# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Von Nudeln zum Flughafenstreik | |
> Was verbindet Flughafenstreiks und Pastakochen? Beides sind Systeme, die | |
> sich selbst regulieren – doch die sorgen außerhalb der Natur nur für | |
> Chaos | |
Bild: Nicht nur Nudeln kochen über – auch das Billigflugsystem | |
Wir waren schon ein paar Tage unterwegs mit Zelt und Rucksack. Wir rochen | |
schon ausreichend gut, dass auch die Wildschweine Abstand hielten. Und wir | |
freuten uns, abends am Feuer tief den Feinstaub zu inhalieren und die | |
Nudeln zu kochen. Dabei passierte etwas Wunderbares: Die Nudeln kochten | |
über, das Wasser löschte ein wenig die Flammen, gerade so, dass es in Ruhe | |
weiterköchelte. Toll, dachte ich, ein sich selbst regulierendes System. Zu | |
Hause versuchte ich das dann mal mit dem Gasherd. Ging auch. War aber eine | |
ziemliche Schweinerei. | |
An mein Spiel mit dem Feuer musste ich denken, als letzte Woche die | |
Berliner Flughäfen bestreikt wurden. Ich gönne den KollegInnen das Geld. | |
Beim An-Bord-Gehen würde es mich beruhigen, wenn die Menschen vom | |
Sicherheits- und Technikcheck zufrieden wären. | |
Was hat das mit den Nudeln zu tun? Fliegen ist (viel zu) populär geworden, | |
weil es (viel zu) billig ist. Es ist so billig, weil die Airlines am | |
Personal sparen. Jetzt kocht es über. Die Fluglinien müssen mehr ins | |
Personal investieren, die Preise werden steigen. Weniger Menschen fliegen, | |
die Unternehmen verdienen weniger und bauen vielleicht Personal ab. Dann | |
geht alles wieder von vorn los. | |
Systeme, die sich selbst regulieren, sind faszinierend. Der britische | |
Ökologe James Lovelock entwarf vor 50 Jahren seine Theorie von „Gaia“ – … | |
Erde als sich selbst regulierender Organismus, der das Leben ermöglicht. | |
Ökosysteme folgen Zyklen: Die Karibus vermehren sich, deshalb gibt es mehr | |
Wölfe, die dezimieren die Karibus, dann schrumpft die Population der Wölfe, | |
die Karibus legen wieder zu. Man sieht etwas Ähnliches auch auf der Straße: | |
Seit die Autobauer just in time produzieren, haben sie keine Lagerhäuser | |
mehr, sondern karren die Teile über die Straßen in die Fabrik – und zwar so | |
erfolgreich, dass so viele Autos gebaut wurden, die die Straßen verstopfen, | |
dass die Lkws mit den Autoteilen nicht mehr rechtzeitig in die Fabrik | |
kommen – die Produktion scheint gefährdet. | |
## Katastrophen in Kauf nehmen | |
In der freien Natur würde die Autopopulation einfach zusammenbrechen. In | |
unserer ach so freien Marktwirtschaft bauen wir lieber mehr Straßen, um den | |
Kollaps zu verhindern. Wer auf sich selbst regulierende Systeme setzt, muss | |
nämlich Katastrophen in Kauf nehmen. Im Zweifel sind alle Karibus | |
gefressen, und die Wölfe verhungern. Lovelocks Gaia wird schon irgendwann | |
trotz Klimachaos wieder ihr Gleichgewicht finden, aber ob wir dann noch in | |
aller Ruhe auf dem Balkon sitzen können, ist fraglich. Wenn Airlines | |
pleitegehen oder Flüge verlagern, sind die Jobs erst mal weg. | |
Die Natur kann ihre Angelegenheiten ohne Rücksicht auf Verluste regeln. Bei | |
uns ist das schwieriger. Ein sich selbst regulierendes System bringt | |
jenseits der chaotischen Natur das Chaos. Wer den Bock zum Gärtner macht, | |
bekommt selbst auf dem Biohof Probleme. Wer Autofirmen die Kontrolle über | |
ihre Abgase gibt, erntet Dieselgate. Wer Billigflieger von überall nach | |
überall fördert, muss sich nicht wundern, wenn Flughäfen bestreikt werden. | |
Da helfen einfache Regeln. | |
Zum Beispiel: ernsthafte Überwachung von Schummelindustrien; oder Schluss | |
mit den verdammten Inlandsflügen. Eine verzweifelte Besucherin beschwerte | |
sich beim Streik in Berlin-Tegel: „Ich weiß nicht, wie ich nach Düsseldorf | |
komme.“ Ihr sollte man sagen: Das ist nicht schwer, vom Hauptbahnhof fahren | |
schicke Züge. | |
17 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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