# taz.de -- Meeresschutz in der EU: Europa fischt im Trüben | |
> Die Umweltbehörde der EU warnt, dass Europa zentrale Ziele beim | |
> Meeresschutz verfehlt. Die meisten marinen Ökosysteme seien unter Druck. | |
Bild: Fischkutter auf der Nordsee. | |
BERLIN taz | Wenn der EU-Kommissar für Umwelt und Fischerei, Karmenu Vella, | |
von den Meeren redet, gerät er schnell ins Schwärmen: von nachhaltigem | |
Fischfang, Ökoenergie und sanftem Tourismus, die Wohlstand durch „Blaues | |
Wachstum“ fördern sollen. Zur Reform der EU-Fischereipolitik von 2013 sagt | |
der Kommissar: „Große Fortschritte sind erreicht.“ | |
Jetzt allerdings torpediert ein neuer Bericht der Europäischen | |
Umweltagentur EEA diese Vorstellung: Zwei von drei Zielen der | |
EU-Meerespolitik werden demnach verfehlt, das dritte ist mittelfristig | |
ebenfalls gefährdet, heißt es [1][in dem aktuellen Report „Der Zustand von | |
Europas Meeren“]: Die Gewässer „können als produktiv betrachtet werden, | |
nicht aber als sauber und gesund“. | |
Auf diese drei Ziele hat sich die EU in ihrer Meerespolitik 2008 allerdings | |
festgelegt. Im ersten umfassenden Bericht zu diesen Zielen kommt die EEA | |
nun zu der Einschätzung: „Trotz einiger Verbesserungen bleibt unsere Art | |
der Meeresnutzung nicht nachhaltig und gefährdet nicht nur die | |
Produktivität der Gewässer, sondern auch unser Wohlergehen.“ Die meisten | |
marinen Ökosysteme seien unter Druck, die Grundnetzfischerei verwüste | |
weiter den Meeresboden, fremde Arten machten sich breit, die Überdüngung | |
aus der Landwirtschaft belaste die Gewässer, und der Klimawandel mache den | |
Meeren durch Erwärmung und Versauerung zusätzlich zu schaffen. | |
„Wir müssen die ökologischen Grenzen von Europas Meeren respektieren, wenn | |
wir weiter ihre Wohltaten genießen wollen“, sagte EEA-Generaldirektor Hans | |
Bruyninckx. „Dafür müssen wir unsere Politik für Wachstum mit unseren | |
Zielen von sauberen, gesunden und produktiven Meeren abstimmen.“ | |
## Immer mehr Plastikmüll | |
Die Zahlen des Reports, der sich auf Daten aus den Mitgliedsländern stützt, | |
sind deutlich: Zwei Drittel aller marinen Ökosysteme und fast ein Drittel | |
aller Arten zeigen „ungünstige Lebensbedingungen“. Die Hälfte aller | |
kommerziellen Fischbestände wird zu stark ausgebeutet, im Mittelmeer gelten | |
mehr als 80 Prozent der Bestände als überfischt. Immer mehr Plastikmüll | |
bedroht die Meere und gelangt über Meerestiere auch in die menschliche | |
Nahrungskette, gefährliche Stoffe wie Rückstände von Chemikalien oder | |
Pestiziden sind inzwischen überall verbreitet. | |
Zwar wissen die Datensammler, dass in Europas Gewässern über 650 Fischarten | |
und 180 Spezies von Seevögeln leben, 5 Schildkrötenarten und 40 Prozent | |
aller weltweit vertretenen marinen Säugetiere wie Robben und Wale – aber | |
grundlegende Daten über die nassen Lebensräume sind immer noch lückenhaft. | |
Fortschritte gibt es auch: So gelingt es der EU, die Überdüngung aus der | |
Landwirtschaft zu drosseln, an manchen Stellen nehme die Artenvielfalt im | |
Wasser wieder zu – und die Fischerei-Reform von 2103 sieht eigentlich vor, | |
dass Bestände nicht mehr so einfach überfischt werden können. Doch um die | |
Details der Reform ist inzwischen ein heftiger Streit zwischen Fischern und | |
Umweltschützern entbrannt. | |
## Arbeitsplatz auf oder am Meer | |
Stephan Lutter, Fischereiexperte vom Umweltverband WWF, sieht im | |
EEA-Bericht auch einen „warnenden Zeigefinger“ für Vellas Konzept des | |
„Blauen Wachstums“. Mit dieser Idee des maltesischen Kommissars „wird der | |
wirtschaftliche Druck auf die Meere immer stärker“, vor allem in Bereichen | |
wie Energiegewinnung durch Wind- oder Wellenkraft, aber auch durch | |
Tiefseebergbau. „Dieses Neuland ist bislang nicht reglementiert“, klagt | |
Lutter. Der Bericht der Umweltbehörde erwähnt dann auch, dass in Europa | |
mehr als 6 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz auf oder am Meer haben und | |
jährlich etwa 500 Milliarden Euro Umsatz damit erwirtschaften. Es müsse | |
daher „mehr Integration“ geben zwischen der EU-Meeresstrategie und den | |
Plänen zum Wirtschaftswachstum. | |
Konkret bedeutet das für Lutter: „Bisher sind die Mitgliedstaaten für den | |
ökologischen Zustand ihrer Meere verantwortlich, aber die Fischereipolitik | |
wird in Brüssel entschieden. Das passt oft nicht zusammen.“ | |
25 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.eea.europa.eu/media/publications/state-of-europes-seas | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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