach so, Sie kennen das nicht.“ | |
Hendricks: „Nein, ich finde auch nicht, dass ich das kennen muss.“ | |
## Ein Minister im Aufsichtsrat | |
SPD und Union halten sich mit peinlichen Fragen an ihr eigenes | |
Spitzenpersonal zurück. Der SPD-Politiker Stephan Weil ist | |
Ministerpräsident von Niedersachsen, einem Land, das 20 Prozent der Aktien | |
des Autobauers hält und das ihn in den VW-Aufsichtsrat geschickt hat. „Vom | |
VW-Skandal habe ich aus der Tagesschau erfahren“, sagt er den Abgeordneten. | |
Niemand fragt ihn, ob so die Aufsicht eines Aufsichtsrats aussieht. | |
Manche Fragen bleiben nicht nur unbeantwortet, sondern vor allem | |
ungestellt. So behauptet der Verkehrsexperte und frühe Warner Axel | |
Friedrich, der lange am Umweltbundesamt arbeitete, er habe bei einem | |
Treffen im Februar 2011 den Abteilungsleiter A. aus dem Verkehrsministerium | |
auf die Indizien für die Abschalteinrichtung hingewiesen. Zehn Wochen | |
später vernimmt der Ausschuss ebendiesen Beamten – und fragt ihn nicht nach | |
diesem Vorwurf. | |
Die ehemaligen Umweltminister Gabriel und Altmaier erzählen von einer | |
geplanten „Feldüberwachung“, in der Autos unter realen Bedingungen getestet | |
werden sollten. Dabei wäre die VW-Lüge wahrscheinlich aufgeflogen. Aber | |
nichts geschah, weil die Entscheidung darüber nach Gabriels und vor | |
Altmaiers Amtszeit fiel. Damals im Amt: Umweltminister Norbert Röttgen, | |
CDU. Der aber steht gar nicht auf der Zeugenliste. Ebenso wenig wie Thomas | |
Steg, der 2002 bis 2009 Sprecher der Bundesregierung war und jetzt | |
Cheflobbyist von VW ist. | |
## Kommt in ein paar Jahren der nächste Skandal? | |
18. Sitzung, 15. Dezember 2016. | |
Sigmar Gabriel, Wirtschaftsminister: „Besondere Beziehungen zur | |
Auto-Industrie? Na klar habe ich das; deshalb bin ich Wirtschaftsminister. | |
Bei mir in der Region leben die Leute davon, und es gäbe übrigens die DUH | |
vermutlich nicht, wenn nicht dieses Land in der Lage wäre, ökonomisch | |
solche Erfolge zu haben, um Umweltschutz finanzieren zu können.“ | |
Am Mittwoch wird Angela Merkel als letzte Zeugin vor dem Ausschuss | |
sprechen. Die Abgeordneten werden versuchen herauszufinden, wann die | |
Kanzlerin informiert wurde. Danach schreiben sie ihren Abschlussbericht. | |
Dabei werden sie darum kämpfen, welche Deutung des Abgasskandals sich | |
offiziell durchsetzt: Staatsversagen oder kriminelle Einzelfälle? Ein | |
Standardwerk zur deutschen Autokratie wird der Bericht in jedem Fall. | |
Fragt man Behrens nach einem Ausweg aus dieser Verflechtung, sagt er: | |
Transparenz. Bei den Behörden, aber auch durch „öffentliches | |
Mitspracherecht bei Unternehmensentscheidungen“. Soll heißen: Mehr Macht | |
für Gewerkschaften. Weil die aber Teil der Autokratie sind, müssten sie | |
sich ganz neu aufstellen. „Aufsichtsräte könnten viel aufmüpfiger sein. | |
Sonst haben wir in ein paar Jahren den nächsten Skandal.“ | |
Potenzial dafür gibt es genug. Nach wie vor weiß niemand, wie Dieselmotoren | |
jemals die Grenzwerte für Stickoxid einhalten sollen, also: ob der Diesel | |
überhaupt eine Zukunft hat. Auch bei Spritverbrauch und CO2-Werten dieser | |
Wagen wird viel getrickst. Die gesamte Autoindustrie steht wegen der | |
Elektromobilität vor einem gigantischen Umbruch. | |
Die Krise hat es nicht geschafft, den Konsens zwischen Politik und | |
Industrie zu schwächen. Eher rücken die Bedrängten enger zusammen. Ab | |
Herbst 2017, zwei Jahre nach Bekanntwerden des VW-Skandals, sollten die | |
Grenzwerte für Stickoxide bei Dieselwagen eigentlich sinken. Ein Vorstoß | |
der EU. Aber weil kaum ein Auto diese Grenzen einhält, reagierte die ganz | |
große Koalition aus Industrie und Politik wie gewohnt. Sie verbesserte | |
nicht die Motoren. Sie verwässerte das Gesetz. | |
6 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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