# taz.de -- Prozess gegen Ku'damm-Raser in Berlin: Für die Anklage war es Mord | |
> Ein illegales Autorennen, zwei Raser und der Tod eines Unbeteiligten: Die | |
> Anklage plädiert auf lebenslange Freiheitsstrafen. | |
Bild: Der gesperrte Ku'damm nach dem tödlichen Rennen Anfang Februar 2016 | |
Der Montag des 1. Februar 2016 war keine Stunde alt. Hamdi H. im weißen | |
Audi A6 TDI und Marvin N. im weißen Mercedes AMG CLA 45 rasten mit | |
ICE-Geschwindigkeit über den Kurfürstendamm. Am Wittenbergplatz endete das | |
Straßenrennen in einer Rauch- und Staubwolke: Ein pinkfarbener Jeep war aus | |
der Nürnberger Straße gekommen, er hatte gerade noch Grün gehabt. Es gab | |
einen lauten Knall, als der auf der rechten Spur befindliche Hamdi H. mit | |
seinem Audi in die Fahrerseite des querenden Fahrzeugs krachte. Die gesamte | |
Energie des Audis übertrug sich auf den Jeep, der förmlich durchstoßen | |
wurde und mit 60 Stundenkilometern durch die Luft flog – 70 Meter weit. | |
Michael W., ein 69-jähriger, pensionierter Arzt, starb noch am Unfallort. | |
Zeugen sprachen von einem Schlachtfeld: eine gefällte Ampel, eine | |
abgerissene Auspuffanlage, überall Teilchen und Splitter, in einem Umkreis | |
von 60 bis 70 Metern die pure Verwüstung. | |
Seit September läuft der Prozess gegen den Ex-Zeitsoldaten und Türsteher | |
Marvin N. (25) und den arbeitslosen Hamdi H. (27). Verhandelt wird vor | |
einer Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts, denn anders als sonst | |
bei illegalen Straßenrennen klagte Staatsanwalt Christian Fröhlich diesen | |
Fall nicht als fahrlässige Tötung, sondern als Mord aus niedrigen | |
Beweggründen und mit gemeingefährlichen Mitteln an. | |
Es ist das erste Mal in der Rechtsgeschichte, dass ein tödlich endendes | |
Straßenrennen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden könnte | |
und nicht mit maximal fünf Jahren Haft – der Höchststrafe für eine | |
fahrlässige Tötung. | |
Am Montag hat der Staatsanwalt in seinem Plädoyer sehr klar argumentiert, | |
warum er auch nach der Vernehmung etlicher Zeugen das Geschehen für einen | |
Mord hält. Er beschrieb, wie sich die beiden Fahrer gegen 0.30 Uhr am | |
Adenauerplatz an einer roten Ampel begegneten, wie sie feststellten, dass | |
sie sich flüchtig aus einer Sisha-Bar kannten und wie sie sich kurz darüber | |
verständigten, gegeneinander anzutreten. | |
Während Hamdi H. – der im Bekanntenkreis den Spitznamen „Der Transporter“ | |
nach der gleichnamigen Actionserie trug – bereits die nächsten roten Ampeln | |
missachtete, entschloss sich Marvin N. erst später, es ebenso zu halten. An | |
der Kurve in Höhe der Gedächtniskirche hatte er sich mit seinem | |
381-PS-Fahrzeug und einem Tempo von mindestens 139 Stundenkilometern einen | |
leichten Vorsprung erarbeitet, als Hamdi H. in seinem 225-PS-Audi fünf | |
Sekunden lang Vollgas gab und auf etwa 160 Stundenkilometer beschleunigte. | |
Hamdi H. wollte gerade an seinem Kontrahenten vorbeiziehen, da kam es zum | |
Crash. | |
Die beiden Angeklagten haben mit 21 beziehungsweise 19 Registrierungen | |
bereits überdurchschnittlich viele Ordnungswidrigkeiten begangen. Hinzu | |
kommen noch die strafrechtlich relevanten Verkehrsverstöße, die beim | |
Kraftfahrzeugbundesamt registriert werden: Marvin N. hatte es dort auf vier | |
Einträge gebracht, Hamdi H. auf sechs – wegen seiner letzten Straftat stand | |
er sogar noch unter Bewährung. | |
Es war kein Zufall, betonte Staatsanwalt Fröhlich, dass dieses Rennen so | |
tragisch endete: Wer mit solcher Geschwindigkeit eine so lange und teils | |
unübersichtliche Strecke über so viele rote Ampeln hinweg zurücklegt, der | |
kann nicht mehr damit rechnen, dass schon nichts passieren würde – der | |
nimmt vielmehr den Tod von einem oder mehreren Passanten billigend in Kauf. | |
Hamdi H. und Marvin N. taten es, weil sie Selbstbestätigung suchten – ein | |
niedriges und damit ein Mordmotiv, wie es der Staatsanwalt sieht. In einem | |
dicht bebauten, innerstädtischen Bereich benutzten sie dabei ihre auf | |
Höchstgeschwindigkeit beschleunigten Sportwagen, die sie nicht mehr | |
kontrollieren konnten. Somit nutzten sie für ihre Tat „gemeingefährliche | |
Mittel“ – das ist das zweite Mordmerkmal. | |
Nach dem Staatsanwalt spricht auch Maximilian W., der Sohn des Opfers. Er | |
ist mit dem Plädoyer seines Vorredners einverstanden, nur nicht mit dessen | |
Bemerkung, sein Vater sei „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen. Dies | |
träfe nur auf die beiden Angeklagten zu. | |
20 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
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