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# taz.de -- Dieselskandal bei VW: Sie können auch anders
> Vorfahrt für die Autoindustrie? Nicht in Kalifornien: Die Chefin der
> US-Behörde CARB erzählte dem Bundestag, wie ihre Behörde den VW-Betrug
> aufdeckte.
Bild: Da hilft auch CARB nicht: Überflutung einer Autobahn in Kalifornien
Berlin taz | Der Abgasbetrug von VW wurde nur aufgedeckt, weil Behörden die
Überschreitung der Grenzwerte entdeckten, selber nachforschten und
hartnäckig nachfragten – bis zum Geständnis. Allerdings waren es nicht
deutsche Beamte, sondern die US-Behörde CARB, die in Kalifornien für
saubere Luft zuständig ist. Deshalb befragte der parlamentarische
Untersuchungsausschuss des Bundestags am späten Montagabend auch
CARB-Chefin Mary Nichols. Deren dringender Rat an die Deutschen: „Wir haben
eine unabhängige Behörde, die für die Zulassung, Regulierung und den
Rückruf von Autos zuständig ist. Darüber sollten Sie auch nachdenken.“
Nichols war per Videoübertragung live aus Los Angeles zugeschaltet. Der
Abgasbetrug, so die resolute 71jährige Behördenchefin, erstrecke sich auch
auf andere Marken und es gehe nicht nur um Dieselautos. „Unser Grundsatz
lautet: Wir vertrauen, wollen aber Beweise.“
Die zuständige deutsche Behörde, das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in
Flensburg, wurde bei der Sitzung mit keinem Wort erwähnt. Es wurde aber
klar, wie viel strikter die angeblich laxen US-Umweltstandards in diesem
Fall durchgesetzt werden. Kalifornien ist als sechstgrößte Volkswirtschaft
der Welt so wichtig für die Autoindustrie, weil dortige Standards praktisch
US-weite Grenzwerte werden. Bei CARB arbeiteten nach Aussage von Nichols
etwa 300 Angestellte an dem Fall, sie haben eigene Testlabore und
Software-Spezialisten – Dinge, von denen das KBA bisher nur träumt.
## VW mauerte, verzögerte, „es war frustrierend“
Nichols erzählte, wie fassungslos sie angesichts des VW-Betrugs gewesen
sei. Ursprünglich seien alle begeistert gewesen vom VW-Versprechen, saubere
Dieselmotoren mit deutlich geringerem Spritverbrauch auf die Straße zu
bringen. Allerdings habe es schon seit 2011 Berichte über Probleme gegeben,
die sich 2013 und vor allem 2014 zum Verdacht erhärteten, als die
Stickoxid-Werte teilweise 40fach über den Grenzwerten lagen. „Dann hatten
wir den Eindruck, dass VW mauerte: Unterlagen gingen verloren, Anfragen
wurden verschleppt, Dokumente nicht übersetzt, es war frustrierend.“ In
wahrer „Detektiv-Arbeit“ hätten die CARB-Techniker die VW-Motoren
durchleuchtet und immer wieder nach Erklärungen gefragt – bis schließlich
im August 2015 VW den Betrug zugab.
Die Grenzwerte in Kalifornien liegen deutlich niedriger als in der EU:
Statt bislang 180 Milligramm Stickoxid pro Kilometer sind dort nur zwischen
20 und 60 Milligramm erlaubt. Trotzdem müssen die Autos diese Werte
erreichen, auch wenn die alten VWs nur „85 Prozent der Grenze schaffen“,
wie Nichols zugab – andernfalls hätten zehntausende von Autos stillgelegt
werden müssen. Dafür zahlt VW in einem Deal mit der Behörde etwa 1,2
Milliarden Dollar, die auch eingesetzt werden, um auf anderen Wegen die
Belastung mit Stickoxiden zu senken.
Wie ernst die US-Behörde das Thema nimmt, zeigen auch andere Beispiele:
anders als in der EU sei in den USA genau definiert, was eine illegale
„Abschalteinrichtung“ ist. Auch die Tricksereien anderer Autobauer mit
„Thermofenstern“, die angeblich zum Motorschutz die Schadstoffbehandlung
ausschalten, wenn mal ein bisschen wärmer oder kälter wird, gebe es in den
USA nicht, so die CARB-Chefin. Autos seien so ausgelegt, dass sie „in allen
50 Bundesstaaten in allen vier Jahreszeiten die Grenzwerte einhalten
müssen.“
Nichols plädierte für einen Austausch der Zulassungsbehöden, damit diese
voneinander lernen könnten. Bisher ist das Interesse allerdings gering. Ob
denn mal deutsche oder EU-Behörden bei CARB nachgefragt hätten, wie sie VW
auf die Schliche gekommen seien? „Nein“. Und eine neue Zulassungsbehörde
statt des KBA kann sich zwar die Opposition vorstellen. aber SPD-Obfrau
Kirsten Lühmann ist sicher: Wenn das KBA die Ausrüstung und das Geld
bekomme, „dann können die das auch“.
Nichols zeigte sich auch erstaunt über den Schutz von ganz oben für die
deutschen Autobauer. Bei einem Treffen mit dem damaligen Gouverneur Arnold
Schwarzenegger habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel 2010 an Nichols
gewandt und sich gleich als erstes beschwert, die „Stickoxid-Grenzwerte in
Kalifornien seien zu hoch und für deutsche Autos nicht zu schaffen.“ Ein
solches Lobbying könne sie sich „von einem US-Präsidenten nicht
vorstellen“.
Merkel wird ihre Erinnerung an das Treffen am Mittwoch präsentieren können.
Dann befragt sie der Ausschuss als letzte Zeugin.
7 Mar 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Dieselskandal
Untersuchungsausschuss
Kalifornien
Autoindustrie
Erdrutsch
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Lesestück Recherche und Reportage
Autoindustrie
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