# taz.de -- Pro & Kontra: Sind Kaufprämien für E-Autos sinnvoll? | |
> Die Bundesregierung will mehr E-Autos auf die Straßen bringen. Der | |
> Verkauf geht schleppend voran, eine Kaufprämie könnte das ändern. | |
Bild: Elektroauto: kommt beim Autofahrer noch nicht gut an | |
## JA | |
Für Anhänger eines möglichst ökologischen Verkehrs ist ein Plädoyer für | |
Elektroauto-Kaufprämien nicht leicht. Denn eine Welt, die vor allem auf | |
Fahrrad, Bus und Bahn ausgerichtet ist und darum weitgehend ohne Autos mit | |
ihrem hohen Platzbedarf, ihrem Ressourcenhunger und ihrer | |
Unfallträchtigkeit auskommt, wäre natürlich die bessere Lösung. Doch diese | |
ist in Deutschland derzeit leider wenig realistisch – und weltweit erst | |
recht. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass es Autos bis auf | |
Weiteres gibt. Die Aufgabe von Verkehrspolitik muss darum sein, dafür zu | |
sorgen, dass diese so umweltfreundlich sind wie möglich. | |
Vor allem der Klimaschutz zwingt zum Handeln: Damit Deutschland, wie in | |
Paris zugesagt, bis zur Mitte des Jahrhunderts vollständig aus der Nutzung | |
fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas aussteigen kann, muss auch der | |
Verkehr komplett klimaneutral werden. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: | |
Sprit aus Pflanzen, mittels Strom erzeugte synthetische Kraftstoffe sowie | |
Elektromotoren mit Batterien, die mit Ökostrom geladen werden. Die erste | |
Option ist ökologisch wie ethisch höchst umstritten und im erforderlichen | |
Ausmaß nicht verfügbar; die zweite ist technisch noch nicht ausgereift. | |
Elektromobilität ist also die derzeit beste Lösung für einen | |
klimafreundlichen Verkehr. Doch wie die meisten neuen Technologien hat sie | |
es schwer, sich am Markt durchzusetzen. Die E-Autos sind derzeit – trotz | |
steuerlicher Vorteile und billiger Antriebsenergie – noch zu teuer, um für | |
Privatleute attraktiv zu sein. Zudem ist die Infrastruktur zum Aufladen | |
unzureichend und das Angebot an Fahrzeugen sehr begrenzt. All das wird sich | |
nur ändern, wenn Elektroautos eine kritische Masse erreichen. Und dazu | |
braucht es einen Anreiz von außen. | |
Eine zeitlich befristete Kaufprämie ist dafür ein effektives Instrument. | |
Wie sehr die Deutschen sich von staatlichen Geldgeschenken beeinflussen | |
lassen, hat der Run auf die – ökologisch höchst zweifelhafte – | |
„Abwrackprämie“ im Jahr 2009 bewiesen. Und dass Elektroautos gekauft | |
werden, wenn es finanziell attraktiv ist, zeigt sich in Norwegen: Dort | |
entfällt auf Elektrofahrzeuge die 25-prozentige Mehrwertsteuer – mit der | |
Folge, dass inzwischen jeder vierte neu zugelassene Wagen elektrisch fährt. | |
Eine feste Kaufprämie von 5.000 Euro, wie in Deutschland derzeit | |
diskutiert, ist eine noch bessere Lösung als die Mehrwertsteuerbefreiung. | |
Denn sie verbilligt preiswerte Kleinwagen prozentual stärker als teure | |
Luxuswagen – wobei ohnehin zu diskutieren wäre, ob die von der Förderung | |
nicht ausgenommen werden können. Auch ansonsten kommt es entscheidend | |
darauf an, wie die Prämie gestaltet wird. Bezahlt werden sollte sie nur für | |
Fahrzeuge, die überwiegend elektrisch angetrieben werden – und nicht für | |
Hybridfahrzeuge, bei denen der Elektromotor nur gelegentlich zum Einsatz | |
kommt. Um eine Belastung der öffentlichen Haushalte zu verhindern und | |
zugleich die Kaufprämie wirksamer zu machen, muss sie zudem über eine | |
zusätzliche Belastung fossil angetriebener Fahrzeuge finanziert werden: | |
entweder durch einen Aufschlag auf die Mineralölsteuer oder durch einen | |
Kfz-Steuer-Aufschlag für Spritschlucker. | |
GegnerInnen von Elektroautos argumentieren oft, dass diese beim derzeitigen | |
deutschen Strommix kaum klimafreundlicher sind als konventionelle Fahrzeuge | |
und dass die Batterieproduktion sehr energie- und ressourcenintensiv ist. | |
Beides stimmt – aber für beides sind Lösungen in Sicht. Der Anteil | |
erneuerbarer Energien am deutschen Strommix wird weiter steigen – und damit | |
auch der Klimavorteil von E-Autos. Und bei Batterien hat es in Sachen | |
Effizienz und Recycling in den letzten Jahren schon große Fortschritte | |
gegeben; je größer der Markt wird, desto mehr wird sich diese Entwicklung | |
verstärken.Eins steht natürlich trotzdem fest: Am ökologischsten ist es, | |
gar nicht Auto zu fahren. Darum darf die Förderung der Elektromobilität | |
kein Ersatz sein für eine Verkehrspolitik, die weg vom Auto führt. Aber | |
eine sinnvolle Ergänzung ist sie allemal. (Malte Kreutzfeldt) | |
Der Autor ist Redakteur im Ressort Wirtschaft + Umwelt. Er nutzt | |
