| # taz.de -- Streit um Nachhaltigkeit im Fischfang: Guter Seelachs, böser Seela… | |
| > Im neuen Greenpeace-Einkaufsratgeber für Fisch fallen viele Ökoanbieter | |
| > durch. Die beschweren sich über zu strenge Kriterien. | |
| Bild: Grund-Schleppnetze, die den Meeresboden durchpflügen, sind für Greenpea… | |
| Dieburg taz | Der Ende Januar [1][veröffentlichte Einkaufsratgeber von | |
| Greenpeace] sorgt für Dissens unter Umweltverbänden und Ökofischanbietern. | |
| WWF, die norwegische Fischereiindustrie und der Marine Stewardship Council | |
| (MSC), der nachhaltig gefangenen Fisch zertifiziert, kritisieren die | |
| Konsumtipps. Zu streng seien die Bewertungskriterien, monieren die | |
| Befürworter einer grünen Fischerei, zu denen auch Norwegen gehört. Die | |
| Fischereipolitik Oslos gilt als vorbildlich und dient der EU als Modell für | |
| die Reform der eigenen Gesetze. | |
| Nachhaltigkeit habe „höchste Priorität“ und „norwegische Fische sind | |
| sicher“, erklärt das Hamburger Büro des Norwegian Seafood Council (NSC) in | |
| einer Reaktion auf den Greenpeace-Führer. Der rät vom Kauf von Arten wie | |
| Kabeljau, Schellfisch, Hering oder Seelachs ab, die für die norwegische | |
| Fischereiwirtschaft wichtig sind. | |
| Die rote Ampel stellt Greenpeace hier auch für Produkte mit dem MSC-Label, | |
| was den norwegischen NSC besonders stört. „Der Fischereidruck auf diese | |
| Bestände ist einfach zu hoch“, sagt Greenpeace-Expertin Sandra Schöttner. | |
| Beim norwegischen Hering gebe es zu wenige Elterntiere, das zeigten | |
| Studien. Der Bestand sei keineswegs „auf gutem und nachhaltigem Niveau“, | |
| wie der Seafood Council selbst schreibt. Greenpeace rät auch vom | |
| Alaska-Seelachs ab, da er mit Schleppnetzen gefischt wird. Der WWF | |
| empfiehlt die MSC-Variante des Speisefisches, der etwa in Fischstäbchen | |
| steckt. | |
| Auch der deutsche MSC wendet sich in einer Stellungnahme gegen | |
| „Verallgemeinerungen“ und „K.-o.-Kriterien“. Es gebe „unterschiedliche | |
| Auffassungen“, was nachhaltige Fischerei bedeute. Der norwegische WWF wird | |
| deutlicher: MSC-zertifizierte Fischereien seien gut gemanagt, erklärt | |
| Referent Fredrik Myhre. | |
| ## Der WWF hat andere Kriterien | |
| Sein deutscher Kollege Philipp Kanstinger schwächt ab: „Die rote Ampelfarbe | |
| im Greenpeace-Führer hat einen völlig anderen Hintergrund als bei uns“, | |
| erklärt der Experte. Greenpeace hat fixe Ausschlusskriterien, etwa | |
| Grund-Schleppnetze, die den Meeresboden durchpflügen. Wenn eine Fischerei | |
| damit fängt, ist sie durchgefallen. Der WWF rechnet hingegen andere | |
| Kriterien wie etwa die Entwicklungsperspektive eines Bestands gegen und | |
| gibt abschließend eine Kaufempfehlung ab, wenn viele, aber nicht zwingend | |
| alle Punkte erfüllt sind. Der MSC zertifiziert ähnlich. | |
| „MSC verteilt Vorschusslorbeeren, wenn etwa Pläne für ein gutes | |
| Fischereimanagement positiv bewertet werden“, sagt Sandra Schöttner. Das | |
| sei fahrlässig. Greenpeace listet auf der eigenen Website durchaus Stärken | |
| des MSC auf und lobt die positiven Effekte des Labels. Dennoch geht die NGO | |
| mit dem Siegel teils hart ins Gericht: Der MSC ermögliche, „ungesunde und | |
| ausgezehrte Bestände zu befischen, hohe Beifänge zu tolerieren oder den | |
| Erhalt des Ökosystems zu gefährden“. | |
| Letztlich geht es um verschiedene Lesarten von Nachhaltigkeit: Die | |
| Greenpeace-Interpretation ist streng und punktuell. Sie wertet aktuelle | |
| Rückgänge in einem Bestand als Warnsignal für einen drohenden Niedergang | |
| oder will bestimmte Fangmethoden aus der Fischereiwelt schaffen. Dahinter | |
| steht eine strikte Auslegung des Vorsorgeprinzips in der Umweltpolitik – | |
| auch weil Raubbau an Ressourcen viel größer ausfallen könne. | |
| Die MSC- und WWF-Version mariner Nachhaltigkeit ist wirtschaftsorientierter | |
| und weiter gefasst. Sie lässt Spielräume und nimmt günstige Prognosen für | |
| einen Fischbestand stärker in den Blick, auch wenn es mal nicht so gut | |
| geht. Es bleibt eine mühsame Verbraucherentscheidung, welche Nachhaltigkeit | |
| auf dem Teller landen soll. | |
| 18 Feb 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/einkaufsratgeber-fisch | |
| ## AUTOREN | |
| Thorsten Schäfer | |
| ## TAGS | |
| WWF | |
| Nachhaltigkeit | |
| Greenpeace | |
| MSC-Siegel | |
| Fischerei | |
| Gewässerschutz | |
| Patente | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Ostsee | |
| Meere | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Algenplage in Chile: Rote Pest im Südpazifik | |
| Die „Rote Flut“ vergiftet Muscheln und tötet Meerestiere. Die Fischer haben | |
| Fangverbot; sie blockieren Häfen und fordern Entschädigung. | |
| Dekadenz und Nachhaltigkeit: Das Märchen vom massierten Stör | |
| Mit der Verheißung ökologisch-verträglichen Kaviars hat eine Meeresbiologin | |
| erst für Furore, jetzt aber für Betrugsermittlungen gesorgt. | |
| Testbiotech-Chef über Gen-Lachs: „Es wird nicht beim Lachs bleiben“ | |
| Christoh Then kritisiert die Entscheidung der US-Umweltbehörde, | |
| gentechnisch veränderten Lachs für den Verzehr zuzulassen. | |
| Neue Fischfangquoten für die Ostsee: Esst weniger Dorsch! | |
| Die EU erlaubt 63 Prozent mehr Dorschfang, als Wissenschaftler empfehlen, | |
| kritisiert der WWF. Die Reform der Fischereipolitik stockt. | |
| Fischer gegen Meeresschützer: Quotenstreit um Fische | |
| Die Fangmengen für die Ostsee sind hoch umstritten. Wenn die EU jetzt die | |
| Quoten für 2016 beschließt, werden Fischer oder Meeresschützer entsetzt | |
| sein. |