# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Sterbehilfe für Milliarden | |
> Wenn Peugeot Opel übernimmt, warum werde ich dann meinen alten Zafira | |
> nicht los? Weil wir lieber unsere Fossilien durchfüttern. | |
Bild: Der Opelblitz wird französisch | |
Ein Anruf in Köln, bei der Deutschland-Zentrale von Peugeot: „Salut | |
Veronique, ça va? Wollt Ihr nicht unseren Opel Zafira kaufen?“ Am anderen | |
Ende der Leitung: Gelächter. | |
Veronique ist eine gute Freundin. Sie hat uns schon oft aus der Patsche | |
geholfen. Deshalb dachte ich: Diese Gelegenheit kommt nicht wieder. Draußen | |
steht unser Opel Zafira, 2-Liter-Dieselmotor mit Rußfilter, 12 Jahre alt, | |
TÜV bis 2018. Mit kleinen Kindern war die Kiste Gold wert. Jetzt ist das | |
Fahrzeug ein Stehzeug. Und wenn Peugeot für 1,3 Milliarden Opel übernimmt, | |
könnte Veronique uns eigentlich auch dieser Altlast abnehmen. Keine Chance. | |
Da steht Familienvater Pötter vor den gleichen Problemen wie Konzernmutter | |
GM: Opel hat die letzten zehn Jahre nur rote Zahlen geschrieben? Genau wie | |
bei uns. Jedes Jahr etwa 3000 Euro für Steuern, Versicherung und | |
Werkstatt-Wellness. Was haben wir dafür bekommen? Einen Urlaub in Norwegen. | |
Aber die Fahrten zum Fußballspiel und zu IKEA ließen sich mit einem | |
Mietauto leichter, besser und billiger machen. Bald darf der Stinke-Diesel | |
nicht mehr in die Innenstadt. Und mein Öko-Gewissen zuckt jedes Mal, wenn | |
beim Anlassen eine schwarze Rußfahne aus dem Auspuff steigt. | |
Warum haben wir die Karre noch? Auch da geht es mir wie GM: Wegen der | |
Belegschaft. Der Rest der Familie hängt an dem fossilen Fossil. Und ich | |
finde seit Jahren keine Gelegenheit, um den Zafira unbemerkt von der | |
Öffentlichkeit und mit gutem Gewissen zu entsorgen. | |
Deswegen hatte ich in der allgemeinen Euphorie des GM-Opel-Deals auf | |
Veronique gehofft. Aber unsere französische Freundin fährt natürlich einen | |
superneuen, superschicken Dienstwagen. Ein Zweitwagegen, wenn die Kinder | |
fahren lernen? Sie lacht charmant: „Non, merci!“ Die deutsch-französische | |
Freundschaft ist auch nicht mehr, was sie mal war. | |
## Too big to fail | |
Umso erstaunlicher der offiziele Deal. Mit Opel bekommt Peugeot mehr | |
Marktanteile, ein fehlendes Händlernetz in Deutschland, vielleicht eine | |
effizientere Produktion, ein paar Ideen bei der E-Mobilität. Aber, um ganz | |
ehrlich zu sein: Wer braucht den nächsten konventionellen Autobauer? Dessen | |
Modelle wie alle anderen das Klima killen und die Atemluft verpesten? Der | |
an zukunftsfähiger Mobilität, vernetzt und emissionsfrei, nicht | |
interessiert ist? Dessen Chef am Wochenende am liebsten mit 300 Sachen über | |
die Rennstrecke fegt? | |
Die Autobauer sind too big to fail. Sie bieten hunderttausende gut bezahlte | |
Jobs. Die uns aber nicht weiterbringen. Eine nachhaltige Mobilität würde in | |
Bussen, Bahnen und E-Autos mehr Menschen beschäftigen als die Roboter am | |
Fließband in Rüsselsheim. Aber dafür bräuchte es Mut zum Strukturwandel. | |
Und nicht nur zum Französischlernen. Die Opeljobs zu retten ist kurzfristig | |
verständlich, auch wenn sie der Markt offenbar nicht braucht. Nicht auf | |
neue Mobilitätsjobs zu setzen, das ist extrem kurzsichtig. | |
Aber wie bei der Braunkohle verlängern wir das Sterben eines | |
Technik-Dinosauriers, anstatt ihm mit dem Sozialstaat den Gnadentod zu | |
gewähren. Das private und öffentliche Kapital für die Rettung von Auto- und | |
Braunkohlejobs sollte in Umschulung und Zukunftsideen fließen. Auch sonst | |
gibt der Steuerzahler schließlich Geld aus, um größere Dummheiten zu | |
vermeiden. Landwirte erhalten Prämien, damit sie ihre Äcker in Ruhe lassen; | |
Kohlekonzerne bekommen Geld, wenn ihre Kraftwerke nicht qualmen. Aber eine | |
Stilllegungsprämie für unseren guten alten Zafira ist nicht drin? | |
12 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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