| # taz.de -- „Programm 2030“ für mehr Nachhaltigkeit: Das Superministerium … | |
| > Weil unser Wirtschaftsmodell aus dem Ruder gelaufen ist, will | |
| > Umweltministerin Barbara Hendricks eine Revolution für mehr Öko-Power. | |
| Bild: Mit dem „Umweltprogramm 2030“ greift das Umweltministerium nach mehr … | |
| Berlin taz | So könnte es kommen: Auf dem Verkaufstisch liegen zwei | |
| Smartphones. Das eine hat ein Preisschild: „399 Euro“. Das andere kostet 39 | |
| Euro mehr – und es hat noch ein zweites Preisschild. Darauf steht: „Akku | |
| austauschbar“, „garantierte Lebensdauer 3 Jahre“ und „Rohstoffe nicht a… | |
| Konfliktregionen“. Wenn es so käme, wäre Barbara Hendricks eine glückliche | |
| und erfolgreiche Bundesumweltministerin. | |
| Denn der Vorschlag mit dem „zweiten Preisschild“ stammt aus ihrem neuen | |
| „integrierten Umweltprogramm 2030“, das Hendricks am Wochenende bei der | |
| offiziellen Feier zum 30. Geburtstag ihres Ministeriums präsentieren wird. | |
| „Den ökologischen Wandel gestalten“ heißt das Konzept, und es soll auch d… | |
| privaten Konsum umfassen. Weil Preise und Preisschilder die ökologische | |
| Wahrheit sagen sollen, will das Ministerium ein Konzept entwickeln, „das | |
| Umweltschäden und Ressourcenverbrauch von besonders umweltrelevanten | |
| Produkten und Dienstleistungen darstellen soll“, heißt es in dem | |
| 130-seitigen Papier. | |
| Hendricks denkt dabei weniger an Lebensmittel als an Elektronik oder | |
| Textilien. Und dafür will sie mehr Druck auf der EU-Ebene machen, um die | |
| Brüsseler „Öko-Design-Richtlinie“ zu reformieren. Die regelt schon seit | |
| Langem, wie effizient Glühbirnen und Staubsauger sein müssen. | |
| Vor allem aber greift mit dem „Umweltprogramm 2030“ das Umweltministerium | |
| nach mehr Macht. Die Zeit, wo Umweltpolitik „die Kollateralschäden eines | |
| aus dem Ruder gelaufenen Wirtschaftsmodells beseitigt“, soll vorbei sein. | |
| Zudem fordert das Programm mal eben „grundlegende Veränderungen in | |
| Gesellschaft, Industrie und Landwirtschaft, Energie- und Ressourcennutzung, | |
| Verkehr und Infrastruktur“ – also praktisch überall. | |
| Einen Weg dafür hat Barbara Hendricks auch: Sie will ein „Initiativrecht in | |
| anderen Geschäftsbereichen der Bundesregierung“, wie es bisher schon in der | |
| Frauenpolitik und beim Verbraucherschutz möglich ist. So könnte die | |
| Ministerin bei der Landwirtschaft und im Verkehr Gesetze der Kollegen auf | |
| Öko-Aspekte durchleuchten lassen oder selbst dazu eigene Vorschläge machen. | |
| Eines will Hendricks allerdings nicht: ein Vetorecht im Kabinett, wie es | |
| ihr „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ angeregt hatte. | |
| ## Hendricks droht Verkehr und Landwirtschaft | |
| Auch so wären die Eingriffe in die anderen Ressorts schwerwiegend genug: | |
| Weiterentwicklung der Ökosteuer, öffentliche Investitionen an der | |
| Nachhaltigkeit orientieren, über „Divestment“ von Steuergeld aus fossilen | |
| Bereichen reden. Ganz konkret droht sie ihren Ministerkollegen von der | |
| Landwirtschaft und dem Verkehr mit Einmischung in deren innere | |
| Angelegenheiten: Sie will eine „grundlegende Neuausrichtung der | |
| Landwirtschaft“, ihr Haus wird eine „Stickstoffstrategie“ erarbeiten und … | |
| will die „Ko-Federführung bei der Mitgestaltung der EU-Agrar- und | |
| Fischereipolitik“. | |
| Das Umweltministerium will auch eine „umfassende Mobilitätsstrategie“ | |
| entwickeln, in Brüssel für strengere Abgaswerte bei Autos kämpfen und eine | |
| „Lärmminderungsstrategie“ entwerfen, die besonders auf den Verkehr zielt. | |
| Für die geplanten „branchenspezifischen Roadmaps für nachhaltiges | |
| Wirtschaften in Wirtschaft und Finanzen“ ist bisher auch eher das | |
| Wirtschaftsministerium zuständig – und für das „zweite Preisschild“ | |
| sicherlich der Verbraucherminister. | |
| Dieses Etikett wiederum findet Michael Baumgart, Konsumexperte und Vater | |
| des Recyclingkonzepts „Cradle to Cradle“ falsch: „Es macht den Kunden ein | |
| schlechtes Gewissen, anstatt die Produkte so zu gestalten, dass sie | |
| unbedenklich sind.“ | |
| Die Revolution für mehr Öko-Power in der Regierung wird nicht über Nacht | |
| kommen, da ist sich die Sozialdemokratin Hendricks sicher. Die stärkere | |
| Rolle des Umwelt- und Bauministeriums sei „eine Aufgabe für die nächste | |
| Regierung.“ Ob sie denn über ihre Vorschläge schon mit dem Kollegen | |
| Landwirtschaftsminister gesprochen habe? Das müsse sie gar nicht, | |
| signalisiert die Ministerin. „Naturschutz, Artenschutz, Bodenschutz und | |
| Wasserschutz liegen in meiner Verantwortung“, sagt Hendricks. | |
| Ihre Forderungen zielen in der Konsequenz auf ein Superministerium für | |
| Umwelt und den ganzen Rest. Deutschland lebt weit über seine ökologischen | |
| Verhältnisse. „Wenn alle so lebten wie wir, bräuchten wir drei Erden“, sa… | |
| Hendricks. Daher will sie eine Berichterstattung über die weltweiten | |
| Umweltauswirkungen aus Deutschland, einen ökoorientierten „Nationalen | |
| Wohlfahrtsindex“ neben dem Bruttoinlandsprodukt etablieren und mehr Geld | |
| für Bürger, die für Nachhaltigkeit kämpfen. „Ökonomische und soziale Zie… | |
| müssen künftig im Rahmen ökologischer Grenzen verwirklicht werden“, heißt | |
| es in ihrem Konzept. | |
| Wie wenig sich ihre Kollegen Minister davon beeindrucken lassen, zeigen sie | |
| gerade. Derzeit streichen sie in der Ressortabstimmung aus Hendricks’ | |
| „Klimaschutzplan 2050“ gerade alle harten Ziele und ambitionierten Termine | |
| heraus. | |
| 8 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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