# taz.de -- Neue Fangquoten: Dorsch tot, Scholle satt | |
> Neue Fangquoten in der Ostsee bedrohen die Existenz vieler Fischer. Die | |
> Dorschquote wird nahezu halbiert und die Freizeitanglerei beschränkt, | |
> weil der Bestand vor dem Kollaps steht | |
Bild: Sprotten statt Dorsch: Fischer und Möwen müssen sich umstellen. | |
HAMBURG taz | Britta König formuliert gern blumig: „Kein Rettungsanker für | |
den Dorsch – ein Bärendienst für die Fischer“ nennt die Sprecherin der | |
Hamburger Umweltstiftung WWF die europäischen Fangquoten für die Fischerei | |
auf der Ostsee. Es sei „verantwortungslos, die Überfischung fortzusetzen“. | |
In der Nacht zu Dienstag haben die Fischereiminister der EU vor allem beim | |
Dorsch eine drastische Kürzung um bis zu 56 Prozent beschlossen (siehe | |
Kasten). Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hatte in seiner | |
Empfehlung an die Minister sogar eine Kürzung um 87 Prozent gefordert. | |
Bei den Fischern löse auch die nun beschlossene Halbierung „Existenzangst“ | |
aus, kritisiert der Deutsche Fischereiverband mit Sitz in Hamburg. | |
Umweltschützern indes geht das nicht weit genug. Die neuen Quoten für 2017 | |
seien „ein Kniefall vor den Interessen der Fischereiindustrie“, findet | |
Greenpeace-Meeresexperte Thilo Maack. | |
## Abhängig vom Dorsch | |
Der Dorsch gilt den Fischern auf der Ostsee als „Brotfisch“, der über Wohl | |
und Wehe der zumeist in Familienhand befindlichen Betriebe entscheidet. In | |
Deutschland liegt er auf Platz sieben der meistverzehrten Speisefische. | |
Schleswig-Holsteins Fischer tragen bislang rund drei Viertel zum deutschen | |
Dorschfang bei, folglich ist hier die Abhängigkeit von der Fangmenge | |
besonders hoch. | |
Deshalb seien nun strukturelle Hilfen aus dem Europäischen Meeres- und | |
Fischereifonds nötig, sagt der grüne Umwelt- und Fischereiminister Robert | |
Habeck: „Wir setzen uns dafür ein, dass Gelder für die dauerhafte und | |
vorübergehende Stilllegung gezahlt werden können.“ Der Bund müsse sich bei | |
der EU dafür einsetzen. | |
Erstmals legte die EU auch Obergrenzen für Freizeitfischer fest, weil sie | |
mittlerweile ähnlich viel Dorsch aus der Ostsee holen wie Berufsfischer. | |
Vor allem im Sommer sind Angeltouren auf den Fischkuttern eine bislang | |
unreglementierte Touristenattraktion in der Lübecker und der Kieler Bucht – | |
mit der Folge, dass die Dorschquote faktisch doppelt ausgeschöpft wird. | |
In der Laichsaison im Februar und März dürfen Freizeitangler nun künftig | |
höchstens drei Dorsche pro Tag angeln, im Rest des Jahres fünf, legte die | |
EU fest. Das müsse dann aber auch effektiv kontrolliert werden, fordert der | |
WWF: „Eine Dunkelziffer können wir uns nicht leisten.“ | |
Von einem „tragbaren Kompromiss“ sprach der Direktor des Thünen-Instituts | |
für Ostseefischerei in Rostock, Christopher Zimmermann. Es sei positiv, | |
dass auch die Freizeitfischerei begrenzt und somit der Fischereidruck | |
insgesamt gesenkt werde. | |
## Die Kleinen trifft's härter | |
Ohne Beihilfen würden viele Familienbetriebe das nächste Jahr nicht | |
überstehen, befürchtet dennoch Dirk Sande vom Verband der deutschen Kutter- | |
und Küstenfischer (VDKK). Bis zu 50 Prozent der Flotte in der Ostsee könnte | |
ihre Existenzgrundlage verlieren. Weil das auch nachgelagerte Bereiche wie | |
Bootswerften, Schiffsausrüster oder Fischrestaurants träfe, „wäre ein nicht | |
reparabler Strukturverlust die Folge“, warnt Sander. | |
Das sieht auch Thilo Maack von Greenpeace so, weil die besonders | |
umweltzerstörerische Großfischerei weiterhin bevorzugt werde: „Die | |
Leidtragenden sind die mit traditionellen Methoden arbeitenden | |
Küstenfischer, die im Gegensatz zur industriellen Fischerei am wenigsten | |
für die problematische Situation verantwortlich sind“, kritisiert Maack. | |
Es gebe aber auch gute Nachrichten, findet der Deutsche Fischereiverband: | |
Es dürften ein Drittel mehr Sprotten und fast doppelt so viele Schollen wie | |
2016 gefangen werden. Das sei einem „nachhaltigen und verantwortungsvollen | |
Management“ zu verdanken. Das soll nun auch beim Dorsch praktiziert werden | |
– so lange es noch welchen gibt. | |
11 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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