# taz.de -- Neue Fischfangquoten für die Ostsee: Esst weniger Dorsch! | |
> Die EU erlaubt 63 Prozent mehr Dorschfang, als Wissenschaftler empfehlen, | |
> kritisiert der WWF. Die Reform der Fischereipolitik stockt. | |
Bild: Wie viel Dorsch sollte dieser Ostseekutter fangen dürfen? | |
HAMBURG taz | Die Fischereiminister der EU haben die Höchstfangmengen für | |
die Ostsee im Jahr 2016 festgelegt: unverändert viel Lachs, ein Fünftel | |
weniger Dorsch, dafür mehr Scholle. Doch während der Bestand des | |
Plattfisches seit einiger Zeit rasant wächst, ist die Entwicklung vor allem | |
beim „Brotfisch“ der Kutterfischer, dem Dorsch, umstritten – und damit au… | |
die Entscheidung, die die Minister in der Nacht zum Freitag getroffen | |
haben. | |
Höhere Quoten wünscht sich der Verband der Deutschen Kutter- und | |
Küstenfischerei. „Die Situation der meisten Fischbestände in der Ostsee hat | |
sich in den letzten Jahren durch ein verantwortungsvolles Management | |
deutlich verbessert“, so ein Verbandssprecher. | |
Der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) soll denn auch | |
die Forderungen der EU-Kommission nach einer noch stärkeren Reduzierung des | |
Dorschfangs in Luxemburg abgebügelt haben, um die Fischwirtschaft ruhig zu | |
stellen. | |
Kritik aus einer anderen Richtung kommt von Umweltschutzorganisationen wie | |
dem WWF: „Das ist legalisierte Überfischung statt nachhaltiger | |
Bewirtschaftung, die das Fischereigesetz vorschreibt“, kritisiert | |
WWF-Fischereiexpertin Stella Nemecky in Hamburg. Die Wirtschaft verweise | |
gerne auf den Bestandszuwachs, ignoriere dabei aber, dass der westliche | |
Dorschbestand der Kollaps-Gefahr noch gar nicht entwachsen sei. „Die | |
Fischereiminister erlauben 63 Prozent mehr Fang vom Westdorsch, als von den | |
Wissenschaftlern empfohlen. Vor allem dieser Dorschbestand wird von | |
deutschen Fischern bewirtschaftet“, so der WWF. | |
## Vom Ein- zum Mehrjahresplan | |
Hinter der aktuellen Diskussion der Fischereiminister verbirgt sich ein | |
grundlegender Konflikt. Die inzwischen ausgeschiedene EU-Kommissarin für | |
maritime Angelegenheiten, die Griechin Maria Damanaki, hatte 2014 gegen | |
starke Lobbyinteressen eine neue, nachhaltigere „Gemeinsame | |
Fischereipolitik“ durchgesetzt: Die Fangquoten sollten nicht mehr Jahr für | |
Jahr politisch ausgehandelt werden, sondern stattdessen in Mehrjahresplänen | |
den Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) für | |
einen „höchstmöglichen Dauerertrag“ folgen. ICES ist ein Netzwerk aus 350 | |
Forschungsinstituten in zwanzig Ländern. | |
Die Ostsee sollte der Musterfall für Europa werden. Doch die Fangquoten | |
2016 folgen noch immer nicht der neuen Gemeinsamen Fischereipolitik. Die | |
sogenannten Trilog-Verhandlungen von EU-Kommission, Ministerrat und | |
Parlament beispielsweise über die konkreten Mehrjahresplänen stocken. „Sie | |
hätten bereits im Juni problemlos abgeschlossen werden können“, kritisiert | |
die zuständige Europaparlamentarierin Ulrike Rodust (SPD) auf Anfrage die | |
EU-Minister. | |
## Immer weniger deutsche Seefischer | |
„Leider sah sich der Rat aber außer Stande, sich klar zu einer nachhaltigen | |
Bewirtschaftung der Fischbestände zu bekennen.“ Die erneute Verzögerung sei | |
auch für die Ostseefischer ärgerlich, denen der Rat weiterhin die nötige | |
Planungssicherheit verwehre. | |
Um die Fischer ist es ohnehin nicht gut bestellt, ergab eine Kleine Anfrage | |
der Linksfraktion an die Bundesregierung. Von den 1.900 Seefischern Anfang | |
der neunziger Jahre gibt es heute nur noch knapp 1.000 an der deutschen | |
Küste. „Jetzt müssen alle zügig wieder an den Verhandlungstisch | |
zurückkehren, um statt des unwürdigen Quotengeschachers endlich langfristig | |
für eine optimale Befischung zu sorgen“, fordert die Schleswig-Holsteinerin | |
Rodust. | |
23 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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