# taz.de -- Fischer gegen Meeresschützer: Quotenstreit um Fische | |
> Die Fangmengen für die Ostsee sind hoch umstritten. Wenn die EU jetzt die | |
> Quoten für 2016 beschließt, werden Fischer oder Meeresschützer entsetzt | |
> sein. | |
Bild: Noch mehr Fisch? Technisch wär‘ das kein Problem | |
Das europäische Fischfanggeschäft gerät heutzutage immer mehr zum Kampf um | |
Zahlen. Das gilt auch für die Fangquoten beim Dorsch in der Ostsee, über | |
die der EU-Ministerrat am Donnerstag abschließend beraten will. Je nach | |
Lesart ergibt sich eine deutliche Erhöhung oder drastische Absenkung. Eine | |
„radikale Quotenkürzung“ um 20 Prozent befürchtet Norbert Kahlfuss, | |
Vorsitzender des Kutterverbandes. Von einer drohenden Erhöhung um mehr als | |
40 Prozent spricht hingegen Caroline Schacht, Fischereiexpertin der | |
Umweltstiftung WWF. Beide reden von denselben Zahlen – unterschiedlicher | |
können Interpretationen nicht sein. | |
Eine Reduzierung der Fangquoten für 2015 um bis zu 80 Prozent hat der | |
Internationale Rat für Meeresforschung (Ices) empfohlen. Bislang sei „keine | |
Dorschfischerei in der westlichen Ostsee nach einem der gängigen | |
Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert“ worden, rügt der Rat. Deshalb sollte | |
der Fang 2016 auf 29.220 Tonnen beschränkt werden. Für den Deutschen | |
Fischerei-Verband (DFV) ist das jedoch unannehmbar. „Es wäre geradezu | |
idiotisch, mit überzogenen Quotenkürzungen die kleineren Familienbetriebe | |
zu ruinieren“, moniert Kahlfuss. Überleben würden das nur Großbetriebe, die | |
in Fanggebiete in der Nordsee ausweichen könnten. | |
Die EU-Kommission hat die Empfehlungen des Ices nun nachgerechnet und rät | |
ihrerseits dem Ministerrat, den Fang von 41.143 Tonnen Dorsch zu erlauben. | |
Das wären 20 Prozent weniger als 2015, aber 40 Prozent mehr, als die | |
Wissenschaft empfiehlt: So haben Kahlfuss wie auch Schacht richtig | |
gerechnet und kommen dennoch zu vollkommen unterschiedlichen Bewertungen. | |
„Vor existenzgefährdenden Quotensenkungen“ warnt Norbert Kahlfuss, vor | |
einer „legalisierten Überfischung“ des Ostseedorsches warnt Caroline | |
Schacht. | |
Auch Thilo Maack, Fischereiexperte von Greenpeace, nennt die | |
Dorschfischerei in der Ostsee „überhaupt nicht nachhaltig“. Dass die | |
Fischereiverbände prophezeien, die Ostsee werde schon bald „das erste | |
nachhaltig bewirtschaftete Meer der Europäischen Union“ sein, hält Maack | |
für „einen schlechten Witz“. Gerade den kleinen Handwerksfischern stehe das | |
Wasser bis zum Hals. | |
„Statt diesen Fischern zu helfen, unterstützt die Bundesregierung die | |
umweltzerstörerische Grundschleppnetzfischerei“, kritisiert Maack. Ein | |
Beleg dafür sei, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unlängst einen | |
neuen Supertrawler taufte. „Eine angemessene Förderung der regionalen | |
Fischerei sieht komplett anders aus“, sagt Maack. | |
Die Landwirtschaftsminister der EU beraten in Luxemburg auch über die | |
Quoten für andere Ostseefische, die Fänge in der Nordsee werden erst im | |
Dezember nach Konsultationen mit den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Island | |
festgelegt. Den Vorschlägen der EU-Kommission zufolge sollen in der Ostsee | |
die Fangmengen für den westlichen Hering um zwölf Prozent, für den Hering | |
in der mittleren Ostsee um neun Prozent und für die Scholle um 18 Prozent | |
steigen. Dagegen sollen die Fangmengen für die Sprotte um 14 Prozent | |
abgesenkt werden. | |
Eine Steigerung der Heringsquote sei ein Schritt in die richtige Richtung, | |
sagte Kahlfuss. Angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren die | |
Fangmengen mit geringem Materialeinsatz in kürzester Zeit abgefischt worden | |
seien, sei ein höherer Anstieg möglich. Dadurch aber drohe die | |
Ostseefischerei zum Pilotprojekt „für die Aufweichung der | |
EU-Fischereireform zu werden“, befürchtet Schacht. | |
22 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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