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# taz.de -- Wir retten die Welt: Klangschale mit Beduftung
> Sie dachten, Autos stinken und töten? Weit gefehlt, erklärt uns Mercedes.
> Die Boliden sind gut für den Geist, sie machen gesund und schlau.
Bild: Liebling der Massen? Der neue elektrische EQ von Mercedes
Redaktionskonferenz kurz nach dem Terroranschlag in London, wo ein Mörder
einen Geländewagen gemietet und drei Menschen totgefahren hatte. „Da sieht
man wieder mal: Autos sind Waffen“, sagt der Kollege M. „In Innenstädten
sollte man sie einfach verbieten.“
Ich sitze am Konferenztisch und blättere im Mercedes-Benz magazin. Teurer
Hochglanzdruck, eine Ode an die Konstrukteure des neuen
Daimler-Geländewagens, ein Interview mit Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg,
Überschriften wie „Lass uns Frieden machen“ einer ehemaligen
taz-Praktikantin und „Das Geheimnis der Harmonie“. Dazu eine Eloge auf die
neue Linie EQ, das „Auto der Zukunft: vernetzt, selbstfahrend,
emissionsfrei“.
Und vor allem: gesund. Sagt Mercedes. Man setze jetzt „verstärkt auf
Fitness und Gesundheit“. Das Auto „soll wissen, wie es dem Fahrer geht, und
sein Wohlbefinden mit allen Mitteln verbessern“, schwärmt
Entwicklungsvorstand Ola Källenius. Und zwar mit „Bewegung, Luft, Geruch,
Klang, Licht“.
Jedes Jahr sterben in Deutschland 35.000 Menschen an Feinstaub, auch
bedingt durch den Verkehr. Allein die überhöhten Stickoxid-Abgase aus den
Auspufftöpfen führen hierzulande zu 11.000 zusätzlichen Todesfällen pro
Jahr, warnt die Europäische Umweltagentur.
## Das Versprechen: Nach der Fahrt fitter als vorher
„Beduftung, Massage, Ambientelight, Ionisation, Klimatisierung“ bietet die
Marke EQ, ein „elektromobiles Ökosystem“ mit einer „körperlichen Erfahr…
die an Klangschalentherapien im Wellness-Hotel erinnert“. Abteilungsleiter
Götz Renner (!): „Die Menschen sollen entspannter, fitter und aufgeweckter
aus dem Auto aussteigen, als sie eingestiegen sind.“
In Deutschland starben 2016 im Straßenverkehr 3.214 Menschen. Für
Verkehrsplaner eine gute Nachricht, denn es gab 7 Prozent weniger
Todesopfer. Statistisch gerechnet werden damit jeden Tag etwa neun Menschen
auf unseren Straßen getötet.
Medizinprofessor und Bestsellerauto(r) David Agus lobt in einem Interview
mit dem Mercedes-Benz magazin, dass das Auto Fitnessdaten über seinen
Fahrer sammeln und mit Licht, Musik und Fahrersitzhaltung darauf reagieren
kann. „Davon haben Mediziner seit Jahren geträumt.“
Orthopäden warnen: Dauersitzen ist schlecht für die Haltung. Neben dem
Sofalümmeln ist vor allem Autofahren riskant: Bandscheibenvorfälle, taube
Finger, Übergewicht. Herz-Kreislauf-Probleme.
„Selbstfahren ist gesund“, sagt Entwicklungschef Källenius im Heft. „Eine
kurvenreiche Strecke trainiert die Arm- und Brustmuskulatur.“ Doktor Agus
ergänzt: „Unser Gehirn ist auf Bewegung ausgelegt. Fahren macht schlau.“
Und „genial“ findet der Auto-Doc Daimlers Idee „vor einem drohenden Unfall
die Passagiere kurz zu warnen, um einen Reflex auszulösen und Hörschäden zu
vermeiden“.
Wer nicht im Auto sitzt, hat weniger Glück. Im vergangenen Jahr wurden in
Deutschland 396.700 Menschen im Straßenverkehr verletzt. 2015 gab es alle
16 Stunden einen getöteten Fußgänger, alle 68 Minuten einen Fußgänger, der
im Verkehr schwer verletzt wurde.
Ab Sommer sind die neuen Wellness-Features in der neuen S-Klasse zu kaufen,
versichert mir das Magazin. „Diese Ideen sind für die Menschen erdacht und
für die Menschen entwickelt. So wie jede Innovation made by Mercedes-Benz.“
Am Tag der Attacke von London wird auch bekannt: Die Staatsanwaltschaft
Stuttgart hat ein Ermittlungsverfahren gegen Daimler eröffnet. Der Vorwurf:
Betrug bei der Abgasbehandlung. Und: Irreführende Werbung.
1 Apr 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Mercedes Benz
Verkehrstote
Mobilität
Grüne
VW-Abgas-Skandal
Lesestück Recherche und Reportage
Ku'damm
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