überwiegend Fahrrad und Bahn, ab und zu aber auch ein Auto. | |
## NEIN | |
Was geht es den Staat an, wenn sich ein Bürger ein Auto kauft? Mit anderen | |
Worten: Warum sollten gemeinschaftlich erwirtschaftete Steuergelder für den | |
privaten Konsum Einzelner ausgegeben werden? Eine Kaufprämie für | |
Elektroautos bringt weder Gesellschaft noch die Umwelt voran. Denn E-Autos | |
tragen nicht zum Klimaschutz bei, auch wenn die Motoren kein CO2 ausstoßen, | |
keinen Feinstaub und keine Stickoxide in die Luft pusten. | |
Lassen wir mal kurz die Frage außer Acht, woher der Strom in den | |
Plug-in-Autos stammt, also ob die Autos grünen Strom oder Kohlestrom aus | |
der Steckdose ziehen und dann ja doch CO2-Emissionen verursachen. Denn | |
selbst wenn die E-Autos nur mit Wind oder Sonne fahren, befördern sie nicht | |
den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Sie verschleppen vielmehr die | |
notwendige Umstrukturierung der Automobilwirtschaft und verzögern den | |
zukunftsfähigen Ausbau eines umweltverträglichen Verkehrssystems. E-Autos | |
tragen nicht zur angestrebten Dekarbonisierung des Verkehrs bei – sie | |
vergrößern die Probleme. | |
Die beginnen bei den Konzernen. Die Null-Emissionen der Elektroautos sind | |
ein taktischer Zug der Autohersteller, um die Emissionsvorgaben der EU für | |
den Verbrauch all ihrer Modelle zu erreichen, also ihrer Flotte. Mithilfe | |
der Null-Emission von E-Autos in der Produktpalette wollen sie die | |
Vorschriften der EU über den CO2-Ausstoß für die gesamte Flotte erreichen. | |
Für jedes CO2-frei fahrende E-Auto in der Produktpalette können VW, BMW und | |
die anderen Autobauer dann mehr PS-starke Geländewagen, Limousinen und | |
Sportwagen verkaufen. Und nur mit großen Autos und starken Motoren | |
verdienen sie Geld. Abgasarme Kleinwagen stärken nicht die Rendite, müssten | |
aber dringend entwickelt werden, um den Massenmarkt mit Zwei-Liter-Autos zu | |
versorgen. Denn nur effiziente Kleinwagen, die niedrige CO2-Grenzwerte | |
einhalten, vereinen individuelle Mobilitätswünsche und die Ziele der | |
Klimapolitik. Die Technik der abgasarmen Verbrennungsmotoren ist weiter | |
entwickelt als die E-Technik. | |
Mit den Steuermilliarden würde ein energieintensiver Parallelsektor | |
aufgebaut, der zur weiteren Naturzerstörung weltweit beiträgt. Die | |
Batterien und High-Tech-Gimmicks in den Elektoautos verschwenden | |
Ressourcen, die wir für wichtigere Anwendungen brauchen, als damit in der | |
Gegend herumzufahren und von unterwegs in den heimischen Kühlschrank zu | |
schauen, wie Volkswagen kürzlich bei seinem Entwicklungsmodell Budd-e | |
vorstellte. | |
In Zukunft wird also nicht nur weiter Erdöl in der Arktis gefördert, | |
sondern auch seltene Erden in den letzten unbebauten Gebieten an Land. | |
Wichtigster Bestandteil in den bislang vorherrschenden Batterien ist | |
Lithium und die größten Lithiumvorkommen liegen in der einzigartigen Natur | |
des Altiplano in Bolivien. Die Entwicklung und Herstellung von | |
Lithium-Ionen-Batterien beherrschen asiatische Unternehmen. | |
Bleiben wir noch in der Wirtschaft. Die amerikanische Chemieindustrie | |
glaubt auch ohne deutsche Kaufprämie an die Elektromobilität. Für mehr als | |
6 Milliarden Dollar hat 2014 der US-Chemiekonzern Albemarle die Firma | |
Rockwood übernommen, Weltmarktführer für die Lieferung von Lithium. Bislang | |
gelangt das hauptsächlich in Laptops und Handys, doch bis 2025 rechnen die | |
Unternehmen damit, dass Lithium hauptsächlich in Elektroautos verbaut wird. | |
Um das in Deutschland voranzutreiben, hat der deutsche Arm von Rockwood in | |
Berlin das Forum Elektromobilität gegründet. Der Lobbyverein veranstaltet | |
regelmäßig alle möglichen Tagungen zur E-Mobilität in Berlin. Dem | |
Unternehmen ist jede Unterstützung aus der Politik recht, auch eine | |
Kaufprämie für E-Autos. Wirtschaftlich ist die eigentlich sogar | |
überflüssig. Die Unternehmensberatung Bain & Company geht davon aus, dass | |
die noch horrenden Preis der Batterien bis 2022 sinken und der | |
Kostenvorteil von herkömmlichen Motoren dann verschwindet. Das ist in sechs | |
Jahren.E-Autos schützen nicht das Klima, sie verzögern die Modernisierung | |
des veralteten Verkehrssystems und sind wirtschaftlich unnötig. Eine Prämie | |
ist reine Geldverschwendung. (Ulrike Fokken) | |
Die Autorin ist Reporterin der taz. Sie fährt einen abgasarmen Kleinwagen. | |
12 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
Malte Kreutzfeldt | |
Ulrike Fokken | |
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